Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 5 LC 50/09 Urteil
Gründe
1Die auf alle Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
21. Der 1946 geborene Kläger steht als Rektor einer Grundschule im Dienst des Landes Niedersachsen. Nach Feststellung seiner begrenzten Dienstfähigkeit wurde die von ihm zu leistende wöchentliche Unterrichtsverpflichtung ab Oktober 2005 auf 14 von 28 Unterrichtswochenstunden festgesetzt. Da die aufgrund der reduzierten Arbeitszeit ermittelten Dienstbezüge niedriger waren als seine ihm zustehende Versorgung, die bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zu zahlen gewesen wäre, wurde für die Festsetzung der Dienstbezüge das fiktive Ruhegehalt zu Grunde gelegt. Nachdem die Niedersächsische Verordnung über die Gewährung eines Zuschlags zu den Dienstbezügen bei begrenzter Dienstfähigkeit (Dienstbezügezuschlagsverordnung - DBZVO -) am in Kraft trat, erhielt der Kläger rückwirkend einen Zuschlag auf seine Besoldung in Höhe von monatlich 180 €.
3Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Auffassung, er werde verfassungswidrig zu niedrig besoldet. Seine Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die dem Kläger in der Zeit vom gewährte Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Die Regelung in der Zuschlagsverordnung gewährleiste keine verfassungsgemäße Besoldung des Klägers im Vergleich zu den Beamten, die ebenfalls begrenzt dienstfähig, aber mangels dienstlichen Bedarfs wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden seien. Der Zuschlag müsse nicht nur einen Ausgleich für die finanziellen Nachteile eines aktiven begrenzt dienstfähigen Beamten gegenüber einem im gleichen Umfang leistungsfähigen, vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten gewährleisten, sondern darüber hinaus eine Besserstellung des aktiven begrenzt dienstfähigen Beamten bewirken. Es unterliege erheblichen Zweifeln, ob die Benachteiligungen aufgrund unterschiedlicher Beihilfebemessungssätze, des Versorgungsfreibetrags und des Zuschlags zum Versorgungsfreibetrag durch den Mindestzuschlag ausgeglichen würden. Erst recht werde die Höhe des dem Kläger gewährten Zuschlags nicht der gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geforderten Besserstellung des begrenzt dienstunfähigen Beamten gegenüber den entsprechend beeinträchtigten Beamten gerecht, die mangels dienstlichen Bedarfs für ihre begrenzten Einsatzmöglichkeiten als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt würden. Beides ergebe sich bereits aus der Begründung des Verordnungsgebers.
42. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
5a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier, weil sich die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen anhand der bisherigen Rechtsprechung des Senats ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten lassen.
6Vorab ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung das Landesbeamtenrecht unverändert nach § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG fortgilt, revisibles Recht ist (vgl. BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 37, jeweils Rn. 6).
7Die erste von der Beschwerde aufgeworfene Frage
"Gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Verordnungsgeber Regelungen zum Zuschlag der Besoldung für die Gruppe der begrenzt dienstfähigen aktiven Beamten treffen muss, um einen finanziellen Anreiz zur Besserstellung zu geben und nicht nur einen finanziellen Nachteilsausgleich zu gewähren gegenüber der Gruppe jener Beamten, die ebenfalls begrenzt dienstfähig, aber mangels dienstlichen Bedarfs wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind und keinen Zuschlag erhalten?"
hat der Senat bereits in seinem vom Berufungsgericht herangezogenen BVerwG 2 C 1.04 - (BVerwGE 123, 308 = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1) im Sinne des Berufungsurteils beantwortet. Danach fordert Art. 3 Abs. 1 GG eine Besserstellung der begrenzt dienstfähigen Beamten (juris Rn. 27). Diese bringen ihre ganze Arbeitskraft ein (juris Rn. 24), sodass sich ihr Arbeitseinsatz in höheren Bezügen niederschlagen muss, als ihnen bei der Freistellung vom Dienst durch Zurruhesetzung in der Gestalt von Ruhestandsbezügen gewährt würde (juris Rn. 25). Ein bloßer Nachteilsausgleich reicht nicht aus (vgl. auch - BVerfGK 8, 421 <427>, juris Rn. 21).
8Auch die zweite Frage
"Gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Verordnungsgeber Regelungen zur Höhe des Zuschlags dergestalt trifft, dass bei der Ermittlung der Höhe des Zuschlags pauschalierend ein Bruttobetrag zu ermitteln ist, der die finanziellen Nachteile, die netto bestehen, (über-)kompensiert?"
hat der Senat bereits im Urteil vom (a.a.O.) im Sinne des Berufungsurteils beantwortet. Abzustellen ist bei der gebotenen Besserstellung der begrenzt dienstfähigen Beamten gegenüber den vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten auf die Nettoalimentation. Dementsprechend hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber auch der unterschiedlichen Besteuerung von Dienstbezügen und Ruhegehalt Rechnung zu tragen hat (juris Rn. 27). Dies beruht darauf, dass bei der Prüfung, ob Beamtenbezüge amtsangemessen sind, stets auf die Nettobezüge abzustellen ist (stRspr, vgl. auch BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 8 und vom - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 jeweils Rn. 25; BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <266>, vom - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <376> und vom - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300 <315>).
9b) Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
10Die Beschwerde sieht eine Divergenz zu dem im BVerwG 2 C 1.04 - (BVerwGE 123, 308 = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1) aufgestellten Rechtssatz, dass der Verordnungsgeber bei der Festsetzung des Zuschlags der unterschiedlichen Besteuerung von Dienstbezügen und Ruhegehalt Rechnung tragen muss. Über diese Vorgabe gehe das Berufungsgericht hinaus, da es nicht nur einen Ausgleich für die finanziellen Nachteile eines aktiven begrenzt dienstfähigen Beamten gegenüber im gleichen Umfang leistungsfähigen, vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten fordere, sondern darüber hinaus eine Besserstellung des aktiven begrenzt dienstfähigen Beamten. Das Berufungsgericht habe vom Bundesverwaltungsgericht abweichende, andere rechtliche Maßstäbe aufgestellt, wenn es mit der "Besserstellung" eine "Anreizfunktion" des Zuschlags einfordere.
11Zutreffend hat das Berufungsgericht nicht nur auf die steuerlichen Nachteile abgestellt, auf die der Senat lediglich beispielhaft hingewiesen hat (juris Rn. 27). Dies ergibt sich aus dem im Urteil zitierten Verweis auf den Aufsatz von Mende/Summer (ZBR 2005, 122, 125). Die Lücke beim Vergleich der Alimentation des Ruhestandsbeamten und des Beamten im Arbeitszeitstatus der begrenzten Dienstfähigkeit besteht im vollen Versorgungsabschlag, in der ungünstigeren Behandlung im Einkommensteuerrecht, im Beihilferecht sowie gegebenenfalls in einem Aufwand für den Weg zur Arbeitsstätte. Dementsprechend muss eine Zuschlagsverordnung gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 BBesG neben der gebotenen Besserstellung (siehe oben a) auch den Ausgleich dieser Nachteile beinhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom - 2 BvL 13/04 - (BVerfGK 8, 421 <426>, Rn. 18) zudem darauf hingewiesen, dass die nach § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG anzustellende Vergleichsberechnung für die fortschreitende Dienstverrichtung fortzuschreiben sein könnte, sodass hieraus sogar ein weiteres Anwachsen der Dienstbezüge folgen würde.
12c) Schließlich sieht die Beschwerde einen Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darin, dass das Berufungsgericht einen Verstoß des Art. 3 Abs. 1 GG aus der Verletzung der fortgeltenden Bundesrechtsnorm von § 72a BBesG angenommen habe ohne das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.
13Das Berufungsgericht hat hingegen nicht die Ermächtigungsnorm für verfassungswidrig angesehen, sondern angenommen, dass die aufgrund § 72a BBesG erlassene Zuschlagsverordnung nicht den vom Senat im Urteil vom (a.a.O.) aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Nichtigkeit von Rechtsverordnungen aber können die Gerichte selbst feststellen (stRspr, vgl. auch - BVerfGK 8, 421 <426, 427>, juris Rn. 14, 20). Die Vorlagepflicht des Art. 100 Abs. 1 GG betrifft nur Gesetze.
Fundstelle(n):
LAAAE-39192