BGH Beschluss v. - VII ZR 37/12

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Werklohn.

2 Er hat gegen die Beklagte am einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts M. über eine Werklohnforderung in Höhe von 94.992,90 DM nebst Zinsen erwirkt. Ob dieser Vollstreckungsbescheid der Beklagten wirksam zugestellt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

3 Am hat das Amtsgericht B. einen weiteren Vollstreckungsbescheid bezüglich der Forderung, die Gegenstand des Vollstreckungsbescheids vom ist, erlassen. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Mit Versäumnisurteil des Landgerichts D. vom ist der Vollstreckungsbescheid vom aufgehoben und die Klage abgewiesen worden.

4 Mit Schriftsatz vom hat die Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts M. vom Einspruch eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Mit Versäumnisurteil vom hat das Landgericht M. den Vollstreckungsbescheid vom aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit Urteil vom hat das Landgericht M. das Versäumnisurteil vom aufrechterhalten und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom der Vollstreckungsbescheid vom aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.

5 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der seine Klageansprüche nach Zulassung der Revision weiterverfolgen möchte.

II.

6 1. Das Berufungsgericht führt aus, die Berufung des Klägers bleibe erfolglos; das angefochtene Urteil sei lediglich dahingehend klarzustellen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werde. Der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid sei zulässig, er sei insbesondere nicht verfristet, weil die zweiwöchige Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Grundsätzlich beginne die Einspruchsfrist mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids. Der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis der Zustellung des Vollstreckungsbescheids im Parteibetrieb nicht erbracht. Zum Nachweis der Zustellung könne er sich nicht auf den auf dem Vollstreckungsbescheid angebrachten Vermerk berufen. Nach § 169 Abs. 1 ZPO entfalte dieser Vermerk des Urkundsbeamten nur Beweiskraft hinsichtlich des Zustellungszeitpunktes; er sei nicht geeignet, den Nachweis der Zustellung an die Beklagte zu erbringen. Der Nachweis der Zustellung könne regelmäßig durch eine Postzustellungsurkunde geführt werden. Der Kläger habe diesen Urkundenbeweis nicht durch Vorlage der Urkunde, sei es im Original oder in beglaubigter Abschrift, angetreten. Die Faxkopie einer Postzustellungsurkunde erbringe vorliegend keinen Beweis für die Zustellung an die Beklagte. Trotz der gerichtlichen Hinweise, zur Zustellung im Parteibetrieb vorzutragen, habe der Kläger keinen Zustellvorgang in nachvollziehbarer Weise dargelegt. Es fehle an einem zureichenden Vortrag, der die Behauptung des Klägers zu belegen geeignet wäre, der Vollstreckungsbescheid sei durch einen Gerichtsvollzieher, der seinerseits die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt habe, an die Beklagte zugestellt worden. Die vorgelegte Kopie einer Postzustellungsurkunde lasse sich nicht mit einem Zustellungsauftrag eines Gerichtsvollziehers an die Post zum Zwecke der Zustellung an die Beklagte in Verbindung bringen.

7 Die von dem Kläger erhobene Leistungsklage gegen die Beklagte auf Zahlung des Werklohns sei unzulässig, weil über den Streitgegenstand bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

8 2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, § 544 Abs. 7 ZPO. Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art. 103 Abs. 1 GG.

9 a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, NJW 2009, 1585; , [...] Rn. 8 m.w.N.). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ablehnung eines Beweisantrags für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (vgl. BVerfG, ZIP 1996, 1761, 1762). Die der Beweiserhebung vorgeschaltete Handhabung der Substantiierungsanforderungen verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig ist (BGH, Beschlüsse vom VII ZR 199/11, [...] Rn. 8; vom VII ZR 2/11, BauR 2012, 1822 Rn. 14; vom VIII ZR 228/08, [...] Rn. 14).

10 b) Eine derartige Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör liegt hier vor.

11 Das Berufungsgericht hat die Behauptung des Klägers (Schriftsatz vom , Seite 1 f., GA III 524 f.), die ehemalige Justizangestellte R. habe den Vermerk auf dem Vollstreckungsbescheid vom "Der Vollstreckungsbescheid wurde dem Antragsgegner am zugestellt" aufgrund einer ihr vorliegenden Originalzustellungsurkunde, die denselben Inhalt wie die vorgelegte Faxkopie der Zustellungsurkunde gehabt habe, angefertigt, für unzureichend erachtet und die für diese Behauptung angebotene Zeugin R. (Schriftsatz vom , Seite 2, GA III 525) nicht vernommen.

12 Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör außerdem verletzt, indem es dessen Behauptung (Schriftsatz vom , Seite 4-6, GA III 540-542), die Zustellung sei von seinen damaligen anwaltlichen Vertretern veranlasst worden, die nach der am erfolgten Zustellung das Original der Postzustellungsurkunde dem Amtsgericht M. zur Bestätigung der Zustellung übersandt hätten, für unzureichend erachtet und die von ihm für diese Behauptung angebotenen Zeugen (Schriftsatz vom , Seite 5 unten/6 oben, GA III 541 f.) nicht vernommen hat.

13 Die vorstehend genannten Behauptungen betreffen erhebliche Tatsachen, aus denen sich die behauptete Wirksamkeit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids vom ergeben kann. Soweit das Berufungsgericht den klägerischen Vortrag als unzureichend eingestuft und von einer Vernehmung der genannten Zeugen abgesehen hat, stellt dies eine unzulässige, gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende vorweggenommene Beweiswürdigung dar (vgl. , NJW 2008, 3361 Rn. 7).

14 c) Auf dem Verfahrensverstoß kann das Urteil des Berufungsgerichts auch beruhen; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Erhebung des genannten Zeugenbeweises eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids angenommen und zu Gunsten des Klägers entschieden hätte.

15 3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen des Klägers in der Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass bei einander widersprechenden rechtskräftigen Entscheidungen die Rechtskraft der älteren vorgeht (vgl. , NJW 1981, 1517, 1518; BAG, NJW 1986, 1831, 1832). Das Berufungsgericht wird auch zu berücksichtigen haben, dass die Zustellungsvorschriften in der damals gültigen Fassung anzuwenden sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
MAAAE-36377