Gruppen-Rechtsschutzversicherung: Zulässigkeit eines rückwirkend vereinbarten Leistungsausschlusses; Wirksamkeit eines Leistungsausschlusses betreffend Beteiligungen
Leitsatz
1. Zur Zulässigkeit eines zwischen Versicherungsnehmerin und Versicherer rückwirkend vereinbarten Leistungsausschlusses in einer Gruppen-Rechtsschutzversicherung.
2. Der Leistungsausschluss in Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung "für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen … in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ankauf, der Veräußerung, der Verwaltung von Beteiligungen" ist wirksam.
Gesetze: § 242 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 328 Abs 2 BGB, § 3 Abs 2 Buchst f DBuchst bb ARB 2007
Instanzenzug: Az: 9 U 95/11vorgehend Az: 24 O 339/10
Tatbestand
1Der Kläger verlangt Versicherungsleistungen aus einer Gruppenrechtsschutzversicherung. Er ist Mitglied der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), jetzt TRANSNET (im Folgenden: Versicherungsnehmerin), die seit 1980 bei der Beklagten eine Gruppenversicherung mit Familien-Rechtsschutz für ihre Mitglieder unterhält.
2Seit 1995 lagen dem Vertrag die ARB/G 94 der Beklagten zugrunde. Deren § 4 (3) lautet auszugsweise:
"Es besteht kein Rechtsschutz, wenn …
b) der Anspruch auf Rechtsschutz erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand bei der Versicherung geltend gemacht wird."
3Mit Schreiben der Versicherungsnehmerin vom erhielt der Kläger unter anderem einen Versicherungsausweis zugesandt.
4In § 20 der Satzung der Versicherungsnehmerin vom heißt es:
"1. Für die Mitglieder der GdED ist als Gruppenversicherung eine Familien-Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, deren Versicherungsschutz sich auf alle Mitglieder erstreckt, die an der Versicherung teilnehmen, …
4. Die Versicherungsbedingungen und Leistungen richten sich im einzelnen und im übrigen nach dem mit dem Versicherungsträger abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag und den Versicherungsbedingungen. Sie sind in dem Versicherungsausweis enthalten, der dem Mitglied ausgehändigt wird."
5Die Beklagte änderte in der Folgezeit mehrfach ihre Rechtsschutzbedingungen. Zunächst schloss sie Verträge nach Maßgabe ihrer ARB 2000, später ihrer ARB/G 2007 ab. Deren § 3 (2) Buchst. f) enthält unter bb) folgenden neuen Risikoausschluss:
"Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen …
f) in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften;
aa) …
bb) dem Ankauf, der Veräußerung, der Verwaltung von
- Wertpapieren (z.B. Aktien, Rentenwerte, Fondsanteile)
- Wertrechten, die Wertpapieren gleichstehen
- Beteiligungen;
…"
6Nach Feststellung der Vorinstanzen schlossen die Versicherungsnehmerin und die Beklagte am einen neuen Gruppenversicherungsvertrag, in dem es unter anderem heißt:
"Grundlage dieses Gruppenversicherungsvertrages sind im übrigen die
- Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB/G 2007)
- …"
7In einer Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag vom gleichen Tage ist unter § 1 die folgende Regelung getroffen:
"[die Versicherungsnehmerin und die Beklagte] sind sich darin einig, dass die … neu vereinbarten Risikoausschlüsse (Gewinnzusagen, Kapitalanlagegeschäfte) erst für Rechtsschutzfälle gelten, die ab dem gemeldet werden. Die … neu vereinbarten Risikoausschlüsse gelten unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, d.h. sie kommen für alle ab dem gemeldeten Rechtsschutzfälle zum Tragen, auch wenn der Versicherungsfall vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist."
8Über die Änderungen in der Familien-Rechtsschutzversicherung informierte die Versicherungsnehmerin ihre Mitglieder in der Juli-Ausgabe ihrer Gewerkschaftszeitschrift "inform" unter der Überschrift "Verbesserungen in der Familien-Rechtsschutzversicherung".
91997 beteiligte sich der Kläger mit zwei Zeichnungsscheinen über 41.580 DM und 8.400 DM als atypischer stiller Gesellschafter an der G. -Beteiligungs-Aktiengesellschaft (zu deren so genanntem Steigermodell vgl. , ZIP 2005, 763 - juris Rn. 1). Nachdem im Rahmen dieses Kapitalanlagemodells keine Gewinne erzielt und die betroffenen Gesellschaften insolvent wurden, versuchte der Kläger von den für das gescheiterte Anlagemodell Verantwortlichen Schadensersatz zu erlangen. Die damit 2007 beauftragten Rechtsanwälte wandten sich erstmals mit Schreiben vom an die Beklagte. Ihr Ersuchen um Deckungsschutz lehnte die Beklagte unter Berufung auf den Risikoausschluss des § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 ab.
10Der Kläger ist der Auffassung, der Rechtsschutzfall sei in versicherter Zeit unter Geltung der ARB/G 94 eingetreten. Der einmal entstandene Leistungsanspruch könne ihm nicht durch die nachträgliche Vereinbarung eines Risikoausschlusses genommen werden.
11Das Landgericht hat der Klage auf Freistellung von Verbindlichkeiten aus drei Anwaltsrechnungen und Feststellung der Deckungspflicht für die gerichtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
Gründe
12Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
13I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungsschutz nach § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 entfallen. Der Kläger begehre Versicherungsleistungen für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Beteiligungen. Das seien mittels Kapital erworbene Vermögensanlagen in Handelsgesellschaften. Davon werde auch der Beitritt des Klägers als atypischer stiller Gesellschafter erfasst. Die Risikoausschlussklausel sei weder unklar noch benachteilige sie die Versicherten unangemessen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkenne, dass die Beteiligung an einer Gesellschaft nicht in die Deckung falle.
14Der Leistungsausschluss für Beteiligungen sei infolge der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten vereinbarten Neufassung des Gruppenversicherungsvertrages und ihrer Zusatzvereinbarung vom für alle nach dem gemeldeten Versicherungsfälle wirksam geworden. Das gelte auch für das Verhältnis des Klägers als Versichertem zur Beklagten, denn eine Gesamtbetrachtung der Fallumstände, der Interessenlage und des Vertragszwecks nach § 328 Abs. 2 BGB ergebe, dass der Versicherungsvertrag einem stillschweigend vereinbarten Änderungsvorbehalt unterliege, der eine Zustimmung der Versicherten nicht voraussetze. Die in der Zusatzvereinbarung enthaltene Befristung sei als eigens ausgehandelte Individualvereinbarung weder sittenwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung oder unangemessen; auf die Art und Weise ihrer Bekanntmachung komme es nicht an.
15Der Kläger könne nach den §§ 314, 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht damit gehört werden, dass die Änderung des Gruppenversicherungsvertrages vom nicht erfolgt sei, nachdem er diese Behauptung in erster Instanz ausweislich des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils erstmals in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz aufgestellt habe und ein diesbezüglicher Tatbestandsberichtigungsantrag vom Landgericht zurückgewiesen worden sei.
16Auch das Berufungsgericht hat einen den Klägervortrag zur Zusatzvereinbarung vom betreffenden Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers zurückgewiesen.
17II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand.
181. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
19a) Seine Beanstandung, das Berufungsgericht habe entscheidungserheblichen Vortrag zum Abschluss des Änderungsvertrages vom zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten rechtsfehlerhaft übergangen, geht bereits deshalb fehl, weil sie sich gegen eine tatbestandliche Feststellung wendet, die auch im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, nachdem die Tatbestandsberichtigungsanträge des Klägers (§ 320 ZPO) gegen das landgerichtliche Urteil und das Berufungsurteil erfolglos geblieben sind. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig. Sie kann nicht mit der Revision angegriffen und die begehrte Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. , BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 24; Beschluss vom - V ZR 159/08, juris Rn. 2). Von einer weiteren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
20b) Die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe den Vortrag aus dem Schriftsatz vom gemäß § 531 Abs. 2 ZPO schon deshalb zulassen müssen, weil das Landgericht sein einschränkendes Verständnis des Kläger-Schriftsatzes vom unter Verstoß gegen § 139 ZPO nicht offen gelegt habe, hat der Senat geprüft. Sie greift nicht durch. Auch insoweit sieht der Senat von einer näheren Begründung nach § 564 Satz 1 ZPO ab.
212. Sachlich-rechtlich ist das Berufungsurteil ebenfalls nicht zu beanstanden.
22Die Parteien des Versicherungsvertrages haben mit dessen Änderung am und der dazu getroffenen Zusatzvereinbarung vom gleichen Tage wirksam die Geltung des in § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 geregelten Leistungsausschlusses auch für nach dem gemeldete Altfälle vereinbart. Der ursprünglich noch unter Geltung der ARB/G 94 und in versicherter Zeit vom Kläger erworbene Anspruch auf Deckungsschutz für die Verfolgung seiner Schadensersatzforderung ist durch diese Änderung erloschen.
23a) Der Risikoausschluss ist auch im Versicherungsverhältnis zum Kläger wirksam geworden. Entgegen seiner Auffassung hat er aufgrund des Versicherungsvertrages aus dem Jahre 1995 keine unabänderliche Rechtsstellung in Bezug auf seinen Leistungsanspruch erlangt.
24aa) Bei der hier in Rede stehenden Gruppenversicherung für Gewerkschaftsmitglieder ist zwischen dem Zuwendungs- und dem Versicherungsverhältnis zu unterscheiden. Im Rahmen des zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Kläger vereinbarten Mitgliedschaftsverhältnisses verschafft die Versicherungsnehmerin ihren Mitgliedern auf der Grundlage des § 20 ihrer Satzung Deckungsansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung unterhält sie bei der Beklagten einen Gruppenversicherungsvertrag, deren Versicherungsnehmerin allein sie ist, während ihre Mitglieder lediglich die Stellung von Versicherten einnehmen. Es handelt sich insoweit um einen Versicherungsvertrag für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 VVG a.F./43 VVG n.F. Die Auffassung des Oberlandesgerichts München (VersR 1995, 902), in einem solchen Falle sei der Versicherte als "Herr des Vertrages" anzusehen, trifft nicht zu.
25bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht stattdessen erkannt, dass für die Frage, inwieweit die Versicherten Rechte aus dem Versicherungsvertrag erwerben und inwieweit die Vertragsparteien des Versicherungsvertrages solche Rechte gegebenenfalls wieder ändern oder aufheben können, in Ermangelung einer besonderen Bestimmung ergänzend zu den vertraglichen Vereinbarungen und den Regelungen der §§ 43 ff. VVG die Vorschrift des § 328 Abs. 2 BGB maßgeblich ist (vgl. für die private Krankenversicherung: Senatsurteil vom - IV ZR 205/04, VersR 2006, 686 Rn. 33 ff.).
26cc) Anders als die Revision meint, handelt es sich bei dem im Versicherungsvertrag vom unter § 5 Nr. 3 geregelten Änderungsvorbehalt um keine abschließende besondere Bestimmung der Änderungsmöglichkeiten im Sinne des § 328 Abs. 2 BGB. In der genannten Vertragsklausel verpflichtet sich die Versicherungsnehmerin lediglich dazu, einvernehmlich an einer Vertragsänderung mitzuwirken, falls sich maßgebliche Gesetzesbestimmungen, die Rechtsprechung, die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden ändern, Bedingungen für unwirksam erklärt werden oder eine kartell- oder aufsichtsrechtliche Beanstandung droht.
27Das schließt es allerdings nicht aus, dass sich die Versicherungsnehmerin weiter gehend bereitfindet, im Einvernehmen mit dem Versicherer Änderungen des Versicherungsvertrages zu vereinbaren. Mit den von § 5 Nr. 3 des Versicherungsvertrages von 1995 geregelten Anlässen für eine Vertragsänderung werden die Interessen der Vertragsparteien, die für eine Änderungsmöglichkeit sprechen können, nicht vollen Umfangs erfasst. Zu Recht verweist die Revisionserwiderung auf das sich schon aus der langen Vertragslaufzeit ergebende Bedürfnis der Vertragsparteien nach weiter gehenden Änderungsmöglichkeiten.
28dd) Dass die Versicherungsnehmerin sich gegenüber den Versicherten eine Änderungsbefugnis vorbehalten will, findet seinen Niederschlag insbesondere in § 20 Nr. 4 ihrer Satzung. Dort ist im Rahmen des Zuwendungsverhältnisses bestimmt, dass sich die Versicherungsbedingungen und Leistungen nach dem mit dem Versicherungsträger abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag richten. Damit ist im Zuwendungsverhältnis keine bestimmte Leistungszusage festgeschrieben, sondern es wird auf den Inhalt des Versicherungsvertrages verwiesen. Allein schon die Verwendung des abstrakten Begriffs des Versicherungsträgers und die nicht nähere Spezifizierung des Versicherungsvertrages nach Datum oder Laufzeit führen dem Gewerkschaftsmitglied vor Augen, dass selbst der Versicherer wechseln, erst recht der Versicherungsvertrag im Laufe der Jahre Änderungen unterworfen sein kann, mithin dynamisch auf den Versicherungsvertrag in seiner jeweils bestehenden Form verwiesen wird. Dass die Versicherungsnehmerin im Verhältnis zu den Versicherten alleinige Herrin des Versicherungsvertrages bleiben will, ergibt sich, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, im Übrigen auch aus der Koppelung des Versicherungsschutzes an die Gewerkschaftsmitgliedschaft. Für jedes Mitglied besteht danach die Möglichkeit, die Rechtsstellung als Versicherter durch Austritt aus der Gewerkschaft zu beenden, ohne dass dies auf die Fortdauer des Versicherungsvertrages Einfluss haben soll.
29Schließlich geht auch das wirtschaftliche und sozialpolitische Interesse der Versicherungsnehmerin dahin, den Versicherungsvertrag im Einvernehmen mit dem Versicherer bei Bedarf geänderten Umständen anzupassen. Das zeigt gerade der hier zu entscheidende Fall, in dem sie sich nachvollziehbar darauf berufen hat, sie habe es nicht mehr als ihre Aufgabe angesehen, einigen wenigen ihrer Mitglieder Versicherungsschutz für Kapitalanlagestreitigkeiten zu verschaffen, die sich signifikant auf die Beitragshöhe auswirkten. Die Abwägung habe vielmehr ergeben, dass solche Streitigkeiten angesichts des nicht in den gewerkschaftlichen Aufgabenbereich fallenden Rechtsschutzziels nicht mehr von den Gewerkschaftsbeiträgen aller Mitglieder hätten finanziert werden sollen.
30ee) Das Interesse der Beklagten an einer Änderungsmöglichkeit beruht angesichts der langen Vertragsbindung vor allem auf dem Bestreben, den Versicherungsvertrag ihrem jeweils aktuellen Bedingungswerk zu unterstellen und auch die Risikokalkulation aktuellen Veränderungen anzupassen.
31ff) Die von den Parteien des Versicherungsvertrages in § 1 ihrer Zusatzvereinbarung vom getroffene Übergangsregelung, wonach die neuen Risikoausschlüsse lediglich für Altfälle nicht anzuwenden sind, die bis spätestens gemeldet wurden, ist wirksam und führt zu keiner treuwidrigen Benachteiligung des Klägers.
32(1) Als individuell ausgehandelte Zusatzvereinbarung unterliegt die Übergangsregelung nicht der Kontrolle nach den §§ 305c ff. BGB. Die Maßstäbe, die der Senat im Urteil vom (IV ZR 198/91, VersR 1992, 819) für die in § 4 Abs. 4 Allgemeiner Rechtsschutzversicherungsbedingungen geregelte Ausschlussfrist aufgestellt hat, lassen sich daher auf die Zusatzvereinbarung vom nicht übertragen.
33(2) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Vereinbarung sei nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, erinnert die Revision zu Recht nichts.
34(3) Die Zusatzvereinbarung führt aber auch nicht zu einer gegen die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden, unangemessenen Benachteiligung des Klägers im konkreten Fall.
35Allerdings trifft es zu, dass der Kläger durch die Übergangsregelung in Verbindung mit der Neufassung des Versicherungsvertrages Deckungsansprüche verliert, die unter Geltung des früheren Gruppenversicherungsvertrages bereits entstanden waren und nach alter Vertragslage noch innerhalb der seinerzeit geltenden Ausschlussfrist von drei Jahren (§ 4 Abs. 3 Buchst. b) ARB/G 94) hätten angemeldet werden können. Das hat weiter zur Folge, dass er - wegen der Vorvertraglichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes - auch nicht mehr in der Lage ist, durch den Neuabschluss einer Rechtsschutzversicherung für die Verfolgung seiner Schadensersatzansprüche aus der Beteiligung an der G. -Beteiligungs-Aktiengesellschaft anderweitig Deckungsschutz zu erlangen.
36Dennoch verstößt die Übergangsregelung in der Gesamtschau der Fallumstände nicht gegen Treu und Glauben. Den Parteien des Versicherungsvertrages ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der Äquivalenz von Prämie und versichertem Risiko ein Interesse daran zuzubilligen, nach Änderung des Versicherungsvertrages eine Parallelführung des alten und des neuen Vertragswerkes über einen längeren Zeitraum zu vermeiden. Dass die Umstellung gezielt darauf gerichtet gewesen wäre, einzelnen Versicherten bereits entstandene Deckungsansprüche wieder zu nehmen, lässt sich gerade wegen der Möglichkeit, solche Ansprüche bis zum Jahresende 2007 anzumelden, nicht feststellen. Auch der Kläger hätte im konkreten Fall nach der vereinbarten Übergangsregelung noch mehrere Monate Gelegenheit gehabt, den Versicherungsfall vor dem anzumelden.
37(4) Ob die Versicherungsnehmerin mit der vereinbarten Änderung des Versicherungsvertrages gegen ihr Versprechen oder Nebenpflichten aus ihrer Satzung verstoßen und ob sie den Kläger und andere Mitglieder mit der Meldung in der Juli-Ausgabe der Gewerkschaftszeitschrift "inform" zutreffend und ausreichend über die Änderungen im Gruppenversicherungsvertrag unterrichtet hat, betrifft demgegenüber allein das zwischen ihr und dem Kläger bestehende Zuwendungsverhältnis und begründet mithin keine Ansprüche des Klägers gegen den beklagten Versicherer.
38b) Gegen die Auslegung, unter einer Beteiligung im Sinne von § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 sei die mit Einsatz von Kapital erworbene Vermögensanlage in einer Handelsgesellschaft zu verstehen, ist rechtlich im Ergebnis ebenso wenig zu erinnern wie gegen die Annahme, die atypische stille Gesellschafterstellung des Klägers in der G. -Beteiligungs-Aktiengesellschaft sei eine solche Beteiligung.
39Anders als die Revision meint, ist die Klausel, soweit sie Deckungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ankauf, der Veräußerung oder der Verwaltung von Beteiligungen ausschließt, nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
40aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen (st. Rspr, vgl. etwa , BGHZ 123, 83, 85; vom - IV ZR 327/02, WM 2003, 1363 unter 2 a; vom - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 11). Liegt - wie hier - ein Gruppenversicherungsvertrag und damit eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. etwa für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Senatsurteil vom - IV ZR 118/10, VersR 2011, 611 Rn. 11 m.w.N.).
41Das Versicherteninteresse geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20).
42bb) Die nach diesen Maßstäben gebotene enge Auslegung der Klausel ergibt, dass der durchschnittliche Versicherte erkennt, dass der Versicherer mit § 3 (2) Buchst. f) ARB/G 2007 sein Leistungsversprechen zum einen für Geschäfte des Versicherten zurücknehmen will, die auf hochspekulativen Gewinnerwartungen beruhen (Spiel- oder Wettverträge, Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäfte), dass zum anderen aber auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit den unter Buchstaben bb) aufgeführten Kapitalanlagen (Wertpapieren, z.B. Aktien, Rentenwerte oder Fondsanteile, ferner Wertrechten, die Wertpapieren gleichstehen) vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll. Das ermöglicht es, den ebenfalls unter bb) aufgeführten Begriff der Beteiligungen systematisch den Kapitalanlagen zuzuordnen. Damit erfährt der im Ansatz sehr weite Begriff (vgl. dazu Maier in Harbauer, ARB 8. Aufl. ARB 2000 § 3 Rn. 233), der seinem Wortsinne nach zunächst auch auf die Teilnahme des Versicherten an Gruppierungen oder Veranstaltungen jeder Art oder diverse Formen von Gewinnbeteiligungen bezogen werden könnte, seine notwendige Einschränkung. Im Kontext mit den übrigen unter bb) aufgezählten Kapitalanlagen wird der Versicherte den Begriff der Beteiligungen dahin verstehen, dass nur die unter Kapitaleinsatz und zum Zwecke der Kapitalanlage erworbene Gesellschafterstellung in einer Gesellschaft gemeint sein kann, deren Zweck die rechtsgeschäftliche Teilnahme am Wirtschaftsleben ist.
43cc) Soweit sich die Revision auf die Unwirksamkeit ähnlicher Risikoausschlussklauseln berufen hat ("Effektenklausel" und "Prospekthaftungsklausel"; vgl. dazu die Senatsurteile vom heutigen Tage in den Verfahren IV ZR 84/12 und IV ZR 174/12; vgl. dazu auch OLG München r+s 2012, 24; OLG Frankfurt am Main VersR 2012, 757; I-6 U 198/11, juris), kann sie keinen Erfolg haben. Über solche Klauseln ist hier nicht zu befinden. Der allein verwendete Begriff der Beteiligungen kann bei der gebotenen engen Auslegung von einem durchschnittlichen Versicherten infolge des Sachzusammenhangs des § 3 (2) Buchst. f) ARB/G 2007 zutreffend erfasst werden.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 2742 Nr. 37
WM 2013 S. 1115 Nr. 24
ZIP 2013 S. 1228 Nr. 25
IAAAE-36938