BGH Beschluss v. - 2 StR 306/13

Beweisaufnahme im Strafverfahren: Hinreichend konkrete Beweistatsache im Beweisantrag

Gesetze: § 244 Abs 3 StPO

Instanzenzug: Az: 28 KLs 785 Js 36/12 - 3/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten R.      wegen schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten B.     wegen derselben Delikte sowie darüber hinaus wegen Diebstahls ebenfalls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Verletzung förmlichen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2Hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe haben die Revisionen mit einer gleichlautenden Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die Sachrüge insoweit nicht mehr ankommt. Der Schuldspruch im Übrigen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

31. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

4Am neunten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten B.     einen Beweisantrag, den Zeugen A.     unter anderem zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser Anfang Januar 2012 über die Vermittlung des Zeugen U.    von       Rö.     eine Gaspistole erhalten und mit dieser gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des darauf folgenden Tags die Spielhalle in R.      auf der K.    Straße überfallen habe. Der Verteidiger des Angeklagten R.      schloss sich dem Beweisantrag an, den die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag zurückwies. Zur Begründung führte das Landgericht aus, es handele sich nicht um einen Beweisantrag, da die Bezeichnung des Tatorts "Die Spielhalle in R.      auf der K.    Straße" nicht hinreichend bestimmt sei. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass nach der Bekundung des Zeugen U.     eine silberfarbene Gaspistole im Umlauf gewesen sei, während ausweislich der Lichtbilder und des Videos vom Tatort ausschließlich schwarzfarbene pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt worden seien. Weshalb der Zeuge A.     deshalb eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt. Daraufhin stellte der Verteidiger des Angeklagten R.      u.a. unter Beweis, der Zeuge A.     werde bekunden, dass er von       Rö.    am eine Gaspistole bekommen, am darauffolgenden zwei weitere schwarzfarbene Gaspistolen von einem Bekannten erhalten und mit diesen zusammen mit jenem Bekannten in der Nacht des die Spielhalle "    " in R.      auf der K.     Straße überfallen habe. Den Beweisantrag, dem sich nunmehr der Verteidiger des Angeklagten B.    anschloss, wies die Kammer ebenfalls zurück. Es fehle an einer zulässigen Beweisbehauptung und damit an einem Beweisantrag, soweit nunmehr behauptet werde, der Zeuge könne bestätigen, mit einem Bekannten die Spielhalle "    " am überfallen und dabei eine schwarzfarbene Pistole verwendet zu haben. Beide Angeklagte und beide Verteidiger hätten im ersten Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen noch behauptet, dieser habe den Überfall mit der im Antrag vorbenannten Pistole (nach dem bisherigen Beweisergebnis sei diese silberfarben) begangen. Weshalb die gleichartige Behauptung nunmehr unter Bezugnahme auf eine andere Pistolenfarbe aufgestellt werden könne, sei für die Kammer nicht nachvollziehbar. Diesen Widerspruch hätten die Verteidiger auf Nachfrage nach der Herkunft ihres Wissens auch nicht aufgelöst.

52. Schon die Ablehnung des ersten Beweisantrages, dessen Beweisbehauptung auch nicht im Rahmen des zweiten Antrags zurückgenommen worden ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3.

6a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts erfüllte der Antrag alle Voraussetzungen eines Beweisantrags. Insbesondere war er hinreichend bestimmt, soweit er die Behauptung eines Überfalls auf "die Spielhalle in R.     auf der K.    Straße" enthielt. Erkennbar war insoweit die Spielhalle in Bezug genommen, deren Überfall den Angeklagten am vorgeworfen worden war. Andere Gründe für die Annahme, es liege kein Beweisantrag vor, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet die Erwägung der Strafkammer, es sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt, warum der Zeuge eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, nicht den Schluss, es liege kein Beweisantrag vor. Sie belegt vielmehr nur, dass die Strafkammer die Erfolgsaussichten des Beweisantrags unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und damit unter Verstoß gegen das Verbot einer antizipierenden Beweiswürdigung beurteilt hat.

7b) Damit hätte der Antrag nur zurückgewiesen werden können, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gegeben gewesen wäre. Ein solcher aber ist weder ausdrücklich mitgeteilt noch lässt er sich den Beschlussgründen im Übrigen entnehmen. Daraus, dass der Zeuge A.    zu der unter Beweis gestellten Behauptung, der Begehung eines Überfalls mit der von        Rö.    übergebenen Gaspistole, aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des schon vernommenen Zeugen U.    nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, weil die von Rö.    übergebene Pistole silberfarben gewesen sein soll, bei dem Überfall aber schwarze verwendet worden sind, lässt sich kein gesetzlicher Ablehnungsgrund herleiten. Insbesondere war damit das für diese Behauptung angegebene Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet.

8c) Aus der Stellung des zweiten Beweisantrags lässt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht folgern, damit sei der erste Antrag insgesamt zurückgenommen, so dass dessen Zurückweisung mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden könne. So erklärt sich der später gestellte Antrag allein aus der Existenz des ersten, an dessen (fehlerhafte) Ablehnung er inhaltlich anknüpft. Darin eine Rücknahme des zuerst gestellten Beweisbegehrens zu sehen, ließe diesen prozessualen Zusammenhang außer Betracht, bei dem die Angeklagten lediglich auf die (fehlerhafte) Ablehnungsbegründung der Strafkammer reagieren und ersichtlich nicht ihre ursprünglich unter Beweis gestellte Behauptung aufgeben wollten. Dies erhellt sich im Übrigen daraus, dass beiden Anträgen die (Kern-)Behauptung inne wohnt, der Zeuge A.   könne bekunden, am fraglichen Tag zusammen mit einer dritten Person den dem Angeklagten vorgeworfenen Überfall auf die Spielhalle in R.      begangen zu haben.

9d) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht auch die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Zeuge A.     wie behauptet bestätigt hätte, er habe zusammen mit einer anderen Person den fraglichen Überfall begangen, und dass sich das Landgericht angesichts einer solchen Aussage nicht (mehr) von der Täterschaft der beiden Angeklagten hätte überzeugen können.

II.

10Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.3 zieht ohne Weiteres die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.

III.

11Die Adhäsionsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte R.      verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger S.    den diesem aus der Tat vom erwachsenen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.

12Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. ) voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (; s. Senat, Urteil vom - 2 StR 206/12; Beschluss vom - 2 StR 603/12). Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht (, NJW 1993, 2382, 2383; Urteil vom - VI ZR 184/96, NJW 1998, 160). Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.

13Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte Erwägung der Strafkammer, die Entstehung künftiger Schäden sei hinreichend wahrscheinlich (UA S. 31), ist nicht mit Tatsachen belegt, die für die Annahme eines Dauer- oder Folgeschadens sprechen könnten. Sie steht im Übrigen im Widerspruch zu der an anderer Stelle zu findenden Feststellung des Landgerichts, der dem Adhäsionskläger durch den Angeklagten verursachte Nasenbeinbruch sei ohne Dauerfolgen verheilt (UA S. 12). Angesichts dessen ist für die Zuerkennung eines Feststellungsanspruchs kein Raum. Insoweit war daher - auch weil neue Feststellungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, nicht zu erwarten sind - von einer weiteren Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abzusehen.

Fischer                Schmitt                      Krehl

               Ott                         Zeng

Fundstelle(n):
SAAAE-48334