BGH Beschluss v. - 3 StR 56/13

Instanzenzug:

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2 Die durch die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Verfahrensrüge hat sich als unbegründet erwiesen.

3 Die Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4 Die sachverständig beratene Strafkammer hat von einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt schon deshalb abgesehen, weil ein Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln nicht vorliege. Zwar habe der Angeklagte "in der Vergangenheit" häufig Alkoholmissbrauch betrieben. Es fehle aber an einer "fortgeschrittenen Abhängigkeit von Substanzen". Bis zur Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt und danach sei weder eine Suchtbehandlung erforderlich gewesen noch seien ihm Medikamente zur Behandlung etwaiger Suchterscheinungen verordnet worden.

5 Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat. Ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist nicht nur - wovon die Strafkammer ersichtlich ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden (erheblichen) Abhängigkeit zu bejahen; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 194/07, [...] Rn. 8; vom - 3 StR 429/10, [...] Rn. 4 und vom - 3 StR 235/11, [...] Rn. 10). Dass eine derartige Neigung beim Angeklagten besteht, liegt nach den getroffenen Feststellungen nahe. Danach konsumierte der Angeklagte bereits als Jugendlicher ab und zu Alkohol, bei Feiern auch größere Mengen, teilweise bis zum sogenannten Filmriss. In den letzten Jahren stieg sein Alkoholkonsum an; solche Feiern fanden nun bis zu vier- oder fünfmal in der Woche statt. Ähnlich verhielt es sich mit dem Konsum illegaler Drogen (Kokain, Amphetamin, Ecstasy), den er praktizierte, "um länger feiern zu können". Im Vollzug der zur Zeit vollstreckten Freiheitsstrafe unterzieht sich der Angeklagte einer Alkoholtherapie.

6 Außerdem hat die Strafkammer die Anordnungsvoraussetzungen des § 64 StGB für nicht gegeben erachtet, weil die Taten des Angeklagten nicht aus einer Substanzproblematik bzw. Abhängigkeitserkrankung "resultieren". Eine Begründung hierfür enthalten die Urteilsausführungen nicht. Diesen kann insbesondere nicht entnommen werden, ob sich die Strafkammer bewusst war, dass ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen ist, wenn der Hang zum Rauschmittelgenuss - neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (, [...] Rn. 12). Dass ein möglicherweise vorliegender Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum für die Taten zumindest mitursächlich gewesen sein kann, ist aber jedenfalls nicht auszuschließen. Zwar konnte die Strafkammer das Vorliegen einer durch Drogen oder Alkohol bedingten erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht feststellen. Sie ist jedoch davon ausgegangen, dass der Angeklagte, der auch früher abgeurteilte Körperverletzungen unter Alkoholeinfluss begangen hatte, bei den Taten aufgrund Alkohol- und Drogenkonsums enthemmt war. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es aber nicht darauf an, dass eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (, NStZ-RR 2003, 41; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 14).

7 Über die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (, BGHSt 38, 362).

Fundstelle(n):
JAAAE-34907