BGH Beschluss v. - VII ZR 39/12

Grundsatz der Waffengleichheit: Gelegenheit zur Äußerung der beweisbelasteten Partei über ein Vier-Augen-Gespräch

Gesetze: Art 6 Abs 1 MRK, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 141 ZPO, § 448 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 13 U 104/11vorgehend LG Hildesheim Az: 10 O 38/10

Gründe

I.

1Die Klägerin, die im Frühjahr 2008 bei drei Bauvorhaben als Nachunternehmerin für die Beklagte tätig geworden ist, verlangt Restwerklohn. Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob eine Abrechnung nach Stundenlohnarbeiten (so die Klägerin) oder nach Einheitspreisen (so die Beklagte) vereinbart worden ist.

2Das Landgericht, welches mehrere Zeugen vernommen hat, unter anderem den Bruder des damaligen Geschäftsführers und heutigen Liquidators der Klägerin, den Zeugen S. B., hat eine Stundenlohnvereinbarung aufgrund von Indizien als erwiesen angesehen. Es hat der Klage weitgehend, nämlich in Höhe von 219.271 €, stattgegeben.

3Die Berufung der Beklagten war überwiegend erfolgreich. Das Berufungsgericht hat nach Anhörung eines Mitgeschäftsführers der Beklagten eine Stundenlohnvereinbarung als nicht erwiesen erachtet. Den von der Beklagten im Übrigen eingeräumten Restwerklohnanspruch in Höhe von 39.220,40 € hat das Berufungsgericht aufgrund einer Gegenforderung der Beklagten in Höhe 13.249,32 € auf 25.971,08 € nebst Zinsen vermindert.

4Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin einen Restwerklohnanspruch in Höhe von 193.299,92 € nebst Zinsen weiter.

II.

5Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat überwiegend Erfolg.

61. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe eine Stundenlohnvereinbarung nicht bewiesen. Zwar spreche eine Anzahl von Indizien für eine Stundenlohnvereinbarung, namentlich die abgezeichneten Stundenzettel und Stundenaufstellungen. Die Indizien seien aber nicht ausreichend. Dies beruhe vor allem auf den plausiblen Erklärungen des Mitgeschäftsführers der Beklagten bei seiner Anhörung in zweiter Instanz. Die Klägerin habe die Stundenzettel zur Abrechnung für ihre eigenen Leute benötigt. Danach sei es zumindest zweifelhaft, ob die Parteien die von der Klägerin behauptete Abrechnungsweise vereinbart hätten, wie sie die Klägerin behauptet.

72. Das Berufungsurteil beruht überwiegend auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb insoweit aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.

8a) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil es seine Beweiswürdigung vor allem auf die Angaben des von ihm persönlich gehörten Mitgeschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung gestützt hat. Den damaligen Geschäftsführer und heutigen Liquidator der Klägerin hat das Berufungsgericht hingegen nicht gehört. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, war kein Zeuge bei den Vereinbarungen der Parteien zugegen. Zur Gewährleistung der "Waffengleichheit", wie er aus dem Gleichheitssatz, dem Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet werden kann, hätte das Berufungsgericht der Klägerin Gelegenheit geben müssen, ihre Darstellung des Gesprächs im Rahmen einer beiderseitigen Parteianhörung auf der Grundlage des § 141 ZPO oder des § 448 ZPO in den Prozess einzubringen (vgl. , NJW-RR 2006, 61 unter II 3 b; vom - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 16; vom - IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889 Rn. 19). Das Verfahren des Berufungsgerichts stellt sich deshalb als Gehörs-verletzung dar, weil das Gericht den Vortrag der Klägerin als nicht erwiesen angesehen hat, ohne zuvor auch ihren Geschäftsführer bzw. Liquidator zu hören.

9b) Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es auch den früheren Geschäftsführer und jetzigen Liquidator der Klägerin gehört hätte.

10c) Nach dieser Maßgabe hat die Beschwerde in Höhe von 180.050,60 € Erfolg (193.299,92 € minus 13.249,32 €).

113. Der Senat hat von der durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit auch zu prüfen, ob angesichts des Umstandes, dass lediglich Arbeitsleistungen erbracht worden sind, ein Werkvertrag vorliegt.

III.

Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Kniffka                          Eick                        Halfmeier

                Kosziol                     Jurgeleit

Fundstelle(n):
NAAAE-35211