Eingruppierung eines Schmelzmeisters nach dem Entgeltrahmenabkommen NRW - Bewertungsfaktor Handlungs- und Entscheidungsspielraum
Gesetze: § 1 TVG, § 611 Abs 1 BGB
Instanzenzug: ArbG Siegen Az: 1 Ca 1100/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 8 Sa 495/11 Urteil
Tatbestand
1Die tarifgebundenen Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung des Klägers.
2Der Kläger ist seit 1992 im Gießereibetrieb der Beklagten als Schmelzmeister tätig. Die Beklagte produziert mit ca. 200 Arbeitnehmern Gusswalzen für die Stahl-, Gummi-, Kunststoff- und Papierindustrie.
3Die vom Kläger zu erledigenden „Aufgaben und Kompetenzen“ sind in einer Stellenbeschreibung vom 6./ wie folgt zusammengefasst:
4Das von der Beklagten verfasste „Qualitätsmanagement Handbuch“ enthält über die Tätigkeit eines Schmelzmeisters auszugsweise folgende Angaben:
5Die Beklagte teilte dem Kläger im Zuge der zum erfolgten betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (vom , ERA NRW) die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12 mit. Nach dem tariflich geregelten Punktbewertungsverfahren errechnete die Beklagte eine Punktzahl von 124, die sich wie folgt zusammensetzte:
6Hiergegen legte der Kläger am Widerspruch bei der nach dem ERA NRW gebildeten paritätischen Kommission ein, der jedoch mit Schreiben vom zurückgewiesen wurde.
7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Handlungs- und Entscheidungsspielraum sei fehlerhafterweise mit der Stufe 3 („Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben ist teilweise vorgegeben“) bewertet worden. Zutreffend sei Stufe 4 („Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfolgt überwiegend ohne Vorgaben weitgehend selbständig“), die mit 30 Punkten bewertet werde. Dies führe zu einer Gesamtpunktzahl von 136 und damit zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 ERA NRW. Bei der Aufgabe „Ablaufplanung Guss“ erstelle er selbständig den Ablaufplan nach Rahmenvorgaben. Im Rahmen dieser Planung obliege ihm nicht nur die Bestimmung der Reihenfolge der Schmelzvorgänge, sondern die Entscheidung über die Ofenbelegung, den Gussablauf, die Schmelztemperatur, die Pfannenwirtschaft sowie die Entscheidung über die Verwendung des Resteisens. Vorgegeben sei lediglich die Legierung, die Gewichtsangabe, die Abstichtemperatur und die Abstichzeit. Er übe die fachliche Aufsicht über die unterstellten Mitarbeiter aus und kontrolliere die Ofenanlage. Es sei auch seine Aufgabe, auf der Basis der wöchentlichen Analysevorgaben die tägliche Schmelzplanung durchzuführen, wozu auch die Festlegung der Gattierung (Zusammenstellung des Schmelzmaterials) unter Berücksichtigung des Einsatzes der verschiedenen Rohstoffe gehöre. Er müsse entscheiden, unter Einsatz welcher Menge an Schmelzmaterialien die geforderte Legierung herzustellen sei. Aus Kostengründen werde die Schmelze ua. unter Einsatz von Schrottteilen hergestellt, die vom Volumen häufig nicht der benötigten Materialmenge genügten. Um gleichwohl die geforderte Legierung zu erreichen, seien Maßnahmen der Schmelzebehandlung erforderlich; dabei entscheide er, ob Sauerstoff hinzugefügt („Erzen“) oder weitere teurere Zusatzstoffe verwendet würden. Ferner müsse er Entscheidungen über das erforderliche Schmelzvolumen und darüber treffen, ob eine Charge in einer oder mehreren Einheiten gegossen werde. Mangels konkreter Vorgaben bestehe ein Spielraum zur Optimierung der Reihenfolge der Bearbeitungsabläufe sowie ein solcher bei der Auswahl der anzuwendenden Bearbeitungsverfahren und Arbeitsmittel. Auch treffe er als Schmelzmeister bei einer festgestellten Abweichung des erstellten Schmelzgutes von den vorgegebenen Analysewerten die Entscheidung, ob die Schmelze behandelt, ganz oder teilweise verworfen oder zum Neuaufbau verwendet werde.
8Der Kläger hat beantragt
9Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, die Aufgabenstellung des Klägers erfordere nur einen geringen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Sowohl die Wahl der Einsatzstoffe als auch die Reihenfolge der Schmelzung seien vorgegeben. Der Kläger lege den Ablaufplan „Schmelzen und Gießen“ nicht selbständig fest. Dieser werde in Zusammenarbeit mit dem Teamleiter Gießen/Formen 1 erstellt. Schon aufgrund dieser Absprachen seien die vom Kläger aufgeführten weiteren Planungen überwiegend vorbestimmt. Gleiches gelte bei der Wahl der Einsatzstoffe und der Reihenfolge der Schmelzung, da entsprechende Vorgaben des Handbuchs zum Qualitätsmanagement sowie die Analysevorgaben aus dem Qualitätswesen zu beachten seien. Weder die fachliche Aufsicht und Personaleinteilung noch der dem Kläger im Zusammenhang mit der Ofenbelegung, der Pfannenwirtschaft und der Auswahl verschiedener Einsatzstoffe zugestandene „gewisse Gestaltungsspielraum“ seien geeignet, einen erweiterten Handlungs- und Entscheidungsspielraum im tariflichen Sinne zu begründen. Insoweit handle es sich genauso um typische, vom Berufsbild geprägte Aufgaben aus dem Kernbereich einer Schmelzertätigkeit, wie bei der Entscheidung über den Umfang und die Zusammensetzung des Schmelzmaterials für einen ordnungsgemäßen Guss. Nichts anderes gelte auch für die Kontrolle der Ofenanlagen. Schließlich seien das Vorgehen bei Abweichungen der Schmelze von den einzuhaltenden Vorgaben und die zu beachtenden Besonderheiten des Schmelzvorgangs aufgrund der Verwendung von Kreislaufmaterial als Einsatzstoff nicht geeignet, eine andere Bewertung zu rechtfertigen. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit nicht routinemäßig erledigt werde, sondern den Einsatz von Erfahrungswissen erfordere, führe nicht zur Begründung eines erweiterten Handlungs- und Entscheidungsspielraums.
10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Gründe
11Die Revision ist unbegründet. Die als Eingruppierungsfeststellungsklage nach der ständigen Senatsrechtsprechung auch in der Privatwirtschaft zulässige (vgl. nur -) Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 ERA NRW. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt. Die hiergegen gerichtete Revision bleibt erfolglos.
12I. Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit richtet sich die Eingruppierung des Klägers nach den tarifvertraglichen Regelungen.
131. Aus dem ERA NRW sind vor allem die folgenden Bestimmungen maßgebend:
142. In der Anlage 1a zum ERA NRW („Begriffsbestimmungen und Bewertungsstufen der Anforderungsmerkmale des tariflichen Punktbewertungsverfahrens nach § 3 ERA“) ist zu dem Anforderungsmerkmal 2: „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“ Folgendes ausgeführt:
153. Das von den Tarifvertragsparteien gemeinsam verfasste ERA-Glossar enthält hierzu folgende Erläuterung:
164. Die zutreffende Eingruppierung in das Vergütungssystem des ERA NRW ergibt sich aus der Gesamtzahl der Punkte, die nach den §§ 2 und 3 ERA NRW bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers erreicht wird. Dabei folgt die Zuordnung der Entgeltgruppe zu der Tätigkeit des Arbeitnehmers den Grundsätzen der sog. Tarifautomatik (vgl. zB - Rn. 21 f. mwN). Die Eingruppierung ist demnach ein Akt der Erkenntnis und nicht der Gestaltung (vgl. - Rn. 50 mwN, BAGE 130, 286).
17Für einen von diesen Grundsätzen abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien gibt es keinen Anhaltspunkt. Soweit der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers von der Entgeltgruppe abhängig ist, „in die er eingruppiert wurde“ (§ 2 Nr. 2 ERA NRW), handelt es sich um eine sprachlich missverständliche Formulierung, die lediglich die grundsätzliche Abhängigkeit des Vergütungsanspruchs vom Ergebnis der Eingruppierung zum Ausdruck bringen will. Sie misst damit aber dem „Eingruppierungsvorgang“ keine konstitutive Bedeutung zu. Grundlage der Arbeitsbewertung ist die Einstufung der Arbeitsaufgabe (§ 2 Nr. 3 Abs. 1 ERA NRW). Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
18II. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger einen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 13 ERA NRW. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Klägers mit der Stufe 4 und damit dessen Arbeitsaufgabe mit ingesamt 136 Punkten nach dem Punktbewertungsverfahren des ERA NRW zu bewerten ist.
191. Die dem Kläger übertragene Arbeitsaufgabe erfüllt in der Kategorie der Fachkenntnisse Stufe 9, bei Berufserfahrungen Stufe 2, bei der Kooperation Stufe 4 und bei der Mitarbeiterführung Stufe 3, woraus sich insoweit eine Zwischen-Gesamtpunktzahl von 106 ergibt. Hierüber sind sich die Parteien und die Vorinstanzen einig.
20Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien über die Einstufung der Arbeitsaufgaben in Bezug auf einzelne Anforderungsmerkmale für die rechtliche Beurteilung durch das Gericht zwar nicht verbindlich, da es insoweit nicht um unstreitigen Tatsachenstoff, sondern um dessen rechtliche Bewertung geht ( - Rn. 31 mwN). Ebenfalls zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aber die erforderliche summarische Prüfung vorgenommen, die diese übereinstimmende Auffassung der Parteien bestätigt hat. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.
212. Bei der zwischen den Parteien allein streitigen Bewertung des dem Kläger übertragenen Handlungs- und Entscheidungsspielraums hat das Landesarbeitsgericht nach sorgfältiger Überprüfung zu Recht die tariflichen Anforderungen der Stufe 4 als erfüllt angesehen.
22a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger seien unterschiedliche Teilaufgaben mit unterschiedlichem Entscheidungsspielraum übertragen worden. Wegen seiner Stellung als Teamleiter seien diese jedoch ganzheitlich zu betrachten. Bei der Beurteilung des Entscheidungsspielraums sei zu beachten, dass eingrenzende Festlegungen nicht nur durch ausdrückliche Weisungen erfolgen, sondern sich auch aus den Notwendigkeiten von technischen Gegebenheiten, organisatorischen Zwängen und sich aufdrängenden Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben könnten. Sei allein eine bestimmte Vorgehensweise fachgerecht, könne allein die Möglichkeit sachwidrigen Handelns nicht einen erweiterten Entscheidungsspielraum begründen. So werde etwa die Festlegung des Gussablaufs und die Ofenbelegung weitgehend durch objektive Sachzwänge bestimmt. Auch die Frage der Verwendung überschüssigen Eisens knüpfe an die durch Ausbildung und Berufserfahrung des Klägers gewonnenen Kenntnisse an, was ebenso für die Verantwortung bei der Ablaufplanung, der fachlichen Aufsicht, der Personaleinteilung sowie der Kontrolle der Ofenanlagen gelte.
23Für die Festlegung der Gattierungen und die Behandlung von Störfällen gelte hingegen etwa anderes. Die Spielräume würden zwar durch die einzuhaltenden Ziele eingegrenzt und durch die maßgeblichen Analysewerte beeinflusst. Hinsichtlich der Auswahl der jeweils möglichen Bearbeitungsverfahren stehe dem Kläger dann jedoch ein erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung. Die Schmelze werde nicht aus zugekauften Ersatzstoffen, sondern aus Roheisen, Stahlschrott und Kreislaufmaterial unterschiedlicher Zusammensetzung hergestellt. Wegen der Unterschiedlichkeit der dabei verwandten Einsatzstoffe gebe es keine routinemäßige Abwicklung mit einer „festen Rezeptur“. Das erforderliche Verhältnis der Einsatzstoffe zueinander sei nur mit zusätzlichen Maßnahmen zu erreichen. Hierbei komme sowohl die Zuführung von Sauerstoff („Erzen“) als auch die Verwendung von zugekauften Einsatzstoffen in Betracht. Die Notwendigkeit einer Entscheidung sei systembedingt, da der Kläger bei der Zusammenstellung des Schmelzgutes nicht auf feste Zutaten zurückgreifen könne, sondern beispielsweise entscheiden müsse, ob er aus Kostengründen Kreislaufmaterial (Altwalzen, Späne, Schrott ua.) heranziehe. Entsprechendes gelte für den Störfall. Auch hier müsse er eine eigenständige Lösung finden, wie dies in der Beschreibung der Arbeitsaufgaben ausdrücklich festgehalten sei. An diesem Handlungs- und Entscheidungsspielraum ändere auch die Möglichkeit einer Entscheidungshilfe durch die Abteilung Qualitätssicherung nichts.
24Die durch diesen Handlungs- und Entscheidungsspielraum gekennzeichneten Teiltätigkeiten des Klägers seien für dessen gesamte Tätigkeit prägend. Die Schmelzebehandlung betreffe unmittelbar die Erreichung des Produktionsziels. Insofern komme es auch nicht auf einen zeitlich überwiegenden Anteil dieser Teiltätigkeiten an; die Tarifvertragsparteien hätten ausdrücklich von einem solchen Erfordernis abgesehen.
25b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
26aa) Die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals („Erfüllung der Arbeitsaufgaben … überwiegend ohne Vorgaben weitgehend selbständig” und „Prägung“) werden durch unbestimmte Rechtsbegriffe definiert. Deren Anwendung durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob es von den zutreffenden Rechtsbegriffen ausgegangen ist, ob es diese bei der Subsumtion beibehalten hat, ob bei der Anwendung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden oder die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (zB - Rn. 31 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Berufungsurteil erkennen lässt, wie das Landesarbeitsgericht die unbestimmten Rechtsbegriffe verstanden hat ( -). Nach diesen Grundsätzen ist die rechtliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts nur eingeschränkt überprüfbar.
27bb) Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.
28(1) Dies gilt zunächst für den unbestimmten Rechtsbegriff der „Erfüllung der Arbeitsaufgaben … überwiegend ohne Vorgaben weitgehend selbständig”.
29(a) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Bewertung die übereinstimmende Definition der Tarifvertragsparteien zugrunde gelegt, die den Begriff in der Anlage 1a zum ERA NRW näher bestimmt und im „Gemeinsamen Glossar“ entsprechend erläutert haben. Es hat dabei in Anlehnung an das Anforderungsmerkmal der „selbständigen Leistungen“ im Eingruppierungsrecht des BAT das selbständige Erarbeiten eines Ergebnisses gefordert, ohne dass sich ein solches unmittelbar durch rein fachliche Erwägungen aufdrängen dürfe. Dies entspricht den Erläuterungen im „Gemeinsamen Glossar“, in dem bei der Stufe 4 regelmäßig ein Spielraum zur Optimierung der Reihenfolge der Bearbeitungsabläufe und bei der Auswahl der anzuwendenden Bearbeitungsverfahren/Arbeitsmittel bestehen muss, wohingegen die Ergebnisse/Ziele überwiegend vorbestimmt sein können.
30(b) Das Landesarbeitsgericht hat diesen zutreffend bestimmten Begriff weder in seinen allgemeinen Ausführungen noch bei der Subsumtion verlassen.
31(aa) Es hat zunächst die Ansicht des Klägers zurückgewiesen, die ihm bei der Festlegung des Gussablaufs und der Ofenbelegung zustehenden Spielräume erfüllten schon die tariflichen Anforderungen der Stufe 4, da die von ihm festzulegende Reihenfolge durch rein fachliche Erwägungen, die er aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung selbst treffe, weitgehend determiniert sei und deshalb kein echter Handlungs- und Entscheidungsspielraum bestehe. Gleiches gelte für weitere Teiltätigkeiten des Klägers, für die dieser die entsprechende tarifliche Bewertung reklamiert hatte.
32(bb) Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht unmittelbare Entscheidungsspielräume des Klägers im Zusammenhang mit den Gattierungen und dem Einsatz der Rohstoffe erkannt, indem es in Abgrenzung zu den genannten erfahrungsbezogenen und eingeschränkten Entscheidungsmöglichkeiten die Auswahlmöglichkeiten und -notwendigkeiten zwischen „echten“ Alternativen festgestellt hat.
33(cc) Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision bleiben erfolglos.
34Die Rüge, bereits aus den vorgegebenen und einzuhaltenden Analysewerten für die jeweiligen Legierungen ergebe sich die Vorbestimmtheit des einzuhaltenden Ziels und damit eine teilweise Vorgabe der Arbeitsaufgaben, die deshalb nicht „überwiegend ohne Vorgaben“ im tariflichen Sinne, wie es die Stufe 4 vorsehe, zu erfüllen seien, verkennt den Unterschied zwischen der Übertragung einer Arbeitsaufgabe als solcher und der innerhalb der Arbeitsaufgabe - mehr oder weniger - festgelegten Ergebnisvorgabe. Jede Arbeitsaufgabe hat ein bestimmtes Ergebnis zum Ziel. Allein dessen - unbedingte - Formulierung spricht deshalb nicht gegen einen Spielraum bei der Auswahl der anzuwendenden Bearbeitungsverfahren. Dass am Ende eines Produktionsprozesses ein bestimmtes - ein in diesem Sinne „vorbestimmtes“ - Produkt steht, macht nicht jeden hieran Beteiligten - unabhängig von der von ihm eingenommenen hierarchischen Stufe - automatisch zu einem Arbeitnehmer, der allenfalls eine Einstufung in die Stufe 3 dieser Kategorie erreichen könnte. So hat die Beklagte selbst in den von ihr verwandten Formularen der Beschreibung und Bewertung von Arbeitsaufgaben für den „Teamleiter Gießen / Schmelzen 2“ und den „Teamleiter Gießen / Schmelzen 1“ trotz identischer Formulierung der Arbeitsaufgabe unterschiedliche Bewertungsstufen hinsichtlich des Handlungs- und Entscheidungsspielraums angenommen (Stufe 3 und Stufe 4). Dies ist erkennbar auf den unterschiedlichen Verantwortungsbereich der beiden Stellen zurückzuführen. Bei dem hier vorgegebenen präzisen Ergebnis der Schmelze handelt es sich um die Übertragung einer (Teil-)Aufgabe als solcher. Bereits wenn man sie mit dem zusätzlichen - und als nicht im Streit anzusehenden - Attribut „unter möglichst kostengünstiger Verwendung der eingesetzten Arbeitsmittel“ versieht, wird der Prozesscharakter deutlich, indem auch das Verfahren, das zu dem vorbestimmten Produkt führen soll, als Teil der Arbeitsaufgabe mitbenannt wird. Dem hat das Landesarbeitsgericht dadurch Rechnung getragen, dass es zwischen dem angestrebten Produkt und der dabei anzuwendenden Bearbeitungsverfahren unterschieden und dem letzteren „mangels entsprechend konkreter Vorgaben ein(en) erheblichen Entscheidungsspielraum i.S.d. genannten Bewertungsstufe“ zugeordnet hat.
35Soweit die Revision bei der Entscheidung des Klägers über die Alternativen, die gewünschte Legierung durch Erzen oder durch die Beigabe von Zusatzstoffen zu erreichen, von einem nur geringen Entscheidungsspielraum ausgeht, setzt sie lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Einen Rechtsfehler legt die Beklagte damit nicht dar.
36Ihr weiterer Einwand, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit der von der Beklagten in der ersten Instanz überreichten „Orientierungshilfe“ auseinandergesetzt, geht fehl. Diese besteht aus einem Blatt Papier, auf dem eine Tabelle eingezeichnet ist, in der die Bewertungsstufen des Handlungs- und Entscheidungsspielraums jeweils mit einem ergänzenden Satz versehen ist. Autor dieser Tabelle ist der Arbeitgeberverband Metall. Inwieweit diese Tabelle Bestandteil einer ansonsten nicht bekannten oder jedenfalls dem Gericht nicht bekannt gemachten Betriebsvereinbarung bei der Beklagten ist und welche Regelungen oder näheren Festlegungen in dieser Betriebsvereinbarung ansonsten getroffen worden sind, ist nicht vorgetragen worden. Aus dieser „Orientierungshilfe“ geht lediglich hervor, dass nach Auffassung des Arbeitgeberverbandes die Stufe 3 durch das Merkmal „Erarbeitung alternativer einfacher Lösungswege“ gekennzeichnet ist, während zur Erreichung der Stufe 4 eine „Entwicklung und Umsetzung eigener geistiger Initiativen (und/oder) Entwicklung verbesserter und/oder neuer Lösungswege“ erforderlich ist. Diese Ansicht einer Tarifvertragspartei kann für die Auslegung der Tarifnormen jedoch nicht entscheidend sein. Im Übrigen dürfte die Anforderung einer ständigen Innovation zur Erreichung der Stufe 4 im Tarifvertrag keine Stütze finden.
37Soweit die Revision schließlich rügt, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit dem „Qualitätsmanagement Handbuch“ auseinandergesetzt, das die Notwendigkeit der Sonderfreigabe durch den Vorgesetzten bei Abweichungen von den Sollvorgaben vorsehe, ist dies unzutreffend. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Passage auseinandergesetzt und ausgeführt, es handele sich bei den vom Kläger zu treffenden selbständigen Entscheidungen nicht um die Frage der Verwendung von Schmelzgut, das die zulässige Schwankungsbreite der Vorgaben überschreite, sondern um Eingriffe des Klägers in den Produktionsprozess der Schmelze mit dem Ziel, die vorgegebenen Werte zu erreichen und die Notwendigkeit einer Sonderfreigabe gerade zu vermeiden. Auch führe die Möglichkeit, Entscheidungshilfen einzuholen, nicht zum Wegfall des erforderlichen Handlungs- und Entscheidungsspielraums. Die Aufgabenstellung des Klägers umfasse ausdrücklich auch das Erfordernis einer eigenständigen Lösungsfindung in Störsituationen.
38(c) Weiterhin hat das Landesarbeitsgericht bei der Anwendung der aufgestellten Grundsätze weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen noch bei seiner rechtlichen Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Dies behauptet die Revision auch nicht.
39(2) Das Landesarbeitsgericht hat auch den unbestimmten Rechtsbegriff der „Prägung“ iSd. § 2 Nr. 3 Abs. 3 ERA NRW rechtsfehlerfrei ausgelegt.
40Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Begriff der „Prägung“ verkannt, in dem es die mit der Stufe 4 bewerteten Teiltätigkeiten des Klägers ohne Feststellungen zu den Zeitanteilen als prägend für die Gesamttätigkeit angesehen habe, greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat dargetan, dass es nach § 2 Nr. 3 Abs. 3 ERA NRW insoweit auf einen überwiegenden Zeitanteil der das Merkmal erfüllenden Teiltätigkeit nicht ankomme. Ungeachtet dessen, dass nach zutreffender Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine ganzheitliche Betrachtung der Tätigkeit des Klägers geboten ist, ist selbst bei gesonderter Bewertung der Teiltätigkeit des Gattierens und der Durchführung des Schmelzvorgangs diese Teiltätigkeit eine zentrale Anforderung der einem Schmelzmeister übertragenen Aufgaben. Dabei muss eine entsprechende Entscheidungssituation im Einzelfall nicht bei der überwiegenden Anzahl der Schmelzvorgänge vorkommen. Ausreichend und entscheidend ist, dass solche Entscheidungen jederzeit möglich sind und deshalb die entsprechenden Kompetenzen eines Schmelzmeisters während des gesamten Prozesses vorgehalten werden müssen. Demgemäß sind sowohl die Überwachung als auch - erforderlichenfalls - die Korrektur des Schmelzvorgangs Bestandteil der tariflich zu bewertenden Arbeitsaufgabe des Klägers. Insofern genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde (vgl. dazu -).
413. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe die für die Subsumtion verwandten Tatsachen fehlerhaft festgestellt, ist unzulässig. Sie ist nicht iSd. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO(zu den Anforderungen vgl. zB - Rn. 18; - 9 AZR 321/06 - Rn. 37) begründet worden.
42a) Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte zu dem von ihr behaupteten Verstoß gegen § 286 ZPO hinreichend vorgetragen hat, wenn sie lediglich rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht ordnungsgemäß erhobene Tatsachen verwertet, indem es davon ausgegangen ist, dass für ein exaktes Erreichen der vorgeschriebenen Analysewerte der Legierung „gewisse Eingriffe und Zugaben“ erforderlich sein können. Die angefochtene Entscheidung bezieht sich insoweit ua. ausdrücklich auf die von der Beklagten erstellte Bewertungsbegründung, wonach vom Stelleninhaber ua. „ggf. eine eigenständige Lösungsfindung in Störsituationen“ gefordert wird. Auch das „Qualitätsmanagement Handbuch“ der Beklagten weist dem Schmelzmeister für den Schmelzvorgang als Aufgabe - „falls erforderlich“ - die Durchführung einer „Korrektur“ zu. Die Beklagte selbst hat in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die oa. Bewertungsbegründung vorgetragen, dass bei einem durch Spektralanalyse belegte Überschreiten der Min-/Max-Vorgaben für die chemischen Werte begründeten Störfall der Kläger die Möglichkeit hat, „eine Auswahl aus vorhandenen Alternativen zu treffen“. Gerade auf diese Fälle hat sich das Landesarbeitsgericht bezogen, wenn es ausführt, dass es wegen der exakten Erreichung der für die angestrebte Legierung vorgeschriebenen Analysewerte „gewisser Eingriffe und Zugaben“ bedürfe. Angesichts der Gesamtumstände - auch der Tatsache, dass das Landesarbeitsgericht sowohl in seiner allgemeinen Einführung zu dem klagestattgebenden Begründungsteil („unter Berücksichtigung der Erläuterungen durch die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht“) als auch im ersten Absatz des konkreten Begründungsteils („wie die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben“) als auch ausdrücklich im Tatbestand auf die mündlichen Erklärungen der Parteien Bezug genommen hat - ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß erhobene und von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwandt hat.
43b) Angesichts des Fehlens einer Begründung für das Beruhen des Urteils auf dem behaupteten Verfahrensfehler kann dies jedoch dahinstehen. Denn selbst dann ergibt sich daraus nicht, dass die Entscheidung auch nur möglicherweise anders ausgefallen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat diese Erwägung im Zusammenhang mit der Behandlung von Störfällen bei der Schmelze angestellt. Die Beklagte selbst hat in ihrer Revision behauptet, die Störfälle kämen „nur gelegentlich“ vor. Auch der Schwerpunkt der Begründung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Teiltätigkeiten des Klägers, in denen ihm ein weitgehend selbständiger Handlungs- und Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht und von ihm wahrgenommen werden muss, liegt nicht auf dem notwendigen Eingreifen bei Störfällen, sondern bei der Notwendigkeit der Zusammenstellung des Schmelzgutes aus Roheisen, Stahlschrott und Kreislaufmaterial unterschiedlicher Herkunft, bei dem durch spezifische Eingriffe, zB die Entscheidung für das - ein- oder mehrmalige - Erzen, das Arbeitsergebnis gesichert wird, ohne dass der in einem nachfolgenden gesonderten Begründungspunkt angesprochene Störfall eingetreten ist. Angesichts dessen hätte es einer ausdrücklichen Begründung bedurft, wieso das Landesarbeitsgericht bei einer Außerachtlassung der von ihm angestellten „Vermutung“ der Notwendigkeit eines bestimmten Eingreifens beim Störfall von einer Nichterfüllung der tariflichen Anforderungen der Stufe 4 ausgegangen wäre.
44III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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Fundstelle(n):
NAAAE-47115