Straßenverkehrsgefährdung und Rauschgiftbeförderung zu Handelszwecken: Konkrete Gefährdung und Drohen eines bedeutenden Schadens; Konkurrenzen; Führen einer Pumpgun
Gesetze: § 2 Abs 3 Anl 2 Abschn 1 Nr 1.2.1.2 WaffG, § 51 Abs 1 Anl 2 Abschn 1 Nr 1.2.1.2 WaffG, § 52 StGB, § 53 StGB, § 315c Abs 1 Nr 1 Buchst a StGB, § 29 BtMG
Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 8 KLs 563 Js 10830/12 (10/12) Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe sowie Munition und in weiterer Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner wurde bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind, ein sichergestellter Geldbetrag in Höhe von 3.330 Euro verfallen ist und verschiedene Betäubungsmittel und Tabletten sowie eine Vorderschaft-Repetierflinte nebst Munition eingezogen werden. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Die Verurteilung in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
31. Nach den Feststellungen überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Suzuki Swift in Halle (Saale) aus der Straße kommend die in diesem Bereich vierspurige Straße, ohne die Geschwindigkeit zu verringern und die Vorfahrt zu beachten. Aufgrund dessen mussten die Lenker von zwei sich auf der bevorrechtigten Straße von links annähernden Pkw Gefahrenbremsungen durchführen, um mit dem von dem Angeklagten geführten Pkw nicht zu kollidieren. Einer der beiden Pkw war ein ziviles Dienstfahrzeug der Polizei, das mit zwei Beamten besetzt war. Der Angeklagte war aufgrund zuvor konsumierten Kokains nicht mehr fahrtüchtig. Dies hätte er erkennen können und müssen. Ihm war bekannt, dass er nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte und das von ihm geführte Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
4Der Angeklagte verwahrte in dem von ihm gelenkten Pkw 308,1 Gramm „cannabishaltige Substanzen“ mit einem THC-Anteil von 13,5 Gramm und 25 Gramm „Amphetamin“ mit einer Wirkstoffmenge von 0,2 Gramm Amphetaminbase, um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dabei führte er in einer Sporttasche auf der Rückbank des Pkw eine funktionstüchtige und schussbereite so genannte Pumpgun der Marke Deerfield, Modell 672 X, Kaliber 20/76 mit gekürztem Lauf und Hinterschaft und 44 Schrotpatronen im Kaliber 2070 bei sich, ohne über die für die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über diese Gegenstände erforderliche Berechtigung zu verfügen. Eine Patrone befand sich im Lauf (Patronenlager) der „Pumpgun“ und vier weitere Patronen in deren Magazin. In der Sporttasche verwahrte der Angeklagte außerdem zwei Kunststoffdosen mit jeweils 100 Tabletten, die die Bezeichnung „Androlic“ trugen und einen Wirkstoffanteil von 9.921 mg Oxymetholon aufwiesen. Diese Tabletten wollte der Angeklagte selbst konsumieren, um eine sportliche Leistungssteigerung zu erzielen (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Ferner führte der Angeklagte in seiner Hosentasche (UA 10 und 12) insgesamt 3.330 Euro bei sich, die aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln stammten (UA 23 f.).
5Das Landgericht hat die Taten im Fall II. 3 der Urteilsgründe als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 Abs. 1 PflVG) und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB) und im Fall II. 4 der Urteilsgründe als „unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe“ (§§ 1, 3, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe (§ 51 Abs. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2), unerlaubtem Besitz von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1) und einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (§ 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG i.V.m. Nr. I.1.a) der Anlage zur DmMV) gewertet. Beide Taten stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, weil allein die Gleichzeitigkeit zweier Handlungen noch keine Tateinheit begründen könne (UA 19).
62. Die Verurteilung im Fall II. 3 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil die Feststellungen die für einen Schuldspruch nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB erforderliche Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert nicht belegen.
7Für die Annahme, dass Leib oder Leben der Insassen des Polizeifahrzeugs oder des anderen die Straße befahrenden Pkw konkret gefährdet waren, fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, weil sich das Urteil weder zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, noch zu der Intensität der Gefahrenbremsungen verhält (vgl. 4 StR 61707, NStZ-RR 2008, 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es bestimmter Angaben zum Wert der gefährdeten Fahrzeuge und zur Höhe des drohenden Schadens (berechnet anhand der am Marktwert zu messenden Wertminderung) bedurft ( 4 StR 24510, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom – 4 StR 61707, NStZ-RR 2008, 289).
83. Die Verurteilung im Fall II. 4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei der sichergestellten „Pumpgun“ um eine verbotene Waffe gemäß § 51 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 WaffG Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 gehandelt hat.
9Nach Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 (Waffenliste) zu § 2 Abs. 3 WaffG unterfällt der Umgang mit einer Vorderschaftrepetierflinte nur dann § 51 Abs. 1 WaffG, wenn anstelle des Hinterschafts ein Kurzwaffengriff vorhanden ist oder die Waffengesamtlänge in der kürzest möglichen Verwendungsform weniger als 95 cm oder die Lauflänge weniger als 45 cm beträgt. Damit wollte der Gesetzgeber nur solche Vorderschaftrepetierflinten verbieten, die so verändert (eingekürzt) sind, dass sie verdeckt geführt und im Nahbereich eingesetzt werden können, wodurch sie sich für kriminelle Verwendungen besonders eignen (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom , BT-Drucks. 167717, S. 25; Heinrich in Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 2 WaffG Rn. 6b; Hinze/Runkel, Waffenrecht, 55. Aktualisierung Okt. 2008, § 2 WaffG Rn. 56a). Die Urteilsgründe bezeichnen die von dem Angeklagten mitgeführte Vorderschaftrepetierflinte lediglich nach Marke, Modell und Kaliber. Außerdem wird mitgeteilt, dass Lauf und Hinterschaft gekürzt sind (UA 8). Aus der Beweiswürdigung ergibt sich lediglich, dass es sich hierbei um nachträgliche Veränderungen handelt (UA 14). Ob diese Veränderungen dazu geführt haben, dass eines der in Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 der Waffenliste angeführten äußeren Merkmale erfüllt ist, kann den Urteilsgründen dagegen nicht entnommen werden. Die Bezeichnung als „Pumpgun“ vermag diese Angaben nicht zu ersetzen, da es sich hierbei nur um einen umgangssprachlichen Namen für Vorderschaftrepetierflinten handelt, der nichts über die hier maßgeblichen weiteren Eigenschaften aussagt (vgl. Hinze/Runkel, Waffenrecht, 55. Aktualisierung Okt. 2008, § 2 WaffG Rn. 56; Heller/Soschinka, Waffenrecht, 2. Aufl., Rn. 274; Busche, Waffenrecht, 7. Aufl., S. 88).
10Sollte der neue Tatrichter Feststellungen treffen können, die belegen, dass der Angeklagte in dem von ihm geführten Pkw eine Vorderschaftrepetierflinte verwahrt hat, die eine der in Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 (Waffenliste) zu § 2 Abs. 3 WaffG benannten Voraussetzungen erfüllt, wird er auch zu prüfen haben, ob anstelle einer Verurteilung wegen Besitzes einer verbotenen Waffe eine solche wegen Führens einer verbotenen Waffe nach § 51 Abs. 1 WaffG in Betracht kommt.
114. Schließlich halten auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme einer Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen den zueinander in Tateinheit stehenden Verstößen gegen § 315c Abs. 1 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 6 PflVG (Fall II. 3 der Urteilsgründe) einerseits und § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 51 Abs. 1 WaffG, § 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG und § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG (Fall II. 4 der Urteilsgründe) andererseits begründet hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12Zwar vermögen – was das Landgericht nicht verkannt hat – ein einheitliches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen oder eine Mittel-Zweck-Verknüpfung eine Tateinheit nicht zu begründen ( 4 StR 7899, NStZ 2000, 85; Beschluss vom – 5 StR 52696, BGHSt 43, 317, 319 mwN). Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen aber zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB), wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.) durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese nach den genannten Grundsätzen zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB). Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. 4 StR 20911, NZV 2012, 250 zu § 24a Abs. 2 StVG und § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; Beschluss vom – 3 StR 53308, BGHR StVG § 24a Abs. 2 Konkurrenzen 1 zu § 24a Abs. 2 StVG und § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG; offengelassen in 3 StR 56608, NStZ 2009, 705 Rn. 8; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316 Rn. 57; MünchKommStGB/Kotz, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1210).
13Nach den Feststellungen waren die im Fahrzeug des Angeklagten verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Das bei ihm sichergestellte Bargeld stammte aus dem Handeltreiben mit diesem Rauschgift und wurde deshalb nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und nicht nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für verfallen erklärt. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte vor seiner Kontrolle bereits Rauschgift verkauft hatte und es sich bei den sichergestellten Betäubungsmitteln nur um den Rest einer größeren zum Teil bereits verkauften Menge handelte. Unter diesen Umständen hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter II. 3 der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Rauschgifts zu Handelszwecken (etwa zu weiteren Abnehmern oder ins Depot) diente und deshalb Tateinheit mit dem Betäubungsmittelhandel und den weiteren unter II. 4 ausgeurteilten Delikten anzunehmen ist.
II.
14Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden tateinheitlichen Verurteilungen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Fahrens ohne Versicherungsschutz im Fall II. 3 der Urteilsgründe und wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels (zur Tenorierung vgl. 3 StR 32306), unerlaubten Besitzes von Munition und Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken (zur Tenorierung vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 95 AMG Rn. 70) im Fall II. 4 der Urteilsgründe (vgl. 4 StR 64296, NStZ 1997, 276).
15Die Aufhebung des Schuldspruchs für die Taten zu II. 3 und II. 4 zieht neben der Aufhebung der Gesamtstrafe auch die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, der Verfallsanordnung und der Einziehungsanordnung nach sich, weil diese Entscheidungen an die Verurteilung wegen der Tat unter II. 4 der Urteilsgründe anknüpfen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
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WAAAE-42336