BGH Beschluss v. - V ZB 25/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste 1998 in das Bundesgebiet ein und wurde nach diversen strafrechtlichen Verurteilungen mit Verfügung vom bestandskräftig ausgewiesen. Zu einem für den anberaumten Abschiebungstermin erschien er nicht. Am wurde er festgenommen. Zunächst wurde Abschiebungshaft bis zum angeordnet; die dagegen gerichtete Beschwerde war erfolglos.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Haft am bis zum verlängert. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene nach dem Ende der Haftzeit die Feststellung erreichen, dass die Haftverlängerung und ihre Aufrechterhaltung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3 Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Verlängerung der Sicherungshaft lägen vor. Die beteiligte Behörde habe die notwendigen konkreten Angaben zum geplanten Ablauf des Verfahrens zur Beschaffung des Passersatzpapiers sowie zur erforderlichen Haftdauer gemacht. Es liege eine Zusage der marokkanischen Botschaft vor, binnen vierzehn Tagen ein Passersatzpapier zur Verfügung zu stellen. Die Abschiebung könne daher voraussichtlich bis zum durchgeführt werden.

III.

4 Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog § 62 FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359 Rn. 9 mwN). Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.

5 1. Das Amtsgericht hätte die Haft nicht verlängern dürfen, weil die beteiligte Behörde - wie der Betroffene zu Recht rügt - das Verfahren zuvor nicht mit der nötigen Beschleunigung betrieben hatte.

6 a) Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden; dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Sicherungshaft darf deshalb nur aufrechterhalten oder - wie hier - verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar - gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - mit der größtmöglichen Beschleunigung. Dabei ist ihr die Bearbeitung durch die ausländischen Behörden nicht zuzurechnen; ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kann sich aber daraus ergeben, dass die Ausländerbehörde ihrerseits nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen. In diesem Fall darf die Haft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht aufrechterhalten oder verlängert werden (vgl. zum Ganzen Senat, Beschlüsse vom - V ZB 104/12, [...] Rn. 6 ff., vom V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 15 f., und vom V ZB 247/10, [...] Rn. 7).

7 b) Diesen Anforderungen genügte das Vorgehen der beteiligten Behörde nicht.

8 aa) Sie hat am ein Schreiben an die marokkanische Botschaft gerichtet und unter Beifügung eines abgelaufenen Laissez-Passer um die erneute Ausstellung eines Passersatzpapiers gebeten. Darauf erfolgte keine Reaktion. Vier Wochen später - und zwar nach einer Sachstandsanfrage des Beschwerdegerichts, die die Beschwerde gegen die ursprüngliche Haftanordnung betraf - richtete die beteiligte Behörde am ein weiteres Schreiben an die Botschaft. Am , also am Tag vor der Verlängerung der Haft durch das Amtsgericht, erreichte die beteiligte Behörde die Botschaft telefonisch. Wie sich aus dem von der Rechtsbeschwerdebegründung in Bezug genommenen Aktenvermerk ergibt, teilte die Botschaft dabei mit, dass zur Ausstellung eines Passersatzpapiers drei Fotos des Betroffenen sowie der Bescheid über die Ausreiseverpflichtung benötigt würden; die Passersatzpapiere könnten innerhalb von vierzehn Tagen ab Vorlage dieser Unterlagen ausgestellt werden.

9 bb) Danach ist das Verfahren nicht mit der gebotenen größtmöglichen Beschleunigung betrieben worden. Die beteiligte Behörde durfte schon nicht eine knappe Woche zuwarten (nämlich von der Haftanordnung am 11. Januar bis zum ), bis sie die Beschaffung von Passersatzpapieren durch ein Schreiben an die marokkanische Botschaft in Gang brachte. Zudem wies sie dabei nicht auf die Inhaftierung des Betroffenen und die damit verbundene besondere Dringlichkeit des Anliegens hin. Bereits ihren ersten Haftantrag vom hatte sie damit begründet, die Ausstellung eines Passersatzpapiers werde sich "überschaubar" gestalten; es würden maximal vier Wochen benötigt, weil ein abgelaufenes Laissez-Passer vorliege. Es ist schon zweifelhaft, ob die beteiligte Behörde die von ihr selbst zunächst als Höchstdauer bezeichnete Zeit von vier Wochen abwarten durfte, bevor sie bei der Botschaft erstmals nach dem Sachstand fragte; die Rechtsbeschwerde verweist zutreffend darauf, dass frühere Schreiben an die marokkanische Botschaft in dieser Angelegenheit ebenfalls unbeantwortet geblieben waren und die beteiligte Behörde aus diesem Grund Zweifel an dem Erfolg schriftlicher Kontaktaufnahme haben musste. Jedenfalls nach Ablauf von vier Wochen durfte sie sich deshalb nicht mehr auf ein erneutes Schreiben beschränken, sondern musste den Sachverhalt auf andere Weise, etwa telefonisch, mit der Botschaft klären; auf diese Weise hätte sie auch deutlich früher in Erfahrung bringen können, dass zunächst Lichtbilder des Betroffenen und der Bescheid über die Ausweisung übermittelt werden mussten. Soweit die beteiligte Behörde in ihrem Haftantrag ausführt, es sei ihr am "endlich" gelungen, die marokkanische Botschaft zu erreichen, ist - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht ausführt - aus der Ausländerakte nicht ersichtlich, dass zuvor, abgesehen von den beiden Schreiben vom und vom , irgendwelche Versuche unternommen worden waren, die Botschaft zu kontaktieren.

10 2. Das Beschwerdegericht durfte die Haftverlängerung deshalb nicht - wie geschehen - aufrechterhalten.

IV.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

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Fundstelle(n):
PAAAE-50207