Schwere räuberische Erpressung: Drohung mit Gewalt gegen Hund des Opfers als qualifiziertes Nötigungsmittel
Gesetze: § 255 StGB
Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 6 KLs 1/11
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung schuldig gesprochen und den Angeklagten W. unter Einbeziehung anderweitig verhängter Strafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten K. zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte W. mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision; der Angeklagte K. begründet sein Rechtsmittel mit der - nicht ausgeführten - Rüge der Verletzung formellen Rechts und mit der in allgemeiner Form erhobenen Sachbeschwerde. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
2Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zum Schuldspruch des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt:
"Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat einen durchgreifenden Rechtsfehler zuungunsten der Angeklagten ergeben, denn die Voraussetzungen einer schweren räuberischen Erpressung sind durch die bisherigen Feststellungen nicht dargetan.
1. Eine räuberische Erpressung erfordert gemäß § 255 StGB Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Solche qualifizierten Nötigungsmittel hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Vielmehr drohte der Angeklagte W. , nachdem er ein Messer und eine Pistole auf den Tisch des Geschädigten gelegt hatte, damit, der Hund des Geschädigten 'müsse dran glauben'. Später verknüpfte er seine unberechtigte Geldforderung mit der erneuten Drohung 'Sonst erschieße ich Deinen Hund' (UA S. 11).
Damit sind Drohungen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person nicht festgestellt. Drohungen mit Gewalt, die sich nicht gegen Personen richten, genügen als solche nicht, mögen sie auch noch so willensbeugend sein (vgl. Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 15). Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssige Handlungen erfolgen. Erforderlich ist aber, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht gestellt, sie also genügend erkennbar gemacht hat; es genügt nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde ihn an Leib oder Leben gefährden (BGH bei Holtz MDR 1987, 281; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1).
Die bisherigen Feststellungen lassen keinen sicheren Schluss dahin zu, dass die Angeklagten eine Leibes- oder Lebensgefahr für den Geschädigten durch konkludentes Handeln deutlich in Aussicht stellten. Das Niederlegen der Waffen auf den Tisch genügte vorliegend hierzu nicht, denn die darin möglicherweise zunächst zu sehende schlüssige Drohung mit Gewalt gegenüber dem Geschädigten wurde durch die Ankündigung, bei Ausbleiben der Zahlung den Hund zu töten, konkretisierend eingeschränkt. Weitere Drohungen sind nicht festgestellt. Zwar hat der Geschädigte später gegenüber seiner Schwester, die er um Zurverfügungstellung des benötigten Geldes bat, erklärt, der Angeklagte W. habe ihm 'ein Ding mit einem Schalldämpfer an den Kopf gehalten' (UA S. 12). Auch einem weiteren Bekannten gegenüber äußerte er, er sei 'mit einer Waffe mit Schalldämpfer und einem Fleischermesser bedroht' worden (UA S. 12). Den Feststellungen lässt sich jedoch nicht - auch nicht im Gesamtzusammenhang - entnehmen, dass sich die Kammer von einer solchen Bedrohung des Geschädigten selbst in der Nötigungssituation überzeugen konnte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Geschädigte im Ermittlungsverfahren oder der Hauptverhandlung eine entsprechende Tatschilderung abgegeben hätte, wonach er selbst mit den Waffen bedroht worden sei. Vielmehr hat umgekehrt das Landgericht die Aussage des Geschädigten, er habe 'zwar auch sein eigenes Leben bedroht gesehen ...., der Angeklagte W. [habe] aber zur Unterstützung seines Verlangens mit der Tötung des Hundes gedroht' als Beleg für dessen mangelnden Belastungseifer und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben angesehen (UA S. 16). Dass der Geschädigte um sein Leben fürchtete und Angst hatte (UA S. 11), reicht jedoch für die Annahme einer räuberischen Erpressung nicht aus. Allein das Schaffen einer diffusen Atmosphäre der Einschüchterung ist keine qualifizierte Drohung i.S.d. § 255 StGB (BGH bei Holtz MDR 1987, 281). Gleiches gilt für das Erkennen und Ausnutzen der Angst des Geschädigten durch die Angeklagten (UA S. 11), sofern diese - wie hier - weder ausdrücklich noch konkludent damit drohten, dem Geschädigten ans Leben zu gehen oder ihm eine erhebliche Körperverletzung zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2013, 279).
2. Unabhängig davon hätte es darüber hinaus sorgfältiger Darlegung bedurft, dass die Angeklagten trotz ihrer Äußerung, den Hund zu erschießen, dennoch den Vorsatz hatten, konkludent auch dem Geschädigten mit einer Leibes- oder Lebensgefahr zu drohen. Allein aus äußeren, dem Täter bekannten Umständen kann dies nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - geschlossen werden (vgl. BGH NJW 1984, 1632; Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 14). Woraus jedoch die Kammer ihre Überzeugung gewonnen hat, die Angeklagten hätten den Vorsatz gehabt, dass der Angeklagte die Drohung mit der Tötung des Hundes auch als Bedrohung für das eigene Leben oder seine körperliche Unversehrtheit auffasst, ist dem Urteil nicht zu entnehmen."
3Dem schließt sich der Senat an und weist für die neue Hauptverhandlung weiter auf Folgendes hin:
4Der neue Tatrichter wird hinsichtlich des Angeklagten W. für den Fall einer Verurteilung zu bedenken haben, dass die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom (Az.: 6 KLs 01/10) und der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom (Az.: 16 Ls 510/08) in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom (Az.: 9 Ns 26/09) entgegen den Gründen des angefochtenen Urteils nicht vorlagen. Die frühere der beiden vorgenannten Verurteilungen kommt - bezogen auf den Zeitpunkt des Berufungsurteils als letzte tatrichterliche Sachentscheidung - eine Zäsurwirkung zu, die hier die Anwendung des § 55 StGB ausschließt, weil die gegenständliche Tat am und somit nach diesem maßgeblichen Zeitpunkt begangen worden ist (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 6 f., 15 mwN).
5Hinsichtlich des Angeklagten K. wird der neue Tatrichter zu berücksichtigen haben, dass bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, nur derjenige mittäterschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB handelt, der seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach seiner Vorstellung in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) dar (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2013, 104 mwN). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Fundstelle(n):
QAAAE-45225