Wiedereintritt in die Verhandlung: Letztes Wort des Angeklagten
Gesetze: § 258 Abs 2 StPO
Instanzenzug: LG Konstanz Az: 2 KLs 41 Js 3224/12 Jug.K.
Gründe
11. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte „unter Einbeziehung des Urteils“ des Landgerichts Konstanz in anderer Sache zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge, mit der er einen Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO geltend macht, Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2a) Nach dem - den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden - Revisionsvortrag hatte der Angeklagte nach Beendigung der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen das letzte Wort erhalten. Anschließend unterbrach das Gericht die Hauptverhandlung und trat danach nochmals in die Beweisaufnahme ein; die Vorsitzende gab den Hinweis, dass „bezüglich des Anklagepunktes 1 auch eine Verurteilung wegen Eindringens mit einem anderen Körperteil oder mit einem Gegenstand in Betracht kommt“. Ausweislich der Sitzungsniederschrift blieben die „Verfahrensbeteiligten bei ihren Anträgen. Sodann“ wurde die Beweisaufnahme wieder geschlossen. Nach Beratung verkündete das Gericht das Urteil. Der Sitzungsniederschrift lässt sich nicht entnehmen, dass dem Angeklagten nochmals das letzte Wort gewährt wurde.
3b) Diese Verfahrensweise entsprach nicht dem Gesetz. Denn nach der Rechtsprechung ist dem Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO erneut das letzte Wort zu gewähren, wenn nach dem Schluss der Beweisaufnahme nochmals - wie hier - in die Verhandlung eingetreten worden ist, weil jeder Wiedereintritt den vorausgegangenen Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Bedeutung als Schlussvortrag und letztes Wort nimmt und die erneute Beachtung des § 258 StPO erforderlich macht (Senat, Beschluss vom - 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152 mwN).
4c) Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist auch bewiesen. Der für den Nachweis der in Rede stehenden wesentlichen Förmlichkeit (§ 274 Abs. 1 StPO) allein maßgeblichen Sitzungsniederschrift (vgl. Senat, aaO; , BGHSt 22, 278, 280) lässt sich nach Ansicht des Senats nicht entnehmen, dass dem Angeklagten nach dem erneuten Schluss der Beweisaufnahme (nochmals) das letzte Wort gewährt worden ist; dieses gilt unbeschadet dessen, dass die Vorgänge in falscher Reihenfolge protokolliert worden sind.
5d) Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet zwar nicht ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht (vgl. , StraFo 2009, 333, 334 mwN). Der Angeklagte hat indes die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten.Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte zu den Schuldvorwürfen erneut Stellung genommen und möglicherweise weitere für die Beweiswürdigung maßgebliche, ihn entlastende Umstände vorgetragen hätte.
62. Für den Fall erneuter Verurteilung des Angeklagten wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter eingehender als bisher die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB darzulegen haben. Jedenfalls das in das Urteil des Landgerichts Konstanz vom "einbezogene" Urteil des Amtsgerichts Radolfzell vom könnte nach den bisherigen Feststellungen Zäsurwirkung entfalten.
Wahl Rothfuß Graf
Radtke Zeng
Fundstelle(n):
AO-StB 2014 S. 21 Nr. 1
MAAAE-39841