BGH Beschluss v. - I ZB 59/11

Instanzenzug:

Gründe

A.

1 Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telefon- und Internetdienstleistungen. - 3 -

2 Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der telefonischen Akquise von p.-Verträgen zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,

a) der Anruf diene lediglich der Durchführung einer Umfrage,

und/oder

b) für die Teilnahme an einer Umfrage erhalte der Kunde 100 Freiminuten, insbesondere wenn dies mit der weiteren Behauptung geschieht, dass diese Freiminuten von der T. gewährt würden, wenn der Kunde in dem Telefonat tatsächlich einen p.-Vertrag abschließen soll.

3 Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von 1.580 € Abmahnkosten verurteilt und den Streitwert für den im Rechtsbeschwerdeverfahren noch bedeutsamen Teil des Rechtsstreits auf 75.000 € festgesetzt.

4 Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten, mit der diese geltend gemacht hat, das Landgericht sei aufgrund einer unzutreffenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die angegriffene Behauptung aufgestellt worden sei, hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses und die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B.

5 I. Das Berufungsgericht hat die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 511 Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert der Beschwer 600 € nicht übersteige. Es hat dazu ausgeführt:

6 Die Parteien stritten hier nicht über die Unterlassungspflichten selbst, sondern nur über die Frage, ob die Beklagte gegen diese Unterlassungspflichten verstoßen habe. Ein Interesse der Beklagten, so zu handeln, wie es verboten worden sei, bestehe ersichtlich nicht und werde von der Berufung auch nicht behauptet. Im Streitfall habe die Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises nicht dargelegt, dass Aufwand und Kosten zur Einhaltung der Unterlassungspflicht 300 € übersteigen könnten. Ein bewertbarer Imageschaden sei durch die Verurteilung ebenfalls nicht entstanden.

7 II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 2. Alt. ZPO). Der angefochtene Beschluss beschränkt das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes bezüglich des Zugangs zur Berufungsinstanz in einer nicht zu rechtfertigenden Weise (vgl. , NJW-RR 2007, 1384 Rn. 5; Beschluss vom - IV ZB 19/11, VersR 2012, 881 Rn. 3, mwN).

9 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

10 a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der für die Statthaftigkeit der Berufung erforderliche Beschwerdewert sei nicht erreicht, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie der Senat mit zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ergangenem Urteil vom entschieden hat, ist für die Bestimmung der Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils maßgebend, welche Nachteile dem Schuldner aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen können. Dabei ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht streiten oder aber lediglich über bereits erfolgte Verstöße gegen eine unstreitig bestehende Unterlassungspflicht (I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 ff. = WRP 2013, 1364 - Beschwer des Unterlassungsschuldners, mwN).

11 b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch der tatsächliche Maßstab, den das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bei der Wertfestsetzung gemäß §§ 2, 3 ZPO angelegt hat, um den von der Beklagten zur Einhaltung des Unterlassungsgebots zu treibenden Aufwand zu bestimmen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung lasse sich mit einer schlichten, ggf. auch kurz erläuterten Rundmail erreichen, genügt den im Rahmen des § 890 Abs. 1 ZPO an die Information und Überwachung von Mitarbeitern und Beauftragten zu stellenden strengen Maßstäben nicht (vgl. auch dazu BGH, GRUR 2013, 1067 Rn. 18 - Beschwer des Unterlassungsschuldners, mwN).

12 III. Da sich der angefochtene Beschluss auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 577 Abs. 3 ZPO), kann er keinen Bestand haben. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
FAAAE-49533