BGH Beschluss v. - 2 StR 355/13

Strafzumessung bei schwerem Kindesmissbrauch: Notwendige Trennung von Strafzumessungs- und Aussetzungsfragen

Gesetze: § 46 StGB, § 176 StGB, § 176a StGB

Instanzenzug: Az: 4853 Js 18267/12 - 10 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Wiederholungsfall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes in Form des Beischlafs" in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf den Strafausspruch beschränkte Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der minderbegabte Angeklagte im Jahre 2007 zwei Kinder über der Kleidung am Geschlechtsteil bzw. am Gesäß angefasst, im ersten Fall hatte er das Kind festgehalten. Deshalb war er wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Zurzeit der vorliegenden Taten war es dem Angeklagten bewusst, dass er noch unter Bewährung stand. Gleichwohl ging er mit der dreizehnjährigen, körperlich weit entwickelten und selbstbestimmt auftretenden Zeugin P.   auf deren Initiative eine Liebesbeziehung ein. Er führte mit ihr im Zeitraum von Dezember 2011 bis April 2012 in einer Reihe von Fällen einvernehmlich den Geschlechtsverkehr durch. Innerhalb dieses Zeitraums wandte sich die Zeugin einem anderen Partner zu, weshalb sie die Beziehung zum Angeklagten beendete, die sie aber als "schön" in Erinnerung hat.

32. Das Landgericht hat ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob die Schutzaltersgrenze des Straftatbestands gegen sexuellen Missbrauch von Kindern noch zeitgemäß ist. Bei der Strafzumessung hat es das umfassende Geständnis des Angeklagten, seine persönlichkeitsbedingte Willensschwäche, das Einvernehmen bei den sexuellen Handlungen "im Rahmen einer Paarbeziehung", den selbstbewussten Umgang seiner Partnerin mit Sexualität, das Fehlen negativer Tatfolgen sowie das - mit Ausnahme der Vorverurteilung - straffreie Vorleben des Angeklagten als strafmildernde Aspekte berücksichtigt. Strafschärfend hat es die tateinheitliche Erfüllung zweier Qualifikationsmerkmale bewertet. Auf dieser Grundlage hat es Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten für die erste Tat, sowie einem Jahr und sechs Monaten für die zweite Tat verhängt und daraus die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gebildet.

4Angefügt hat die Strafkammer die Überlegung, dass die Strafe knapp über der Grenze der noch für eine Strafaussetzung geeigneten Freiheitsstrafen liege, aber auch bei geringerer Strafhöhe eine Strafaussetzung nicht in Frage gekommen wäre. Daher erübrigten sich Überlegungen, die Strafhöhe weiter abzusenken, um dem Angeklagten die Chance einer Strafaussetzung zu eröffnen. Bei dem Angeklagten sei "keine rechte Unrechtseinsicht" zu erkennen. Zudem unterhalte er "bereits wieder eine Beziehung zu einer deutlich jüngeren Frau".

II.

5Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind rechtsfehlerhaft. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Rechtsfolgenentscheidung darauf beruht.

61. Die Verknüpfung von Überlegungen zur Strafaussetzung mit der Frage der Festlegung der Strafhöhe ist rechtlich zu beanstanden (vgl. für den umgekehrten Fall der Absenkung der Strafhöhe zur Ermöglichung einer Strafaussetzung Senat, Urteil vom - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321). Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass sich das Landgericht an der weiteren Absenkung der Strafhöhe innerhalb des Strafrahmens nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB gehindert gesehen hat, um die Gesamtstrafe nicht in einen Bereich zu bewegen, in dem eine Strafaussetzung rechtlich noch in Frage gekommen wäre, und aus diesem Grund schon eine "Überlegung" unterlassen hat, ob auch eine niedrigere Strafe angemessen wäre.

72. Die Hilfsüberlegungen der Strafkammer sind auch ihrem Inhalt nach rechtlich bedenklich.

8Wenn die Strafkammer selbst Zweifel an der Berechtigung der Strafdrohung bei einer Schutzaltersgrenze von 14 Jahren in Fällen der frühen Reifung eines dreizehnjährigen Mädchens und der freiwilligen Aufnahme einer sexuellen Beziehung auf dessen Initiative hegt (zur Änderung der kindlichen Reifeentwicklung Kett-Straub ZRP 2007, 260, 262), so wirkt es widersprüchlich, wenn sie zugleich dem Angeklagten anlastet, er habe "keine rechte Unrechtseinsicht" gezeigt. Dem Angeklagten kann im Übrigen nicht vorgeworfen werden, dass er nun eine - strafrechtlich irrelevante - Beziehung zu einer siebzehnjährigen Heranwachsenden unterhält.

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Fundstelle(n):
KAAAE-48354