Oberfinanzdirektion Karlsruhe - S 3000 /S 4606

Zum Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG)

1. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG)

Artikel 26 des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom , BGBl 2013 I S.1840 –  1841 (s. , FAIR) enthält neue Regelungen zum GrEStG. Die geänderten Vorschriften sind gem. § 23 Abs. 11 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden.

1.1 § 1 Abs. 3a GrEStG: Besteuerung von sog. RETT-Blocker-Strukturen

Trotz der ursprünglich als Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung konzipierten Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG war es bislang möglich, bei größeren Immobilientransaktionen unter Einschaltung von Gesellschaften ein Anfallen von Grunderwerbsteuer zu verhindern. Diese sog. RETT-Blocker-Modelle (Real Estate Transfer Tax = Grunderwerbsteuer) basierten unter anderem auf der Tatsache, dass unter Anteil i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG in Bezug auf Personengesellschaften die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung zu verstehen ist. So konnte z. B. durch die Beteiligung einer Personengesellschaft an einer zu erwerbenden, Grund besitzenden Kapitalgesellschaft ein Verwirklichen des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG vermieden werden, obwohl am Ende wirtschaftlich mehr als 95 % dem Erwerber gehörten.

A möchte die Grund besitzende G-GmbH erwerben. Um den Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG zu vermeiden, wird folgende Vorgehensweise gewählt: A erwirbt 94,9 % der Anteile an der G-GmbH. Die restlichen 5,1 % der Anteile übernimmt die AB-OHG, an der A zu 96 % und B zu 4 % beteiligt sind. Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 3 GrEStG fällt nicht an, weil nicht mind. 95 % der Anteile in der Hand des A vereinigt werden. A hält 94,9 % der Anteile unmittelbar. Die über die AB-OHG mittelbar gehaltenen Anteile können A nicht zugerechnet werden, da neben A auch B an der OHG gesamthänderisch mitberechtigt ist.

Der neue § 1 Abs. 3a GrEStG ergänzt den § 1 GrEStG um einen Tatbestand der wirtschaftlichen Anteilsvereinigung. Die Vorschrift ist subsidiär zu § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG. Die Regelung fingiert einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer Grund besitzenden Gesellschaft innehat. Dabei ergibt sich die wirtschaftliche Beteiligung aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital und am Vermögen der Gesellschaft. Zur Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Beteiligungsquoten am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren.

Der Sachverhalt des Beispiels 1 erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des neuen § 1 Abs. 3a GrEStG, da A hat nach den Erwerben eine wirtschaftliche Beteiligung an der G-GmbH von mindestens 95 % innehat. A hält unmittelbar 94,9 % und mittelbar ca. 4,9 % über die Beteiligung am Vermögen der AB-OHG (96 % × 5,1 %), also insgesamt 99,8 %.

Bemessungsgrundlage sind in Fällen des § 1 Abs. 3a GrEStG gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG die Grundbesitzwerte i. S. d. § 138 Abs. 2 – 4 BewG (vgl. Art. 26 Nr. 4 AmtshilfeRLUmsG).

Steuerschuldner ist gem. § 13 Nr. 7 GrEStG der Rechtsträger, der die wirtschaftliche Beteiligung innehat (vgl. Art. 26 Nr. 5 Buchst. b) AmtshilfeRLUmsG).

Aufgrund des neuen Erwerbstatbestandes gibt es darüber hinaus z. T. redaktionelle Änderungen in den §§ 1 Abs. 6; 16 Abs. 5; 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 7a; 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG.

1.2 § 4 Nr. 4 GrEStG: Steuerbefreiung bei Zusammenschlüssen kommunaler Gebietskörperschaften

Nach dem durch Art. 26 Nr. 2 Buchst. a) AmthilfeRLUmsG geänderten § 4 Nr. 4 GrEStG sind steuerbare Erwerbsvorgänge gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG steuerfrei, wenn diese Erwerbsvorgänge unmittelbare Rechtsfolge eines Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften sind oder aus Anlass der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde erfolgen.

Hintergrund dieser Steuerbefreiung ist die Tatsache, dass vielerorts kommunale Zusammenschlüsse und Aufhebungen der Kreisfreiheit von Gemeinden notwendig sind, um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung bei zurückgehender Bevölkerung zu erhalten. Dabei gehen typischerweise auch kommunale Grundstücke oder kommunale Gesellschaftsanteile an Unternehmen, die ihrerseits über Grundeigentum verfügen, auf eine andere oder eine neu gebildete Kommune über.

1.3 § 6a GrEStG: Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage

Die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern gem. § 6a GrEStG wird erweitert und erfasst nun als begünstigungsfähige Rechtsvorgänge neben Umwandlungen auch Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a, Abs. 3 oder dem neuen Abs. 3a zu einem steuerbaren Rechtsvorgang führen. Die übrigen Voraussetzungen der Steuervergünstigung bleiben unverändert.

1.4 § 23 Abs. 9 GrEStG: Anwendungszeitpunkt der Steuerbefreiungen gem. § 3 Nr. 3 – 7 GrEStG bei eingetragenen Lebenspartnerschaften

Nach dem , HFR 2012, 1105, war § 23 Abs. 9 GrEStG in der Fassung des JStG 2010 aufgrund der enthaltenen Beschränkung der Gleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern verfassungswidrig. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum eine Neuregelung für Altfälle zu schaffen, die die Gleichheitsverstöße ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum bis zum Inkrafttreten des JStG 2010 beseitigt.

Mit dem AmtshilfeRLUmsG hat der Gesetzgeber die erforderliche Änderung des Anwendungszeitpunkts vorgenommen. § 3 Nr. 3 – 7 GrEStG in der Fassung des Artikels 29 des Gesetzes vom ( BGBl. 2010 I S. 1768) ist, soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden.

2. Änderung des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Wasserversorgung (EnWG) vom

§ 6 Abs. 3 EnWG in der Fassung vom ( BGBl 2013 I, S. 346) enthält eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer aufgrund von Erwerbsvorgängen im Sinne des § 1 GrEStG, die sich für Verteilernetzbetreiber, Transportnetzbetreiber oder Betreiber von Speicheranlagen aus der rechtlichen oder operationellen Entflechtung nach § 7 Absatz 1 und den §§ 7a bis 10e EnWG ergeben. Beachten Sie, dass nach dem neugefassten § 6 Abs. 4 EnWG diese Befreiung für diejenigen Unternehmen nicht gilt, die eine rechtliche Entflechtung auf freiwilliger Grundlage vornehmen.

Wird eine Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 EnWG geltend gemacht, ist die Landesregulierungsbehörde unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 Satz 2 i. V. mit Abs. 2 Satz 7 EnWG und § 54 Abs. 2 EnWG zur Feststellung der Voraussetzungen des § 7 EnWG um Amtshilfe im Sinne des § 111 AO zu ersuchen. Entsprechende Anfragen sind zu richten an:

Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Baden-Württemberg
– Landesregulierungsbehörde –
Kernerplatz 9
70182 Stuttgart

§ 6 Abs. 2 bis 4 EnWG ist mit Wirkung vom anzuwenden (§ 118 Abs. 2 EnWG).

3. Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG

Der neue gleich lautende Ländererlass vom  3–S450.5/31 (s. , FAIR) passt die Verwaltungsmeinung zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG an die aufgrund des BStBl 2012 II, 793 teilweise geänderte Rechtsprechung an. Anhand zahlreicher Beispiele wird aufgezeigt, wann und in welchem Ausmaß die genannten Steuerbefreiungen bei Erwerbsvorgängen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG greifen und welche Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften bzw. Personengesellschaften gelten.

Anm. d. Red.:

Die OFD Karlsruhe hat ihre Aktuell-Reihe um die Schrift „Grundstück Aktuell“ erweitert. Sie informiert damit über neue Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung und gibt einen Überblick über aktuelle Fragen der grundstücksbewertung und der Grunderwerbsteuer.

Vorliegend handelt es sich um die Ausgabe Grundstück Aktuell 1/2013.

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Fundstelle(n):
MAAAE-45086