Betäubungsmitteldelikt: Voraussetzungen der Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe
Gesetze: § 31 S 1 Nr 1 BtMG
Instanzenzug: LG Bayreuth Az: 1 KLs 127 Js 221/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, ohne dass der Senat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die (vermeintliche) Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung zu befinden hat.
21. Dieser Antrag ist gegenstandslos. Die einmonatige Frist (§ 345 Abs. 1 StPO) zur Begründung der Revision war mit dem durch Eingangsstempel der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden Bayreuth nachgewiesenen Eingang der entsprechenden Begründungsschrift der Verteidigerin am 21. Dezem-ber 2012 (Bl. 334 d.A.) gewahrt. Denn das schriftliche Urteil war der Verteidigerin am zugestellt worden (Bl. 329 d.A.).
32. Die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der Strafausspruch hält aber rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4a) Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen. Das Vorliegen eines minderschweren Falls gemäß § 30 Abs. 2 BtMG hat es geprüft und dabei im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erwogen, ob ein solcher sich aus dem Eingreifen des vertypten Milderungsgrunds gemäß § 31 Satz 1 BtMG ergeben kann. Die Anwendung dieser Vorschrift hat es allerdings mit der Erwägung abgelehnt, der Angeklagte habe „zumindest versucht, Aufklärungshilfe zu leisten, indem er vor der Zeugin KHK’in S. der KPI Hof aussagte“ (UA S. 7); dies reiche „zur Bejahung der Voraussetzungen des § 31 BtMG nicht aus, da hierdurch keine weiteren Taten aufgedeckt werden konnten“ (UA S. 8).
5b) Diese Ausführungen genügen nicht, um die Anwendbarkeit von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG auszuschließen. Liegen Angaben eines Angeklagten vor, die möglicherweise Grundlage der Annahme eines Aufklärungserfolges im Sinne der genannten Vorschrift sein können, ist der Tatrichter gehalten, diese in nachvollziehbarer Weise darzulegen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Aufklärungserfolg zutreffend angenommen oder abgelehnt wurde (Senat, Beschluss vom - 1 StR 309/02, NStZ 2003, 162 f. mwN). Dem wird das angefochtene Urteil weder mit der Bemerkung von der „versuchten Aufklärungshilfe“ noch mit dem Hinweis auf das Ausbleiben der Aufdeckung von „weiteren Taten“ gerecht. Auf welche tatsächlichen Umstände sich das Tatgericht dabei stützt, kann dem Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden. Die bloße Wertung, es habe keine Aufklärungshilfe festgestellt werden können, genügt zur Ermöglichung der revisionsgerichtlichen Überprüfung ersichtlich nicht ().
6c) Das angefochtene Urteil lässt zudem eine rechtsfehlerhafte Ablehnung der Anwendung des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG auch insoweit besorgen, als das Landgericht auf das Ausbleiben der Aufdeckung „weiterer Taten“ abgestellt hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Es genügt vielmehr für den erforderlichen Aufklärungserfolg, dass ein Angeklagter wesentlich zur Aufdeckung der Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus beigetragen hat (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 339/10 und vom - 2 StR 352/11, StV 2013, 160). Der in § 31 BtMG verwendete Begriff der „Tat“ ist dabei weder mit dem materiell-rechtlichen Begriff der Tat gemäß §§ 52, 53 StGB noch mit dem prozessualen Tatbegriff (§§ 155, 264 StPO) identisch (vgl. Maier in Münchener Kommentar zum StGB, Band 6, 2. Aufl., § 31 BtMG Rn. 107 f. mwN). Tat gemäß § 31 BtMG ist vielmehr der geschichtliche Vorgang, der das strafbare Verhalten des Angeklagten und strafrechtlich relevante Beiträge anderer Personen umfasst (, NStZ 1991, 290 f.). Es genügt daher bereits ein auf die verfahrensgegenständliche Tat in dem vorgenannten Sinne bezogener Aufklärungserfolg, was das Landgericht möglicherweise verkannt hat.
7d) Das Tatgericht durfte auch nicht im Hinblick auf die in § 31 Satz 2 BtMG in Verbindung mit § 46b Abs. 3 StGB angeordnete Präklusion einer erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens geleisteten Aufklärungshilfe von der gebotenen Erörterung der Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG absehen. § 31 Satz 2 BtMG ist zwar vorliegend grundsätzlich anwendbar, weil sowohl die Tat als auch der Eröffnungsbeschluss nach dem aufgrund § 316d EGStGB maßgeblichen (zum anwendbaren Recht bei vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten und danach ergangenem Eröffnungsbeschluss siehe BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 79/12 und vom - 3 StR 123/11, NStZ 2012, 44 f.) erfolgten. Die Feststellungen bieten jedoch Anhaltspunkte für eine durch den Angeklagten vor der Eröffnung des Hauptverfahrens möglicherweise erbrachte Aufklärungshilfe. Das Landgericht teilt nämlich im Zusammenhang der Ablehnung der Anwendung von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG mit, der Angeklagte habe bereits gegenüber einer Polizeibeamtin der Kriminalpolizeiinspektion in Hof ausgesagt. Das lässt eine Aufklärungshilfe während des vorbereitenden Verfahrens möglich erscheinen.
8e) Es kann weder ausgeschlossen werden, dass angesichts der weiteren von dem Tatgericht in die gebotene Gesamtabwägung des minderschweren Falls zugunsten des Angeklagten einbezogenen Aspekte dieses bei Annahme des vertypten Milderungsgrundes aus § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG die Strafe dem Strafrahmen des § 30 Satz 2 BtMG entnommen noch, dass es den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG gemäß § 31 Satz 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hätte und so jeweils zu einer geringeren als der jetzt verhängten Strafe gelangt wäre. Der Senat hebt die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen des § 31 BtMG und der sich daraus ggf. für die Strafrahmenwahl bei seinem Vorliegen ergebenden Konsequenzen (die von , NStZ 2013, 50 zu § 30a BtMG vorgegebene Prüfungsreihenfolge gilt auch bei § 30 BtMG) zu ermöglichen.
93. Im Übrigen enthält das Urteil keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler. Der Senat hat daher auf Antrag des Generalbundesanwalts die weitergehende Revision verworfen. Dazu bedurfte es keiner vorherigen Rückgabe der Akten an den Generalbundesanwalt. Zwar lag diesem bei seinem Verwerfungsantrag vom die von der Verteidigung unter dem Datum vom verfasste ergänzende Begründung der erhobenen Sachrüge noch nicht vor. In seinem der Verteidigung bekannt gemachten Schreiben vom , das dem Senat bei der Beratung vorlag, hält der Generalbundesanwalt aber nach Kenntnisnahme der ergänzenden Revisionsbegründung an seinem Antrag auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO fest.
Wahl Rothfuß Cirener
Radtke Zeng
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Fundstelle(n):
LAAAE-37076