BGH Beschluss v. - XII ZB 124/11

Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren: Zurückweisung eines nur angekündigten Wiedereinsetzungsantrags

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: II-5 UF 181/10 Beschlussvorgehend AG Grevenbroich Az: 13 F 75/09

Gründe

I.

1Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt.

2Die Verbundentscheidung wurde dem Antragsteller am zugestellt. Mit am bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt Beschwerde eingelegt. Mit ihm am zugestellter Verfügung wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, sein Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, weil die Beschwerde nicht bis zum begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit, dass er schuldlos gehindert gewesen sei, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Dies sei ihm erst durch die am zugestellte Verfügung bekannt und bewusst geworden. Es werde deshalb Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt werden.

3Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

4Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

51. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), welcher es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. hierzu BGHZ 151, 221 = NJW 2002, 3029, 3031 und Senatsbeschluss vom  - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).

62. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist sei zurückzuweisen. Der Vortrag des Antragstellers, ihm sei erst durch den Hinweis vom bekannt und bewusst geworden, dass die Beschwerde rechtzeitig zu begründen sei, lasse ein Verschulden nicht entfallen. Ein Rechtsirrtum der anwaltlich vertretenen Partei sei regelmäßig verschuldet und hindere eine Wiedereinsetzung.

73. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht über einen Wiedereinsetzungsantrag entschieden und diesen zurückgewiesen.

8Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hatte der Antragsteller mit Schriftsatz vom noch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, sondern lediglich angekündigt, einen solchen innerhalb der gesetzlichen Frist anzubringen. Das hat das Beschwerdegericht nicht beachtet. Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG gewährt den Parteien aber den Anspruch auf ein faires Verfahren. Der Richter ist danach gehalten, das bei ihm anhängige Verfahren so zu gestalten, wie die Parteien es von ihm erwarten dürfen (BVerfG NJW 2005, 814, 815; BVerfGE 78, 123 = NJW 1988, 2787;  - NJW-RR 2010, 1000 Rn. 10). Dazu gehört auch, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen (Art. 103 Abs. 1 GG). Hätte das Beschwerdegericht sich dementsprechend verhalten, so hätte es durch den angefochtenen Beschluss nicht über einen noch nicht gestellten Wiedereinsetzungsantrag entscheiden und diesen sowie die Berufung zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte es abwarten müssen, ob der Antragsteller, wie angekündigt, fristgemäß einen Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Die Monatsfrist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist lief erst am Montag, dem und somit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom , ab.

94. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Das Verfahren ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

105. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

11Der Antragsteller hat mit dem am (einem Montag) beim Oberlandesgericht eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag geltend gemacht, die Fristversäumnis sei erst durch die am zugestellte Verfügung aufgefallen. Zu der Versäumnis sei es gekommen, weil die für die Eintragung und Überwachung von Fristen zuständige Fachangestellte nur die Beschwerdefrist eingetragen, es aber vergessen habe, auch die Beschwerdebegründungsfrist im Fristenkalender zu notieren. Dieser Vortrag ist ohne Ergänzung nicht geeignet, ein eigenes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten auszuschließen.

12Die Sorgfaltspflichten in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen zwar einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. BGH Beschlüsse vom - VII ZB 37/10 - NJW 2011, 1597 Rn. 12 und vom - II ZB 10/09 - MDR 2010, 533). Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind (Senatsbeschluss vom - XII ZB 167/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).

13Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 317/11 - FamRZ 2012, 108 Rn. 11 mwN). In diesem Fall muss er stets alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 167/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).

14Dass die Organisation der Fristenkontrolle des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers diesen Anforderungen gerecht wird und er seiner eigenen Prüfungspflicht nachgekommen ist, hat das Beschwerdegericht bisher nicht festgestellt.

Dose                                    Weber-Monecke                        Klinkhammer

             Nedden-Boeger                                       Botur

Fundstelle(n):
IAAAE-39488