Konkurrenzen bei Betäubungsmitteldelikten: Gleichzeitige Zahlung alter und Abholung neuer Marihuanalieferung
Gesetze: § 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB
Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 46 KLs 200 Js 1840/11 - 33/11
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 50 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und in deren Folge zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen bot der gesondert verfolgte L. , der den Angeklagten schon früher über einen längeren Zeitraum mit Marihuana versorgt hatte, dem Angeklagten im Juli 2008 an, von ihm Marihuana in Mengen von mindestens 500 Gramm zu beziehen, um durch dessen Weiterverkauf Geld zu verdienen. Nach dem Vorschlag L. s sollte der Angeklagte das Marihuana auch „auf Kommission“ erwerben können, wobei er aber jeweils nur dann neues Marihuana erhalten werde, wenn er das zuvor gelieferte vollständig bezahle. Der Angeklagte, der mit der Weiterveräußerung des Marihuanas die finanzielle Situation seiner Familie aufbessern und zugleich seinen Eigenkonsum finanzieren wollte, nahm das Angebot an.
3In der Zeit von Anfang Juli 2008 bis Ende August 2010 bezog der Angeklagte sodann in mindestens 50 Einzelfällen Marihuana von L. . Bei sieben Gelegenheiten im Jahr 2009 erwarb er jeweils 1.500 Gramm, in den übrigen Fällen jeweils 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % THC. In jedem Einzelfall erhielt der Angeklagte das Marihuana zunächst ohne Bezahlung und leistete diese regelmäßig dann, wenn er neues Marihuana bei L. abholte. Das Marihuana verkaufte der Angeklagte – jeweils abgesehen von zum Eigenkonsum dienenden Teilmengen von bis zu 70 Gramm – gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter.
4Ferner fuhr der Angeklagte einige Zeit vor Weihnachten 2010 zweimal im Auftrag des L. in die Niederlande, wo er von dessen Lieferanten nach Übergabe des Kaufgeldes Marihuana in Mengen von 5.000 und 5.500 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 5 % THC übernahm. Das Marihuana transportierte er jeweils nach Deutschland und lieferte es – in einem Fall nach Entnahme einer Eigenbedarfsmenge – bei L. ab.
II.
51. Der Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (II. 2. c der Urteilsgründe) ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
62. Dagegen hält die Annahme von 50 selbständigen, real konkurrierenden Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in den Fällen II. 2. b der Urteilsgründe einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Da sich die Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Marihuanageschäfte teilweise überschneiden, sind die verschiedenen auf die jeweilige Handelsmenge bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verknüpft.
7a) Das Landgericht ist bei seiner Bewertung der Konkurrenzen im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme von Tateinheit nur in Betracht kommt, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. , BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom – 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97; vgl. Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN). Eine Teilidentität der objektiven Ausführungshandlungen bei den unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäften hat die Strafkammer indes zu Unrecht verneint.
8b) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. , BGHSt 50, 252, 256 mwN), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 487 ff. mwN). Eine solche auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit liegt auch darin, dass sich der Zwischenhändler zu der Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor abgesprochene, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (vgl. , StV 1997, 638; Urteil vom – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28; Weber aaO § 29 Rn. 420). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
9Dem – weit auszulegenden (, aaO, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Übertragung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (vgl. Urteile vom – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 294/02, NStZ-RR 2003, 75; vom – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten zum Handel gehört und den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. ; Beschluss vom – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; Urteil vom – 1 StR 189/95, StV 1995, 641; Beschlüsse vom – 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; vom – 2 StR 154/99, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 52; Urteil vom – 5 StR 242/07 aaO).
10c) Der Senat entnimmt den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, dass die jeweils nächste ganz überwiegend zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Marihuanalieferung mit L. bereits abgesprochen war, als der Angeklagte sich zu L. begab. Das Aufsuchen von L. diente daher sowohl der Übermittlung des Entgelts für die vorangegan- gene, als auch der Abholung der vereinbarten neuerlichen Marihuanalieferung. In diesem Teilakt überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte, was eine tateinheitliche Verknüpfung sämtlicher auf die einzelnen Handelsmengen bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Folge hat (vgl. , NStZ 2011, 97; offengelassen im Beschluss vom – 3 StR 3/11).
11Durch das einheitliche Delikt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG werden die tateinheitlich verwirklichten, an sich rechtlich selbständigen 50 Taten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG zu einer Erwerbstat verklammert, sodass sich der Angeklagte in dem unter II. 2. b der Urteilsgründe geschilderten Tatkomplex des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat.
12Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
133. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für die Taten II. 2. b der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die Einzelstrafaussprüche für die zwei Einfuhrtaten sind rechtsfehlerfrei und können bestehen bleiben. Einer Aufhebung der von der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht beeinflussten tatsächlichen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bedarf es nicht. Ergänzende, zu der bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter bleiben möglich.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin
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Fundstelle(n):
GAAAE-35984