Tariflicher Mehrurlaub - Verfall und Abgeltung trotz fortbestehender Krankheit - Tilgungsbestimmung bei Zahlung der Urlaubsabgeltung
Gesetze: § 362 Abs 1 BGB, § 366 Abs 1 BGB, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Kaiserslautern Az: 1 Ca 1594/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 3 Sa 240/11 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt von der Beklagten noch die Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs aus den Jahren 2004 bis 2010 und weitere Abgeltung gesetzlichen Urlaubs aus den Jahren 2005 bis 2007.
2Die Klägerin war vom bis zum bei den US-Stationierungsstreitkräften gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.576,94 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: TV AL II) Anwendung. Zum Urlaub enthält dieser ua. die folgenden Regelungen:
3Die seit dem Jahr 2005 als schwerbehinderter Mensch anerkannte Klägerin war vom bis zum arbeitsunfähig krank und bezog vom bis zum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Vom bis zum war sie arbeitsfähig und danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsunfähig. Die Beklagte hat in der Lohn-/Gehaltsabrechnung für Oktober 2010 Urlaubsabgeltung in Höhe von 9.571,56 Euro brutto ausgewiesen und den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin ausgezahlt.
4Die Klägerin hat mit ihrer der Beklagten am zugestellten Klage die Auffassung vertreten, auch während ihrer Krankheit und des Bezugs der Erwerbsminderungsrente seien gesetzliche Urlaubsansprüche und tarifliche Mehrurlaubsansprüche entstanden, die nicht verfallen seien. Die Beklagte habe 246 Urlaubstage mit 29.258,18 Euro brutto abzugelten, sodass sie noch weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 19.686,62 Euro brutto schulde.
5Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
6Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe keine weitere Urlaubsabgeltung zu. Die Urlaubsansprüche der Klägerin seien für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte, zu kürzen. Darüber hinaus sei die Klägerin verpflichtet gewesen, während ihrer Arbeitsfähigkeit im Jahre 2008 bis dahin angesammelten Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Schließlich sei der Urlaub aus den Jahren 2004 bis 2008 verfallen.
7Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 6.187,99 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin an sich für die Jahre 2004 bis 2010 insgesamt 170 Tage gesetzlicher Urlaub (gesetzlicher Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen pro Jahr und ab dem Jahr 2005 weitere 5 Arbeitstage Schwerbehindertenzusatzurlaub pro Jahr) zugestanden hätten. Allerdings sei der Urlaub der Klägerin wegen der von ihr bezogenen Erwerbsminderungsrente um 37,5 Arbeitstage zu kürzen, sodass insgesamt 132,5 Tage gesetzlicher Urlaub mit 15.759,55 Euro brutto abzugelten seien. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auf weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.187,99 Euro brutto. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Gründe
8Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet.
9I. Der Klägerin steht über die von der Beklagten gezahlte und die ihr von den Vorinstanzen zugesprochene Urlaubsabgeltung in Höhe von zusammen 15.759,55 Euro brutto weitere Urlaubsabgeltung in Höhe 1.903,04 Euro brutto zu. Die Beklagte hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts noch 11 Tage tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2009 und 5 Tage tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2010 gemäß § 33 Ziff. 7 Buchst. c TV AL II mit jeweils 118,94 Euro brutto abzugelten. Über die Höhe dieses Abgeltungsbetrags besteht kein Streit, sodass der Klägerin weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.903,04 Euro brutto zusteht.
101. Im Jahr 2009 hatte die Klägerin Anspruch auf 11 Tage tariflichen Mehrurlaub.
11a) Ihr tariflicher Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub gemäß § 33 Ziff. 1 Buchst. a TV AL II umfasste den gesetzlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen (§§ 1, 3 BUrlG), sodass sich ein tariflicher Mehrurlaubsanspruch von 10 Arbeitstagen errechnet. Darüber hinaus stand der seit dem Jahr 2005 als schwerbehinderter Mensch anerkannten Klägerin nach § 34 Ziff. 1 TV AL II ein Zusatzurlaub für Schwerbehinderte von 6 Arbeitstagen zu. Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Zusatzurlaubs von 5 Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) ergibt sich somit ein tariflicher Mehrurlaub von einem weiteren Arbeitstag.
12b) Dieser tarifliche Mehrurlaubsanspruch von insgesamt 11 Arbeitstagen aus dem Jahr 2009 war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am nicht verfallen. Er wurde wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gemäß § 33 Ziff. 6 Buchst. a Abs. 2 TV AL II in das Jahr 2010 übertragen und verfiel nicht am , weil die Klägerin ihn wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit bis dahin nicht antreten konnte. In einem solchen Fall bestimmt § 33 Ziff. 6 Buchst. b Abs. 2 TV AL II, dass der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten werden muss. Vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin nicht wieder arbeitsfähig.
132. Im Jahr 2010 stand der Klägerin tariflicher Mehrurlaub von 5 Tagen zu. Ihr tariflicher Urlaubsanspruch von jährlich insgesamt 36 Arbeitstagen verminderte sich aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am gemäß § 33 Ziff. 4 Buchst. a Abs. 1 TV AL II auf 30 Arbeitstage, sodass sich angesichts des gesetzlichen Urlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen ein tariflicher Mehrurlaub von 5 Arbeitstagen errechnet. Dass sie aus einem der in § 33 Ziff. 4 Buchst. c genannten Gründe aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist mit der Folge, dass ihr Urlaub nicht gemäß § 33 Ziff. 4 Buchst. a Abs. 1 TV AL II auf 10/12 und damit 30 Arbeitstage zu vermindern ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Klägerin hat dies auch nicht behauptet.
143. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist es für die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs unerheblich, dass die Klägerin über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus arbeitsunfähig krank war.
15a) Die Tarifvertragsparteien sind bei der Regelung der Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs durch europarechtliche Vorgaben nicht gehindert, den Abgeltungsanspruch an die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs zu binden. Da nicht der durch die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Mindestjahresurlaub von vier Wochen betroffen ist, besteht keine Vorlagepflicht der nationalen Gerichte an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. - Rn. 12). Die Tarifvertragsparteien können regeln, dass der den Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigende tarifliche Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nur dann abzugelten ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, und insofern die früher von der Rechtsprechung bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern angewandte Surrogatstheorie für sich vereinnahmen ( - Rn. 22 mwN). Für die Annahme einer solchen tariflichen Regelung bedarf es freilich eindeutiger, über das Regelungsziel des § 7 Abs. 4 BUrlG hinausgehender Bestimmungen im Tarifvertrag. Auch bei Tarifverträgen, die vor der Verkündung der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des - C-350/06 und C-520/06 - Slg. 2009, I-179) geschlossen wurden, müssen für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, deutliche Anhaltspunkte bestehen ( - Rn. 23 mwN).
16b) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des TV AL II die Zahlung von Urlaubsabgeltung von der Arbeitsfähigkeit oder der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abhängig machen wollten, fehlen. Im Gegenteil spricht die Regelung in § 33 Ziff. 4 Buchst. c TV AL II dafür, dass nach ihrem Willen auch an arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung gezahlt werden soll. Nach dieser Bestimmung werden hinsichtlich der Quotelung des Urlaubsanspruchs solche Arbeitnehmer bessergestellt, die im laufenden Urlaubsjahr wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ausscheiden. Diese Arbeitnehmer können typischerweise ihren Urlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits aus persönlichen Gründen nicht mehr in Anspruch nehmen, sodass nur eine Abgeltung verbleibt. Soweit der Senat in der Vergangenheit angenommen hat, die tarifliche Abgeltungsvorschrift § 33 Ziff. 7 Buchst. c TV AL II setze im Sinne der Surrogatstheorie voraus, dass der Urlaubsanspruch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch erfüllt werden kann ( - zu I 2 b der Gründe), wird daran - auch im Hinblick auf die vollständige Aufgabe der Surrogatstheorie (vgl. - Rn. 15 ff.) - nicht festgehalten.
174. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs aus den Jahren 2009 und 2010 nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB mit der Zahlung von 9.571,56 Euro brutto erfüllt.
18a) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird gemäß § 366 Abs. 1 BGB diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt. Die Tilgungsbestimmung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 366 BGB Rn. 7). Die Bestimmung muss nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Leistung erfolgen, eine nachträgliche Bestimmung ist grundsätzlich unwirksam (vgl. - Rn. 46; - XI ZR 49/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 140, 391; MüKoBGB/Fetzer 6. Aufl. § 366 Rn. 9 mwN).
19b) Die Beklagte hat in der Abrechnung für Oktober 2010 als Leistungszweck der Zahlung von 9.571,56 nur Urlaubsabgeltung angegeben und nicht näher ausgeführt, welche Urlaubsansprüche mit dieser Zahlung abgegolten werden sollten. Dies war nach §§ 133, 157 BGB so zu verstehen, dass jeglicher etwaig bestehender Abgeltungsanspruch erfüllt werden sollte. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht die Leistung auch als Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs für die in den Jahren 2004 bis 2007 entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüche angesehen hat. Soweit die Beklagte darauf verweist, sie habe bereits vor dem Arbeitsgericht näher ausgeführt, wie sie den Betrag von 9.571,56 Euro brutto errechnet habe, hilft ihr dies nicht weiter. Unstreitig erfolgte eine solche Aufschlüsselung nicht bereits bei der Leistung. Die nachträgliche, von den Angaben in der Lohn-/Gehaltsabrechnung abweichende Leistungsbestimmung der Beklagten ist unbeachtlich. Unerheblich ist, dass das Arbeitsgericht entgegen der jüngeren Rechtsprechung des Senats (vgl. - Rn. 32 ff.) davon ausgegangen ist, gesetzliche Urlaubsansprüche verfielen bei andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt, sodass dessen Entscheidung insoweit Rechtskraft erlangte. Entgegen der Ansicht der Beklagten gebieten die guten Sitten keine Durchbrechung dieser Rechtskraft. Die Rechtskraft muss nur zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zulasten des Schuldners ausnutzt. Eine solche Anwendung des § 826 BGB muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise infrage stellen würde ( - zu II 3 der Gründe mwN, BGHZ 101, 380). Es sind keine besonderen Umstände erkennbar, aufgrund derer es der Klägerin zugemutet werden müsste, die ihr zugefallene Rechtsposition aufzugeben. Vielmehr wäre es der Beklagten zuzumuten gewesen, die Unrichtigkeit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Wege der (Anschluss-)Berufung geltend zu machen (Rechtsgedanke des § 582 ZPO, vgl. Musielak/Musielak ZPO 10. Aufl. § 322 Rn. 94 mwN).
205. Der Klägerin stehen Prozesszinsen ab dem Tag nach der Zustellung der Klage und somit ab dem zu. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin die Beklagte bereits vor diesem Zeitpunkt durch Mahnung in Verzug gesetzt hat. Der Arbeitgeber gerät mit der Zahlung der Urlaubsabgeltung nicht bereits am Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Verzug (vgl. - Rn. 45).
21II. Soweit die Klägerin die Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs aus den Jahren 2004 bis 2008 verlangt, ist die Revision unbegründet. Die tariflichen Mehrurlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2004 bis 2008 waren bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am nach § 33 Ziff. 6 Buchst. d TV AL II verfallen.
221. Die unionsrechtlichen Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie betreffen ausschließlich den Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen (vgl. - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN). Ebenso können Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl. - Rn. 21, BAGE 137, 328; - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, BAGE 134, 196; - 9 AZR 128/09 - Rn. 19, 26 ff., BAGE 134, 1). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen. Da nicht der durch die Arbeitszeitrichtlinie gewährleistete Mindestjahresurlaub von vier Wochen betroffen ist, besteht keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. - Rn. 20 ff., aaO).
232. Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den Mehrurlaub einem eigenen, von dem des Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen (vgl. - Rn. 37 ff., BAGE 134, 1; - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, BAGE 130, 119). Fehlen solche, ist von einem „Gleichlauf“ des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein „Gleichlauf“ ist hingegen nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben ( - Rn. 13; vgl. auch - 9 AZR 80/10 - Rn. 22, BAGE 137, 328).
243. Die Tarifvertragsparteien des TV AL II haben sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen. So genügt es nach § 33 Ziff. 6 Buchst. b TV AL II, dass der Urlaub vor dem 31. März des Folgejahres angetreten wird, ohne dass er innerhalb der Frist auch in Anspruch genommen wird (vgl. - Rn. 15 zu einer vergleichbaren Regelung im TV-L). Darüber hinaus sieht der Tarifvertrag für den Fall der über den 31. März des Folgejahres hinaus fortdauernden Arbeitsunfähigkeit einen weiteren Übertragungszeitraum vor (vgl. - Rn. 16 zu einer ähnlichen Regelung im TV-L). Danach muss der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten sein. Erst mit Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verfällt der Urlaub auch bei weiterhin anhaltender Arbeitsunfähigkeit.
25III. Die Revision der Klägerin ist auch unbegründet, soweit diese die Abgeltung weiterer 37,5 Tage gesetzlichen Urlaubs aus den Jahren 2005 bis 2007 beansprucht. Zwar trifft es zu, dass entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nach der Rechtsprechung des Senats der Bezug einer Erwerbsminderungsrente die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht vermindert ( - Rn. 8 ff.). Die bis zum Jahr 2007 entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüche sind jedoch 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres und damit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen.
261. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ist § 7 Abs. 3 BUrlG zwar unionsrechtskonform so auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer erkrankt und deshalb bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist ( - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119). Die unionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur Folge, dass der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutritt und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt (vgl. - Rn. 19). Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. - [KHS] Rn. 38, 40). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. - Rn. 32 ff.).
272. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handelt es sich hierbei nicht um eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung. § 7 Abs. 3 BUrlG kann und muss durch die Arbeitsgerichte unionsrechtskonform ausgelegt werden (vgl. mit eingehender Begründung - Rn. 30 ff.; vgl. ausf. dazu Höpfner RdA 2013, 16, 22 ff.). Die Klägerin hat hiergegen keine neuen, durchgreifenden Argumente vorgebracht.
28IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 2868 Nr. 47
BB 2014 S. 2040 Nr. 34
DB 2014 S. 366 Nr. 7
NJW 2013 S. 8 Nr. 47
NJW 2014 S. 649 Nr. 9
TAAAE-47794