Telekommunikation; belastende Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur; Substantiierungs- und Darlegungslast des Adressaten bei Beibehaltung der Entscheidung
Gesetze: § 9 Abs 2 TKG 2004, § 13 Abs 1 TKG 2004, § 30 Abs 1 S 1 TKG 2004
Instanzenzug: Az: 1 K 182/09 Urteil
Gründe
1Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und des Verfahrensmangels (2.) stützt, bleibt ohne Erfolg.
21. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
3Die Klägerin hält die Frage für rechtsgrundsätzlich: "Ist es bei einer Klage gegen eine Entscheidung der Bundesnetzagentur, durch welche eine den Kläger als Adressaten belastende Regulierungsverfügung beibehalten wird, Sache des Klägers[,] substantiiert darzulegen, ob sich im Zeitraum seit Erlass der früheren Regulierungsverfügung die Verhältnisse so geändert haben, dass die früher getroffene Entscheidung über die Entgeltregulierung nicht mehr im Rahmen des der Bundesnetzagentur zustehenden Regulierungsermessens vertretbar wäre?" Dieser Frage fehlt die für eine Zulassung erforderliche Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren, weil sie sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten lässt. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt einer Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung bedarf. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG 6 B 21.12 - NVwZ 2013, 439 Rn. 2). So liegt es hier.
4Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung der Bundesnetzagentur, die der Klägerin mit der Regulierungsverfügung vom auferlegte Verpflichtung beizubehalten, dass die Entgelte für die Gewährung des Zugangs und der Kollokation gemäß Ziffer 1 der Genehmigung unterliegen, ist § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und § 30 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes vom (BGBl I S. 1190) - TKG -, das in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom zuletzt durch Gesetz vom (BGBl I S. 3198) geändert worden war. Nach § 30 Abs. 1 TKG unterliegen die Entgelte des Betreibers eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, für ihm auferlegte Zugangsleistungen einer Genehmigung durch die Bundesnetzagentur, falls sie die Entgelte nicht unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 TKG einer nachträglichen Regulierung unterwirft. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift im Hinblick auf Art. 8 und 13 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung - Zugangsrichtlinie (ABl Nr. L 108 S. 7) - unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bundesnetzagentur stets über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung zu entscheiden hat ( BVerwG 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 38).
5Im Rahmen ihrer Entscheidung über die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht - ebenso wie der anderen in § 13 TKG vorgesehenen Verpflichtungen - verfügt die Bundesnetzagentur nach ständiger Rechtsprechung des Senats über ein ihr in Anlehnung an das Planungsermessen eingeräumtes Regulierungsermessen, das fehlerhaft ausgeübt wird, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat - Abwägungsausfall -, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste - Abwägungsdefizit -, die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist - Abwägungsfehleinschätzung - oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht - Abwägungsdisproportionalität - ( BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 47, vom - BVerwG 6 C 38.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 2 Rn. 49, vom a.a.O. Rn. 33, vom BVerwG 6 C 22.08 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 1 Rn. 16, vom - BVerwG 6 C 36.10 - Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 5 Rn. 25 und vom - BVerwG 6 C 10.12 - DVBl 2013, 1188 Rn. 34). Die gerichtliche Kontrolle der Ausübung des Regulierungsermessens hat sich dabei grundsätzlich auf diejenigen Erwägungen zu beschränken, die die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt hat ( BVerwG 6 C 11.10 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 5 Rn. 40 und vom a.a.O.).
6Dieses gerichtliche Prüfprogramm ist uneingeschränkt auch bei Anfechtungsklagen gegen solche Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur maßgeblich, durch welche eine den Kläger als Adressaten belastende Verpflichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht (erstmals) auferlegt, sondern eine in der Vergangenheit auferlegte Verpflichtung (inhaltlich unverändert) beibehalten wird. Da die Behörde für die Feststellung und Bewertung des für die Abwägung maßgeblichen Sachverhalts die Erkenntnisse heranziehen muss, die hierfür im Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehen (Urteil vom a.a.O. Rn. 26), gehören bei Entscheidungen über die Beibehaltung von Regulierungsverpflichtungen selbstverständlich auch solche Erkenntnisse zum Abwägungsmaterial, aus denen sich eine Veränderung der der ursprünglichen Regulierungsverfügung zugrunde liegenden Verhältnisse ergibt. Dass die Bundesnetzagentur derartigen Erkenntnissen gegebenenfalls sogar mit besonderer Sorgfalt nachzugehen hat, wird durch die Erwägung unterstrichen, dass das System der zeitabschnittsweisen Auferlegung individueller Verpflichtungen gerade dazu dient, eine Überregulierung zu vermeiden und je nach dem Stand der Marktverhältnisse den schrittweisen Abbau von Regulierung anzustoßen (Urteil vom a.a.O. Rn. 34). Ob die Regulierungsbehörde den abwägungserheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat, muss das Verwaltungsgericht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO von Amts wegen erforschen. Für die Annahme einer besonderen Substantiierungs- und Darlegungslast des als Adressat der Regulierungsverpflichtung klagenden Unternehmens im Verwaltungsprozess besteht nach alledem keine rechtliche Grundlage.
7Ob das Verwaltungsgericht abweichend von den vorstehenden Grundsätzen davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die ihrer Ansicht nach seit Erlass der früheren Regulierungsverfügung eingetretene Änderung der Verhältnisse besonders hätte darlegen und substantiieren müssen, betrifft nur den Einzelfall und kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht jedoch auch nicht tragend auf die Annahme einer Substantiierungslast der Klägerin abgestellt. Im Zusammenhang mit ihrem Einwand, dass Auswirkungen der ersten Regulierungsverfügung und der Entgeltgenehmigungsbeschlüsse nicht beachtet worden seien, hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Bundesnetzagentur habe die ihr im Dezember 2008 zur Verfügung stehenden Erkenntnisse in Form der zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Marktdefinition und Marktanalyse herangezogen. Dieses Verfahren sei erneut durchgeführt worden, habe die vorangegangene Entwicklung des Mobilfunkterminierungsmarktes zum Gegenstand gehabt und soweit folglich auch tatsächliche Auswirkungen der Regulierung auf die Marktverhältnisse umfasst. Mit der von der Klägerin in der Beschwerdebegründung aufgegriffenen Formulierung, es sei "nicht ersichtlich und ... auch nicht substantiiert dargelegt", dass in den rund zwei Jahren seit Erlass der rechtmäßigen Regulierungsverfügung vom der betreffende Markt und seine Gegebenheiten sich dergestalt verändert hätten, dass die von der Bundesnetzagentur am getroffene Entscheidung über die Entgeltregulierung nicht mehr im Rahmen des ihr zustehenden Regulierungsermessens vertretbar wäre, hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund lediglich auf das Fehlen von Anhaltspunkten verwiesen, an welche eine über die Erkenntnisse der von der Bundesnetzagentur herangezogenen Marktdefinition und Marktanalyse vom hinausgehende Sachverhaltsaufklärung sinnvoll hätte anknüpfen können.
82. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
9Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass dem Verwaltungsgericht eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) unterlaufen wäre. Die Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz verlangt die Darlegung, dass das Gericht einen Schluss gezogen hat, den es ohne Willkür, insbesondere ohne Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, schlechterdings nicht ziehen konnte ( BVerwG 6 B 9.11 - Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 4 Rn. 10). Dieses Erfordernis ist hier nicht erfüllt. Mit der von der Klägerin beanstandeten Annahme, dass sich die Bundesnetzagentur mit den verschiedenen Entgeltkontrollmöglichkeiten und den verschiedenen Prüfungsmaßstäben wie auch dem Absehen von jeglicher Entgeltkontrollverpflichtung auseinander gesetzt und ein Stufenverhältnis der Entgeltkontrollsysteme in ihre Erwägungen eingestellt habe, hat das Verwaltungsgericht die seiner freien Beweiswürdigung gesetzten Grenzen nicht überschritten. insbesondere steht diese Feststellung nicht in offensichtlichem Widerspruch zu den Ausführungen auf S. 17 ff. des angefochtenen Beschlusses der Bundesnetzagentur.
10Die Bundesnetzagentur führt in dem bezeichneten Abschnitt der Beschlussbegründung aus, dass der nationale Gesetzgeber im Telekommunikationsgesetz drei zueinander im Stufenverhältnis stehende Entgeltkontrollsysteme geregelt habe und als vierte Variante an ein Absehen von jedweder Kontrolle zu denken sei. Bei der Darstellung dieser Entgeltkontrollsysteme differenziert die Bundesnetzagentur zwischen der in § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG vorgesehenen doppelten Vorab-Entgeltprüfung am Missbrauchsmaßstab und am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung als "schärfster" Form der Entgeltkontrolle, der aus § 30 Abs. 3 Satz 2 TKG in Verbindung mit § 38 Abs. 1 TKG folgenden Vorab-Entgeltprüfung allein am Missbrauchsmaßstab als "zweitschärfster" Form und schließlich der in § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG in Bezug genommenen nachträglichen Regulierung nach § 38 Abs. 2 bis 4 TKG, bei der die Bundesnetzagentur nur tätig werde, wenn ihr Tatsachen bekannt würden, die die Annahme rechtfertigten, dass Entgelte für Zugangsleistungen von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht nicht den Maßstäben des § 28 TKG genügten. Im Anschluss an die Feststellung, dass die Entscheidung, ob und inwieweit sie der Betroffenen Regulierungsverpflichtungen bezüglich ihrer Terminierungsentgelte auferlege, in ihrem Ermessen liege, arbeitet die Bundesnetzagentur die Zwecke der Entgeltkontrolle auf dem verfahrensgegenständlichen Terminierungsmarkt heraus und gelangt zu dem Ergebnis, dass lediglich die Auferlegung einer Entgeltkontrolle gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG diesen Zwecken entspreche. Schließlich legt sie eingehend dar, dass die Auferlegung einer Entgeltgenehmigungspflicht nicht nur geeignet, sondern auch zur Zweckerreichung erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sei. Aus diesen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss konnte das Verwaltungsgericht ohne Willkür schließen, dass sich die Bundesnetzagentur mit den verschiedenen Entgeltkontrollmöglichkeiten und den verschiedenen Prüfungsmaßstäben wie auch dem Absehen von jeglicher Entgeltkontrollverpflichtung auseinander gesetzt und ein Stufenverhältnis der Entgeltkontrollsysteme in ihre Erwägungen eingestellt habe.
11Ein gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßender Widerspruch lässt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht mit der Erwägung begründen, die Beklagte habe in ihrem Beschluss vom insbesondere die Kombination aus nachträglicher Entgeltregulierung bei Zugrundelegung des materiellen Maßstabs der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung nicht in den Blick genommen; da die Klägerin auf diese Alternative im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich hingewiesen habe, könne die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe sich mit den verschiedenen Entgeltkontrollmöglichkeiten auseinander gesetzt, nur bedeuten, dass die Beklagte gerade auch diese Alternative in Erwägung gezogen habe, was indes dem Akteninhalt widerspreche. Eine aktenwidrige Tatsachenfeststellung liegt in diesem Zusammenhang jedoch schon deshalb nicht vor, weil das Verwaltungsgericht die von der Klägerin unterstellte Feststellung, die Beklagte habe auch die Kombination aus nachträglicher Entgeltregulierung und materiellem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in den Blick genommen, nicht getroffen hat und auch nicht treffen musste, weil es hierauf nach seiner Rechtsauffassung nicht ankam. Denn das Verwaltungsgericht teilt erkennbar den rechtlichen Ansatz der Bundesnetzagentur, dass die von der Klägerin aufgezeigte weitere Variante nicht zu den im Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Entgeltregulierungsstufen gehört und deshalb im Rahmen der Abwägung auch nicht zu prüfen war. Dieser Auffassung hält die Klägerin zwar entgegen, dass die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte gesetzliche Vorstrukturierung des Ermessensspielraums der Bundesnetzagentur mit den unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar sei mit der Folge, dass die Bundesnetzagentur in Bezug auf den Inhalt ihrer Entscheidung vollständige Wahlfreiheit habe und auch für nur ex post regulierte Entgelte vorsehen könne, dass diese dem Maßstab des § 31 TKG unterliegen (vgl. Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 56). Selbst wenn diese Kritik der Klägerin zuträfe, was der Senat bisher nicht entschieden hat und ausdrücklich offen lässt, würde dies jedoch allenfalls auf einen Rechtsanwendungsfehler des Verwaltungsgerichts führen, der nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.
123. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstelle(n):
RAAAE-48907