Strafrahmenwahl bei Versuch: Alleiniges Abstellen auf die Nähe zur Tatvollendung
Gesetze: § 23 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/30 KLs 44/11
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in vier Fällen, davon in zwei Fällen in zwei jeweils tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und unter Einbeziehung einer Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
21. Der Schuldspruch weist aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler auf.
32. Dagegen begegnet der Strafausspruch im Fall II.4 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer davon abgesehen hat, eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen.
4Zur Begründung hat das Landgericht "anhand einer Gesamtwürdigung der Tatumstände" berücksichtigt, die Tat sei bereits so weit fortgeschritten gewesen, dass die Angeklagte an der Haustür erschienen und bereit gewesen sei, das von der Geschädigten abgehobene Geld in Empfang zu nehmen. Aufgrund dieser eingetretenen "Vollendungsnähe" habe die Strafkammer den Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB zugrunde gelegt.
5Dies genügt den Anforderungen an die Strafrahmenwahl bei einem Versuch nicht. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355; 36, 1, 18; BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4, 9, 12, 13; BGH NStZ-RR 2010, 305, 306. Hieran fehlt es. Die Strafkammer hat - ohne die an anderer Stelle aufgeführten strafmildernden Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen - allein auf die eingetretene "Vollendungsnähe" abgestellt und damit nicht die nach der Rechtsprechung erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen. Hinzu kommt, dass die Gefahr einer Vollendung der Straftat angesichts der polizeilichen Begleitung der Tat, die schließlich auch zur Festnahme der Angeklagten führte, nicht bestand. Soweit der Generalbundesanwalt meint, mit der missverständlichen Formulierung der "Vollendungsnähe" habe das Landgericht ersichtlich nur auf eine erhöhte kriminelle Energie der Angeklagten, aus deren Sicht die Tat unmittelbar vor dem Erfolg gestanden habe, abstellen wollen, lässt sich dies den Urteilsgründen nicht entnehmen. Im Übrigen erscheint es zweifelhaft, ob die Vornahme der zur Erlangung des Geldes vorgenommenen Handlungen im Fall II.4 tatsächlich eine gegenüber den anderen Fällen erhöhte kriminelle Energie belegen kann. Denn in diesen Fällen war die Angeklagte gleichermaßen bereit, alles zur Erfolgsvollendung Erforderliche zu tun, hatte nur keine Gelegenheit dazu, weil die Opfer die Täuschung erkannt und die Polizei eingeschaltet hatten.
6Angesichts der fehlerhaften Strafrahmenwahl kommt es nicht mehr darauf an, ob das Landgericht die Höhe der Strafe im Fall II.4 im Vergleich zu den anderen, erheblich milder bestraften Taten ordnungsgemäß begründet hat. Allerdings ist es nicht unbedenklich, innerhalb des wegen der Erfolgsnähe nicht verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe neuerlich zu Lasten der Angeklagten zu gewichten (vgl. ).
73. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.4 führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; sie sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen.
Appl Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng
Fundstelle(n):
IAAAE-48855