Hauptverhandlung in Strafsachen: Umfang der Mitteilungspflicht des Strafkammervorsitzenden bei Verständigungsgesprächen im Zwischenverfahren
Gesetze: § 202a StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 257c StPO, § 337 StPO
Instanzenzug: Az: 628 KLs 9/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 54 Fällen sowie wegen Untreue schuldig gesprochen, (zäsurbedingt) zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt, ein Berufsverbot (§ 70 StGB) angeordnet und ihn zu Zahlungen an fünf Adhäsionskläger verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
21. Die Revision macht zu Recht geltend, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei verletzt worden.
3a) Sie trägt in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) folgendes Prozessgeschehen vor: Noch im Zwischenverfahren kam es zu einem „Vorgespräch über die Möglichkeiten einer Verfahrensverständigung“, an dem die drei Berufsrichter, die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung teilnahmen. Dabei stellte die Kammer „für den Fall vollgeständiger Angaben“ bestimmte Strafunter- und Strafobergrenzen in Aussicht. Da dem unterbreiteten Vorschlag nur die Staatsanwaltschaft zustimmte, kam eine Verständigung nicht zustande. In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende lediglich mit, „dass Vorgespräche … stattgefunden und … bis dato zu keiner Verständigung geführt hätten“, jedoch keinerlei Einzelheiten dieser Gespräche.
4b) Damit ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in hinreichendem Umfang entsprochen worden. Denn die Bestimmung verlangt, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist. Hierzu hätten aber vorliegend jedenfalls der Verständigungsvorschlag der Kammer und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten gehört.
5Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob er den – nach Ansicht des Revisionsführers „freilich revisionsverfahrensrechtlich fremdelnden“ – Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts folgen könnte, nach denen auch mitzuteilen sei, „welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden“ und „von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde“ (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1065; siehe auch , NJW 2013, 3046; , BGHR StPO § 257c Abs. 1 Erörterungen 1 – außerhalb der Hauptverhandlung). Insofern hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom überzeugend dargelegt, der von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO abweichende Wortlaut des § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO spreche dafür, dass über den Ablauf diesbezüglicher Gespräche nur bei zustande gekommener Verständigung zu informieren ist.
6c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. BVerfG, aaO, 1067).
72. Er bemerkt im Übrigen, dass die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen teilt der Senat ins-besondere nicht die von der Revision gegen die Bewertung der Konkurren-zen und die Bildung der Gesamtstrafen vorgebrachten Bedenken.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
AO-StB 2014 S. 118 Nr. 4
VAAAE-48881