BAG Urteil v. - 3 AZR 638/10

Anpassung der Betriebsrente - Berechnungsdurchgriff

Leitsatz

Der Versorgungsschuldner ist zur Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG nicht verpflichtet, wenn seine wirtschaftliche Lage der Anpassung entgegensteht. Die Einbindung des Versorgungsschuldners in einen Konzern kann uU dazu führen, dass sich der Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen konzernangehörigen Unternehmens zurechnen lassen muss (sog. Berechnungsdurchgriff). Dazu genügt es nicht, dass eine andere Konzerngesellschaft die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat und sich dabei konzerntypische Gefahren verwirklicht haben. Die gegenteilige bisherige Rechtsprechung gibt der Senat auf. Ein Berechnungsdurchgriff, gestützt auf die Rechtsprechung des BGH zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern nach den §§ 302, 303 AktG analog, kommt, nachdem der BGH diese Rechtsprechung aufgegeben hat, nicht mehr in Betracht.

Gesetze: § 1 BetrAVG, § 16 Abs 1 BetrAVG, § 16 Abs 2 BetrAVG, § 302 AktG, § 303 AktG, § 315 Abs 3 BGB, § 826 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 258 ZPO, § 559 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 10 Ca 2074/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 17 Sa 58/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers ab dem an den Kaufkraftverlust anzupassen und ob sie dem Kläger deshalb für die Zeit ab dem eine höhere Betriebsrente schuldet.

Der Kläger war seit dem bei der L-H KG (im Folgenden: L-H) beschäftigt. Die L-H sagte dem Kläger mit Arbeitsvertrag vom Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien von Dezember 1954 zu. Später wechselte der Kläger zur L B GmbH & Co. KG (im Folgenden: L B), einer Tochtergesellschaft der L-H. Im Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der L B vom heißt es:

3Bis zum war Kommanditistin der L B die L GmbH & Co. KG, D. Ab dem trat die LA F GmbH als Kommanditistin an deren Stelle. Komplementärin der L B war die L B Verwaltungs-GmbH.

4Am verkaufte die LA F GmbH den Vertrieb, das Lager und die Patente der L B. Die L B stellte ihre Geschäftstätigkeit zum Ende des Jahres 1999 ein. Sämtliche Mitarbeiter wurden bis zum Ende des Jahres 2000 entlassen. Am wurde die persönlich haftende Gesellschafterin der L B, die L B Verwaltungs-GmbH, als übertragender Rechtsträger auf die Beklagte verschmolzen und ist ohne Liquidation erloschen. Das Gesellschaftsvermögen der L B ging mit allen Aktiva und Passiva auf die Beklagte über. Die L B war damit aufgelöst, ihre Firma war erloschen.

5Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die LA Z GmbH. Am schlossen die Beklagte und die LA Z GmbH rückwirkend für die Zeit ab dem einen Gewinnabführungsvertrag. Die LA Z GmbH ist eine Tochtergesellschaft der LA S.A., die ihren Sitz in Frankreich hat.

6Der Kläger schied mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis mit der L B aus. Seit dem bezieht er eine Betriebsrente iHv. monatlich 819,00 Euro brutto.

7Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger von der Beklagten für die Zeit ab dem die Zahlung einer höheren Betriebsrente verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne eine Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust nicht mit der Begründung verweigern, ihre wirtschaftliche Lage oder die wirtschaftliche Lage der L B stünden der Anpassung entgegen. Es komme auf die wirtschaftliche Lage der LA Z GmbH bzw. des Konzerns, mithin der Konzernobergesellschaft LA S.A., an. Zum Zeitpunkt der Übernahme der L B durch den LA-Konzern sei die L B ein blühendes Unternehmen mit einer sehr guten Gewinnlage und einem steigenden Betriebsvermögen gewesen. Der LA-Konzern habe die L B in der Folgezeit dadurch ausgehöhlt, dass er deren gewinnbringenden und werthaltigen Teile in andere Gesellschaften übernommen, die kostenverursachenden Teile des Unternehmens hingegen aufgelöst und liquidiert habe. Die Verpflichtungen aus den Versorgungszusagen habe er in Unternehmen ausgelagert, deren wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten an den Kaufkraftverlust nicht zugelassen habe. Dies habe dazu geführt, dass die Betriebsrentner mit ihren Anpassungsforderungen ausgefallen seien. Die Beklagte müsse sich daher im Wege des Berechnungsdurchgriffs die wirtschaftliche Lage der LA Z GmbH und der LA S.A. zurechnen lassen. Die für den Berechnungsdurchgriff erforderliche verdichtete Konzernbeziehung folge aus der Konzernverbindung zwischen der LA S.A., der LA Z GmbH und der Beklagten sowie aus dem zwischen der LA Z GmbH und der Beklagten bestehenden Gewinnabführungsvertrag. Da die wirtschaftliche Lage der L B eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zugelassen habe, komme zudem ein Berechnungsdurchgriff auf die vormalige Kommanditistin, die L GmbH & Co. KG, D, in Betracht. Im Übrigen habe er darauf vertrauen dürfen, dass auch nach Eingliederung der L B in den LA-Konzern eine Anpassung seiner Betriebsrente erfolgen würde. Dies ergebe sich daraus, dass die L B im Arbeitsvertrag vom seine Betriebszugehörigkeit seit dem anerkannt habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei mit dem Hauptantrag bereits mangels eines bezifferten Klageantrags unzulässig. Die Klage sei auch nicht begründet. Sie sei zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zum und damit zur Zahlung einer höheren Betriebsrente ab dem nicht verpflichtet. Die wirtschaftliche Lage der L B habe eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers nicht zugelassen. Auf ihre - der Beklagten - wirtschaftliche Lage komme es nicht an, da sie erst ab dem infolge der Verschmelzung in die Rechte und Pflichten der L B eingetreten sei. Auch die wirtschaftliche Lage der LA Z GmbH sei nicht maßgeblich. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff lägen nicht vor. Der Gewinnabführungsvertrag zwischen der Beklagten und der LA Z GmbH genüge dazu nicht. Auch ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der LA S.A. komme nicht in Betracht. Die LA S.A. habe die Leitungsmacht über die L B nicht in einer Weise ausgeübt, die keinerlei Rücksicht auf deren Belange genommen habe. Die Jahresergebnisse der L B in den Jahren 1996 bis 1999 hätten die LA F GmbH gezwungen, den Vertrieb, das Lager und die Patente der L B im September 1999 zu verkaufen und die Produktion einzustellen. Für die fehlende Leistungsfähigkeit der L B seien mithin keine Entscheidungen maßgeblich gewesen, welche im Konzerninteresse getroffen worden seien. Im Übrigen komme ein Berechnungsdurchgriff auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum qualifiziert faktischen Konzern nicht mehr in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

11Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, an den Kläger ab dem eine höhere Betriebsrente zu zahlen. Die L B durfte zum Anpassungsstichtag eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG verweigern, da ihre wirtschaftliche Lage einer solchen Anpassung entgegenstand. Auf die wirtschaftliche Lage der LA Z GmbH, der LA S.A. und der L GmbH & Co. KG, D, kommt es nicht an.

12A. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung der Klageanträge zulässig.

13I. Das Landesarbeitsgericht hat das Klagebegehren dahin ausgelegt, dass der Kläger eine Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zum Anpassungsstichtag und Zahlung der angepassten Betriebsrente für die Zeit ab dem verlangt. Dem ist der Kläger mit der Revision nicht entgegengetreten. Eine Anpassung zu einem davor liegenden Anpassungsstichtag ist nicht Streitgegenstand.

14II. In dieser Auslegung ist die Klage zulässig.

151. Es handelt sich um eine Klage auf wiederkehrende Leistungen iSd. § 258 ZPO. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl.  - Rn. 13 mwN, AP BetrAVG § 16 Nr. 81 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 62).

162. Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

17Zwar hat der Kläger mit seinem Hauptantrag die Klageforderung nicht beziffert; er begehrt lediglich, seine Betriebsrente „angemessen“ zu erhöhen. Aus der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass er seinen Antrag auf § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG stützt, weshalb ein bezifferter Antrag nicht erforderlich ist. Ein unbezifferter Antrag genügt, wenn das Gericht den zu zahlenden Betrag nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB rechtsgestaltend bestimmt. § 16 BetrAVG räumt dem Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht ein. Der Versorgungsempfänger kann die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht überprüfen lassen. Jedenfalls mit der Angabe des anspruchsbegründenden Sachverhalts und eines Mindestbetrags ist dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Genüge getan (vgl.  - Rn. 10, BAGE 129, 292; - 3 AZR 810/05 - Rn. 11, BAGE 123, 319). Der Kläger hat im Hauptantrag zwar auch keinen Mindestbetrag genannt. Er hat allerdings in seinem Hilfsantrag, dem - wovon das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist - keine eigenständige Bedeutung zukommt, den Mindestbetrag angegeben. Er verlangt eine Anpassung seiner monatlichen Betriebsrente um mindestens 135,13 Euro brutto auf 954,13 Euro brutto. Damit fordert er für die Zeit ab die Zahlung mindestens weiterer 135,13 Euro brutto monatlich.

18B. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers ab dem an den Kaufkraftverlust anzupassen. Damit besteht auch keine Verpflichtung, an den Kläger ab dem eine höhere Betriebsrente zu zahlen. Die Entscheidung der L B, die Betriebsrente des Klägers zum nicht anzupassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden, da ihre wirtschaftliche Lage einer Anpassung entgegenstand. Auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten und der LA Z GmbH nach dem Anpassungsstichtag kommt es ebenso wenig an wie auf die wirtschaftliche Lage der LA S.A. und der L GmbH & Co. KG, D.

19I. Die L B war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.

20Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Dies sind - ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am  - der und der .

21II. Die Entscheidung der L B, die Betriebsrente des Klägers zum nicht anzupassen, entspricht billigem Ermessen, da ihre wirtschaftliche Lage der Anpassung entgegenstand.

221. Der Arbeitgeber hat bei seiner Entscheidung über die Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird nicht nur beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird, sondern auch dann, wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalausstattung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus (vgl.  - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72). Demnach rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an ( - Rn. 33, AP BetrAVG § 16 Nr. 81 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 62).

23Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht aus einem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt für alle Unternehmen einheitlich 2 % (vgl.  - Rn. 36 mwN, AP BetrAVG § 16 Nr. 71 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 56).

24Diese für werbende Unternehmen entwickelten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Senats im Wesentlichen auch für sog. Rentner- und Abwicklungsgesellschaften. Auch diese haben eine Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu prüfen. Dabei sind auch Rentner- und Abwicklungsgesellschaften nicht verpflichtet, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen. Auch ihnen ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Allerdings ist bei Rentner- und Abwicklungsgesellschaften eine Eigenkapitalverzinsung angemessen, die der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspricht. Für einen Zuschlag, wie er bei aktiven Arbeitgebern vorzunehmen ist, deren in das Unternehmen investiertes Eigenkapital einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, besteht kein Anlass (vgl.  - Rn. 39, AP BetrAVG § 16 Nr. 71 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 56).

252. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ließ die wirtschaftliche Lage der L B eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum an den Kaufkraftverlust nicht zu. Diese Feststellungen wurden von den Parteien nicht angegriffen; sie sind deshalb nach § 559 Abs. 2 ZPO für den Senat bindend.

263. Auf die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten und ihrer Alleingesellschafterin, der LA Z GmbH, nach dem Anpassungsstichtag kommt es nicht an.

27a) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden. Zwar kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie kann seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften. Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist jedoch, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren. Spätere unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden (vgl.  - Rn. 32 mwN, AP BetrAVG § 16 Nr. 81 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 62).

28b) Der Kläger hat nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass zum Anpassungsstichtag vorhersehbar war, dass die persönlich haftende Gesellschafterin der L B, die L B Verwaltungs-GmbH, am als übertragender Rechtsträger auf die Beklagte verschmolzen werden und das Gesellschaftsvermögen der L B mit allen Aktiva und Passiva auf die Beklagte übergehen würde und dass die Beklagte und die LA Z GmbH am rückwirkend zum einen Gewinnabführungsvertrag schließen würden. Deshalb kann auch offenbleiben, ob der zwischen der Beklagten und der LA Z GmbH am rückwirkend zum abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der LA Z GmbH rechtfertigen könnte.

294. Die L B war auch nicht deshalb verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum an den Kaufkraftverlust anzupassen, weil sie sich die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft LA S.A. im Wege des Berechnungsdurchgriffs zurechnen lassen musste. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff liegen nicht vor.

30a) Die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG trifft dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen hat; auf seine wirtschaftliche Lage kommt es an. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Die Konzernverbindung allein ändert weder etwas an der Selbstständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen ( - Rn. 31, BAGE 135, 344).

31Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG allein die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners maßgeblich ist, gilt jedoch im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs. Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Unternehmen, welches selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage ist, gleichwohl eine Anpassung des Ruhegeldes vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens dies zulässt. Der Berechnungsdurchgriff setzt einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht/Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner voraus. Wird der Versorgungsschuldner auf Betriebsrentenanpassung in Anspruch genommen, weil ihm die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens oder der Konzernobergesellschaft zugerechnet wird, so muss er die Möglichkeit haben, diese höhere Belastung an das andere Unternehmen weiterzugeben, sich also bei diesem zu refinanzieren ( - Rn. 32, BAGE 135, 344). Dadurch wird sichergestellt, dass die Betriebsrentenanpassungen nicht - entgegen § 16 BetrAVG - aus der Vermögenssubstanz erbracht werden müssen. Der Berechnungsdurchgriff ändert nichts an der Schuldnerstellung. Schuldner der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG bleibt auch beim Berechnungsdurchgriff der Versorgungsschuldner.

32aa) Für einen Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG galten nach der Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom (- 3 AZR 244/91 - zu III 2 der Gründe, BAGE 70, 158; vgl. auch  - zu III 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 29 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 26) ua. die Grundsätze entsprechend, die der BGH zur Haftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens aufgestellt hatte (vgl. etwa  - AP AktG § 303 Nr. 5; - II ZR 265/91 - [TBB] BGHZ 122, 123; - II ZR 135/90 - [Video] BGHZ 115, 187; - II ZR 167/88 - [Tiefbau] BGHZ 107, 7; - II ZR 275/84 - [Autokran] BGHZ 95, 330). Zwischen der konzernmäßigen Durchgriffshaftung und der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers bei der Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG bestand ein Zusammenhang. Haftete beim qualifiziert faktischen Konzern die Konzernobergesellschaft, dann musste diese mit ihrer wirtschaftlichen Lage der Tochtergesellschaft gegenüber auch für deren Anpassungsschulden einstehen.

33bb) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa  - zu A II 3 der Gründe mwN, BAGE 105, 72) kam ein Berechnungsdurchgriff nur in Betracht, wenn eine verdichtete Konzernverbindung vorlag und sich außerdem konzerntypische Gefahren verwirklicht hatten. Eine verdichtete Konzernverbindung wurde angenommen, wenn entweder ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag bestand (Vertragskonzern) oder wenn ein konzernangehöriges Unternehmen die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hatte (qualifiziert faktischer Konzern). Von der Verwirklichung einer konzerntypischen Gefahr wurde ausgegangen, wenn die Leitungsmacht vom herrschenden Unternehmen in einer Weise ausgeübt worden war, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die Interessen anderer dem Konzern angehörender Unternehmen oder seine eigenen Interessen in den Vordergrund gestellt hatte und dadurch die mangelnde Leistungsfähigkeit des beherrschten Unternehmens verursacht wurde (vgl. etwa  - aaO).

34cc) Es kann offenbleiben, ob die vom Senat entwickelten Grundsätze zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern durch die neuere, inzwischen überholte Rechtsprechung des BGH zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern (vgl. dazu  - BB 2005, 286 = DB 2005, 328; - II ZR 300/00 - BGHZ 151, 181; - II ZR 196/00 - BGHZ 150, 61; - II ZR 178/99 - [Bremer Vulkan] BGHZ 149, 10) bereits grundsätzlich in Frage gestellt wurden. Nach dieser Rechtsprechung folgte der Schutz der abhängigen Gesellschaft gegenüber Eingriffen ihrer Gesellschafter nicht mehr dem konzernrechtlichen Haftungssystem des Aktiengesetzes; an die Stelle der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern nach den §§ 302, 303 AktG analog war die verschuldensunabhängige und unbegrenzte „Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs“ getreten. Die Gesellschafter mussten bei einem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen oder bei einer Vereitelung von Geschäftschancen auf die Belange der Gesellschaft angemessen Rücksicht nehmen. An einer solchen Rücksichtnahme fehlte es, wenn die Gesellschaft infolge des Eingriffs eines Gesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen konnte. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH mussten die Gesellschafter den Gläubigern für diejenigen Nachteile einstehen, die diesen dadurch entstanden waren, dass die Gesellschafter der Gesellschaft offen oder verdeckt Vermögen entzogen hatten, welches diese zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigte. Nach der Auffassung des BGH hatten die Gesellschafter, indem sie in das der Gesellschaft überlassene und als Haftungsgrundlage erforderliche Vermögen eingegriffen und dadurch die Gesellschaft in die Lage gebracht hatten, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr (vollständig) erfüllen zu können, die Rechtsform der GmbH missbraucht. Da die aus diesem Verhalten der Gesellschafter resultierenden Ansprüche in erster Linie der Gesellschaft zustanden, hatte sich an der Konzeption der Haftung als Innenhaftung nichts geändert.

35dd) Nachdem der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom (- II ZR 3/04 - [TRIHOTEL] BGHZ 173, 246) dieses von ihm im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Haftungskonzept aufgegeben hat, lassen sich die vom Senat aufgestellten Grundsätze zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern nicht mehr aufrechterhalten. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH setzt die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens voraus. Nach der Auffassung des BGH handelt es sich um einen besonderen Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die Existenzvernichtungshaftung ist damit nunmehr eine Verhaltenshaftung des Gesellschafters. Schutzobjekt des neuen Haftungskonzepts ist das Gesellschaftsvermögen als solches. Geschützt wird das Überlebensinteresse der Gesellschaft gegen Eingriffe der Gesellschafter. Die Haftung des Gesellschafters setzt ua. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung voraus. Die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB erfordert einen kompensationslosen „Eingriff“ in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen. Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem ergänzende, aber deutlich darüber hinausgehende Entnahmesperre wirken; sie soll die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder -vertiefende „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft ausgleichen (vgl.  - [GAMMA] BGHZ 176, 204).

36Vor dem Hintergrund dieser Änderung der Rechtsprechung des BGH ist für einen vom Senat auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des BGH zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern entwickelten Berechnungsdurchgriff kein Raum mehr. Infolge der Änderung der Rechtsprechung des BGH fehlt es nunmehr an dem für einen Berechnungsdurchgriff erforderlichen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht/Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner.

37b) Danach ist ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der LA S.A. nicht deshalb veranlasst, weil die LA S.A. die L B nach deren Integration in den LA-Konzern durch den Verkauf des Vertriebs, des Lagers und der Patente, durch die Einstellung der Produktion und die Entlassung sämtlicher Mitarbeiter in eine Rentnergesellschaft „umgewandelt“ und später auf die nicht leistungsfähige Beklagte verschmolzen hat. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf der Basis der neuen Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff liegen nicht vor. Danach setzt die Verhaltenshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB ua. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft bzw. deren Vertiefung voraus ( - [TRIHOTEL] BGHZ 173, 246). Die L B war zu keinem Zeitpunkt von der Insolvenz bedroht.

38c) Der Kläger kann einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der LA S.A. auch nicht mit Erfolg auf einen entsprechenden Vertrauenstatbestand stützen.

39aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann es im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG auf die wirtschaftliche Lage eines anderen Unternehmens als des Versorgungsschuldners dann ankommen, wenn dieses Unternehmen Erklärungen abgegeben oder Verhaltensweisen gezeigt hat, die ein schützenswertes Vertrauen des Versorgungsempfängers darauf begründen können, das Unternehmen werde sicherstellen, dass die Versorgungsverbindlichkeiten durch den Versorgungsschuldner ebenso erfüllt werden wie die Ansprüche der eigenen Betriebsrentner. In einem solchen Fall muss die Betriebsrente auch bei einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners an den Kaufkraftverlust angepasst werden, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Unternehmens eine Anpassung gestattet (vgl.  - Rn. 47 mwN, BAGE 135, 344; - 3 AZR 56/95 - zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 83, 1; - 3 AZR 910/03 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 78, 87).

40bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihm gegenüber ein Vertrauenstatbestand dahin geschaffen wurde, die LA S.A. werde sicherstellen, dass die L B seine Betriebsrente auch bei einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage nach § 16 BetrAVG insoweit anpasst, als die wirtschaftliche Lage der LA S.A. eine Anpassung erlaubt. Die Vereinbarung im Anstellungsvertrag vom über die Anrechnung der Betriebszugehörigkeit seit dem genügt hierzu nicht. Diese Vereinbarung konnte allenfalls Auswirkungen auf die Höhe der von der L B nach der Leistungsrichtlinie von Dezember 1954 geschuldeten Betriebsrente haben, sie besagt aber nichts darüber, ob für Anpassungsforderungen bei schlechter wirtschaftlicher Lage der L B die Konzernobergesellschaft eintritt.

415. Ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der L GmbH & Co. KG, D, kommt nicht in Betracht, da diese seit dem nicht mehr Kommanditistin der L B war und eine konzernrechtliche Verflechtung der L B und der L GmbH & Co. KG, D, vom Kläger ebenso wenig dargelegt wurde wie die Schaffung eines für einen Berechnungsdurchgriff erforderlichen Vertrauenstatbestandes.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
AG 2013 S. 524 Nr. 13
BB 2013 S. 1267 Nr. 21
DB 2013 S. 1368 Nr. 24
DB 2013 S. 16 Nr. 20
DStR 2013 S. 1675 Nr. 32
GmbHR 2013 S. 747 Nr. 14
NJW 2013 S. 8 Nr. 23
NWB-Eilnachricht Nr. 33/2013 S. 2617
ZIP 2013 S. 1041 Nr. 21
LAAAE-35537