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LSG Thüringen Urteil v. - L 1 U 173/10

Die Klägerin zu 1. ist die Tochter des 1944 geborenen und 1996 verstorbenen H. G. (Versicherter) und die Klägerin zu 2. seine Ehefrau. Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung, hilfsweise einer Berufskrankheit nach Nummer 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2402). Der Versicherte war in der DDR bei der Nationalen Volksarmee (NVA) tätig gewesen, und zwar ausweislich der Wehrstammkarte vom 2. bis 29. Mai 1969 als Vermesser, vom 30. Mai bis 23. Oktober 1969 als Kanonier, vom 24. Oktober 1969 bis 30 Oktober 1970 wiederum als Vermesser, vom 9. Oktober bis 9. Dezember 1975 als Feuerzugführer, vom 7. März 1978 bis 28. April 1978 erneut als Feuerzugführer, vom 24. bis 31. März 1984 als "BC". Die tatsächliche Ausgestaltung der Aufgabenwahrnehmung während der Tätigkeit bei der Nationalen Volksarmee im Einzelnen ist zwischen den Beteiligten streitig. Im September 1994 wurde bei dem Versicherten eine chronisch lymphatische Leukämie (CLL) diagnostiziert, an der er am 20. Dezember 1996 verstarb. Bis zu diesem Zeitpunkt lebte er mit seiner Ehefrau C. G., der Klägerin zu 2., in einem gemeinsamen Haushalt. - Die im Jahre 1972 geborene Klägerin zu 1. stand bis Ende April 1997 in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf (Lehramtsreferendarin) und erhielt Anwärterbezüge. Im Jahr 2001 beantragte die Klägerin zu 1. die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die CLL ihres Vaters wahrscheinlich auf die Tätigkeit als Grundwehrdienstleistender bei der NVA in der Zeit von 1969 bis 1970 zurückzuführen sei. Dort sei es zu Einwirkungen von ionisierenden Strahlen bei dem Betrieb von Radaranlagen gekommen. Auf Nachfrage teilte die Wehrbereichsverwaltung Ost der Beklagten mit, dass der Versicherte laut Wehrstammkarte als Vermesser und Feuerzugführer an der Startrampe 9P113 seinen Dienst abgeleistet habe. Zur Ausrüstung der Startrampe habe kein Radargerät gehört. Er sei daher keiner Röntgenstrahlung ausgesetzt gewesen. Mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung von Entschädigungsleistungen wegen der Erkrankung CLL unter Bezugnahme auf die technische Stellungnahme der Wehrbereichverwaltung Ost ab. Zwar könnten höhere Dosen ionisierender Strahlung Krebserkrankung verursachen. Dies sei jedoch bei Radargeräten nur bei geöffneten Geräteschränken möglich. Lediglich Personen, die bei geöffneten Geräten in unmittelbarer Nähe der Röhren tätig waren, wie zum Beispiel bei Reparatur- oder Wartungsarbeiten, seien einer hohen Strahlung ausgesetzt gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass der Versicherte im Rahmen seiner Tätigkeit als Vermesser und Feuerzugführer einer solchen Strahleneinwirkung ausgesetzt gewesen sei. Auch die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht möglich. Nach derzeitigem medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand führe die Bestrahlung durch Radarfelder mit Intensitäten weit oberhalb von Grenzwerten nur zu Gesundheitsstörungen, die unmittelbar eintreten. Eine solche unmittelbare Gesundheitsstörung wäre regelmäßig als Unfall anzusehen und habe beim Verstorbenen nicht vorgelegen. In ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch führte die Klägerin zu 1. aus, dass die Krankheit bei ihrem Vater unerklärlich aggressiv gewesen sei. Es müsse daher andere ursächliche Einflüsse gegeben haben. Ferner stellte sie einen Antrag auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung. Der Versicherte sei nicht im Beruf, sondern in Ausübung seines Wehrdienstes zu Schaden gekommen. Mit Bescheid vom 8. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Vertiefend führte sie aus, dass nach ihren Feststellungen der Verstorbene seinen Wehrdienst nicht im Bereich der Radartechnik geleistet habe. Deshalb sei er auch keinen Röntgenstörstrahlungen ausgesetzt gewesen. Zudem könne nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine Verursachungswahrscheinlichkeit des Entstehens einer Erkrankung CLL durch die Einwirkung ionisierender Strahlen belegt werden. Mit ihrer am 17. Mai 2005 beim Sozialgericht Altenburg erhobenen hat die Klägerin zu 1. eine mangelhafte Sachverhaltsermittlung gerügt. Die dargestellte Gefährdungssituation durch Strahlung an Radargeräten der Nationalen Volksarmee (NVA) sei unrichtig. Ihr Vater sei neben der Tätigkeit als Kanonier und Richtfunker auch als Vermesser tätig gewesen. Zudem habe er Kontakt mit einer Maschinenpistole gehabt, die mit radioaktiver Leuchtfarbe versehen gewesen sei. Das Abkratzen und Entfernen radioaktiver Leuchtfarbe könne zu Gesundheitsschäden führen. Es sei nicht auszuschließen, dass versehentlich Leuchtfarbe abgerieben worden und Kontakt entstanden sei. Eine sonstige Kontamination mit radioaktivem Material bei militärischen Übungen sei nicht ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat ein strahlenbiologisches Gutachten von Prof. Dr. St. eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit bei der NVA möglicherweise Expositionen durch ionisierende Strahlen mit einer Dosis unterhalb von 20 mSv sowie Radarstrahlen ausgesetzt war. Der Versicherte sei im Jahr 1994 an einer CLL erkrankt und an dieser Erkrankung 1996 gestorben. Vielfältige epidemiologische Untersuchungen hätten ergeben, dass CLL durch ionisierende Strahlen im niedrigen und mittleren Dosisbereich nicht hervorgerufen werden könne. Es gebe keine Hinweise, dass die CLL beim Verstorbenen durch die Tätigkeit bei der NVA wesentlich verursacht worden sein könnte. Hierauf gestützt hat nach Anhörung der Beteiligten das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2010 die Klage abgewiesen. Die Klägerin zu 2. ist nicht an dem erstinstanzlichen Verfahren beteiligt gewesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin zu 1. ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass der Versicherte während der Tätigkeit bei der NVA einer Strahlendosis von 750 mSv ausgesetzt gewesen sei, da er im Rahmen der Tätigkeit bei der NVA in der Nähe von meteorologischen Druckmessstationen eingesetzt worden sei. Dies ergebe sich aus einer von ihr beigebrachten eidesstattlichen Versicherung vom 12. Oktober 2011 eines früheren NVA Offiziers. Ausweislich des Jahresberichts 2012 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages existierten neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur CLL, welche eine Neubewertung erforderlich machten. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2013 hat der Prozessbevollmächtigte die Vertretung der Klägerin zu 2. angezeigt und ausgeführt, dass diese Beteiligte des Verfahrens sei (Näheres dazu weiter unten). Die Klägerinnen beantragen wörtlich (vergleiche Schriftsatz vom 30. November 2011), "1. Der Verwaltungsakt der Beklagten in Form des Bescheides vom 31.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2005 ist gem.§ 40 Abs. 1 SGB X nichtig, weil er mit rechtsstaatlichen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland und dem Grundgesetz nicht in Übereinstimmung steht.

Fundstelle(n):
NAAAE-35691

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LSG Thüringen, Urteil v. 28.02.2013 - L 1 U 173/10

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