BVerwG Beschluss v. - 5 B 62/12

Anspruch auf ergänzende Singularrestitution

Gesetze: § 3 Abs 1 S 4 VermG, § 1 Abs 1 NS-VEntschG, § 1 Abs 6 VermG

Instanzenzug: Az: 29 K 422.10 Urteil

Gründe

1Die auf den Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

21. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr, vgl. z.B. BVerwG 6 B 6.12 - juris Rn. 2). Daran gemessen führt die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage nicht zur Zulassung der Revision.

3Die Beschwerde möchte in Bezug auf § 1 Abs. 1 Satz 1 NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 1671), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 42 Gesetz vom (BGBl I S. 2809) - NS-VEntschG - i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl I S. 920) geklärt wissen,

"ob ein Anspruch auf ergänzende Singularentschädigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auch dann gegeben ist, wenn dem Unternehmen ein Grundstück nach einer Unternehmens- oder Anteilsschädigung i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG 'zugeschwommen', aber bereits vor dem wieder 'weggeschwommen' ist oder ob das dem arisierten Unternehmen nach der Schädigung 'zugeschwommene' Grundstück am noch zum Unternehmen gehört haben muss".

4Es kann offen bleiben, ob die Beschwerde insoweit den an die Darlegung der allgemeinen, über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Rechtssache zu stellenden Anforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt. Jedenfalls fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Die aufgeworfene Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzeswortlauts und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres im Sinne des Verwaltungsgerichts beantworten.

5Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durchbricht der Anspruch auf gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück den in § 3 Abs. 1 Satz 3 Teilsatz 1 VermG verankerten Grundsatz der Konnexität zwischen Schädigungstatbestand und Restitution (vgl. BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 S. 16) und erweitert den ergänzend zur Unternehmensrestitution bzw. Unternehmensentschädigung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gewährten Anspruch auf Einzelrestitution dieses Grundstücks (vgl. BVerwG 5 C 11.11 - BVerwGE 142, 107 Rn. 32). Davon ausgehend liegt es auf der Hand, dass der Anspruch auf grundstücksbezogene Entschädigung dem Grunde nach an denselben Voraussetzungen anknüpft, die für den Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auf Einräumung von Bruchteilseigentum an einzelnen Vermögensgegenständen in Höhe der entzogenen Beteiligung gelten. Hinzu kommen muss, dass die Restitution von Bruchteilseigentum nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist oder der Berechtigte nach § 1 Abs. 6 VermG Entschädigung gewählt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Satz 4 NS-VEntschG; s.a. Urteile vom a.a.O. Rn. 19 und vom - BVerwG 5 C 3.08 - BVerwGE 132, 330 = Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 7 Rn. 9, 13, 19 und 22).

6Für den Anspruch auf ergänzende Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es schon nach dem Wortlaut erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Vermögensgegenstand nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehört. Auf die Umstände, aufgrund deren der einzelne Vermögensgegenstand aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist der Zeitpunkt von Bedeutung, zu dem dies geschah. Insbesondere gibt der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG keinerlei Anhaltspunkte dafür her, dass der Anspruch auf Werte beschränkt sein soll, die jedenfalls nach dem aus dem Unternehmen ausgeschieden sind (vgl. BVerwG 8 B 129.02 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 44 S. 38 und Urteil vom a.a.O. S. 18).

7Dies entspricht dem Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Die Vorschrift dient dazu, die in der Zeit von 1933 bis 1945 Verfolgten durch die Eingliederung ihrer Ansprüche in das Vermögensgesetz nicht schlechter zu stellen, als sie bei Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze gestellt wären (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 17 unter Bezugnahme auf BTDrucks 12/2944 S. 50; s.a. BTDrucks 13/7275 S. 44). Unter der Geltung der alliierten Rückerstattungsgesetze konnte dem möglichen Einsammeln "weggeschwommener" Vermögensgegenstände der Einwand des gutgläubigen Erwerbs nicht entgegengehalten werden (vgl. Art. 1 Abs. 3 der Anordnung BK/O (49) 180, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen - REAO - vom der Alliierten Kommandantur Berlin <VOBl für Groß-Berlin Teil I S. 221>; Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 59, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände der amerikanischen Militärregierung - USREG - vom <ABl der Militärregierung Deutschland Amerikanisches Kontrollgebiet, Ausgabe G S. 1>; Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 59, Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte an Opfer nationalsozialistischer Unterdrückungsmaßnahmen der britischen Militärregierung - BrREG - vom <VOBl für die Britische Zone S. 152>). Aus Gründen der Systemgerechtigkeit war daher auch den nach § 1 Abs. 6 VermG Berechtigten - unabhängig von den Umständen und dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Vermögensgegenstandes aus dem Unternehmen - ein Anspruch auf Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände einzuräumen, die nach der Unternehmens- bzw. (Unternehmens-)Anteilsschädigung im normalen Geschäftsverkehr auf Dritte übertragen wurden, ohne dass es sich hierbei um Maßnahmen nach § 1 VermG handelte (vgl. Beschluss vom a.a.O. und Urteil vom a.a.O.).

8Infolge der inneren Abhängigkeit zwischen der ergänzenden Singularrestitution und der ergänzenden Singularentschädigung kann die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Ausscheidens des Vermögensgegenstandes aus dem Unternehmen für den Anspruch auf grundstücksbezogene Entschädigung (als Folge einer sog. erweiterten Singularrestitution) nicht anders beantwortet werden als für den Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an einzelnen Vermögensgegenständen im Wege der Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG.

92. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Fundstelle(n):
LAAAE-37118