Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. - S 2140 A – 4 – St 213

Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen; Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 222, 227 AO)

Bezug: BStBl 2003 I, 240

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen wie folgt Stellung:

I. Sanierung

1. Begriff

1 Eine Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (= unternehmensbezogene Sanierung). Das gilt auch für außergerichtliche Sanierungen, bei denen sich die Gesellschafterstruktur des in die Krise geratenen zu sanierenden Unternehmens (Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) ändert, bei anderen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung von Kapitalgesellschaften sowie für Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.

2. Einstellung des Unternehmens/Übertragende Sanierung

2 Wird das Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne dieser Regelung nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen Gründen (z. B. um einen Sozialplan zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ermöglichen) erlassen werden. Keine begünstigte Sanierung ist gegeben, soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Im Fall der übertragenden Sanierung (vgl. BStBl II 1986, 672) ist von einem betrieblichen Interesse auch auszugehen, soweit der Schuldenerlass erforderlich ist, um das Nachfolgeunternehmen (Auffanggesellschaft) von der Inanspruchnahme für Schulden des Vorgängerunternehmens freizustellen (z. B. wegen § 25 Abs. 1 HGB).

II. Sanierungsgewinn

3 Ein Sanierungsgewinn ist die Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden.

Schulden werden insbesondere erlassen

  • durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger auf eine Forderung verzichtet (Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB) oder

  • durch ein Anerkenntnis, dass ein Schuldverhältnis nicht besteht (negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB, BStBl 1998, II 537).

4 Voraussetzungen für die Annahme eines im Sinne dieses BMF-Schreibens begünstigten Sanierungsgewinns sind die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger. Liegt ein Sanierungsplan vor, kann davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

5 Unter den in Rn. 4 genannten Voraussetzungen führt auch der Forderungsverzicht eines Gläubigers gegen Besserungsschein zu einem begünstigten Sanierungsgewinn. Tritt der Besserungsfall ein, so dass der Schuldner die in der Besserungsvereinbarung festgelegten Zahlungen an den Gläubiger leisten muss, ist der Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben entsprechend den Rechtsgrundsätzen des § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Insoweit verringert sich allerdings nachträglich der Sanierungsgewinn. Die vor Eintritt des Besserungsfalls auf den nach Verlustverrechnungen verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist zunächst über den für den Eintritt des Besserungsfalles maßgeblichen Zeitpunkt hinaus zu stunden (vgl. Rn. 7 ff.).

6 Wird der Gewinn des zu sanierenden Unternehmens gesondert festgestellt, erfolgt die Ermittlung des Sanierungsgewinns i. S. der Rn. 3 bis 5 durch das Betriebsfinanzamt. Das sich daran anschließende Stundungs- und Erlassverfahren (Rn. 7 ff.) erfolgt durch das jeweilige Wohnsitzfinanzamt. Auf Beispiel 2 in Rn. 8 wird hingewiesen.

III. Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen

7 Zum ist die Insolvenzordnung – InsO – vom ( BGBl 1994, I 2866, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom ( BGBl 2001 I, 3574) in Kraft getreten. Die InsO hat die bisherige Konkurs- und Vergleichsordnung (alte Bundesländer) sowie die Gesamtvollstreckungsordnung (neue Bundesländer) abgelöst. Die InsO verfolgt als wesentliche Ziele die bessere Abstimmung von Liquidations- und Sanierungsverfahren, die innerdeutsche Vereinheitlichung des Insolvenzrechts, die Förderung der außergerichtlichen Sanierung, die Stärkung der Gläubigerautonomie sowie die Einführung einer gesetzlichen Schuldenbefreiung für den redlichen Schuldner. Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG (zuletzt i. d. F. der Bekanntmachung vom , BGBl 1997, I 821) ab dem steht mit der neuen InsO im Zielkonflikt.

8 Die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn i. S. der Rn. 3 bis 5 bedeutet für den Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte. Die entsprechende Steuer ist daher auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen (Satz 3 ff.) und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit (AEAO zu § 240 Nr. 6a) zu stunden (vgl. Rn. 9 bis 11). Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen (insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Abs. 4, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG) für die Anwendung dieses BMF-Schreibens im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Die Verluste/negativen Einkünfte sind insoweit aufgebraucht; sie gehen daher nicht in den nach § 10d Abs. 4 EStG festzustellenden verbleibenden Verlustvortrag oder den nach § 15a Abs. 4 und 5 EStG festzustellenden verrechenbaren Verlust ein. Das gilt auch bei späteren Änderungen der Besteuerungsgrundlagen, z. B. aufgrund einer Betriebsprüfung, sowie für später entstandene Verluste, die im Wege des Verlustrücktrags berücksichtigt werden können; insoweit besteht bei Verzicht auf Vornahme des Verlustrücktrags (§ 10d Abs. 1 Sätze 7 und 8 EStG) kein Anspruch auf die Gewährung der Billigkeitsmaßnahme. Die Festsetzung nach § 163 AO und die Stundung nach § 222 AO sind entsprechend anzupassen. Sollte der Steuerpflichtige sich gegen die vorgenommene Verlustverrechnung im Festsetzungsverfahren wenden und die Verrechnung mit anderen Einkünften oder die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 EStG) begehren, ist darin die Rücknahme seines Erlassantrags zu sehen mit der Folge, dass die Billigkeitsmaßnahme keine Anwendung findet.

Beispiel 1:
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Einzelunternehmen;
Gewinn aus Gewerbebetrieb
 
 
1.500.000 €
(darin enthalten: Verlust aus
– 500.000 €
 
 
laufendem Geschäft
 
 
 
Sanierungsgewinn
2.000.000 €)
 
 
Verrechenbare Verluste/negative
 
 
 
Einkünfte:
 
 
 
Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V)
 
– 250.000 €
 
Verlustvortrag aus dem Vorjahr
 
 
 
aus V+V
 
– 350.000 €
 
aus Gewerbebetrieb
 
– 600.000 €
 
aus einem
 
– 100.000 €
 
Verlustzuweisungsmodell i. S. d. § 2b EStG
 
 
 

Der Unternehmer beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern.

Es ergibt sich folgende Berechnung:


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Sanierungsgewinn
 
2.000.000 €
./. Verlust aus laufendem Geschäft
– 500.000 €
 
./. Negative Einkünfte aus V+V
– 250.000 €
 
./. Verlustvortrag aus dem Vorjahr (insgesamt)
– 1.050.000 €
 
Nach Verrechnung mit den Verlusten/negativen
200.000 €
 
Einkünften verbleibender zu versteuernder
 
 
Sanierungsgewinn
 
 

Bei Vorliegen der in Rn. 3 bis 5 genannten Voraussetzungen ist die Steuer auf diesen verbleibenden Sanierungsgewinn unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit zu stunden.

Aus dem folgenden Veranlagungszeitraum ergibt sich ein Verlustrücktrag, der sich wie folgt zusammensetzt:


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Negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb
 
– 80.000 €
Negative Einkünfte nach § 2b EStG
– 20.000 €
 
 
– 100.000 €
 

Der Verlustrücktrag ist vorrangig mit dem im VZ 01 nach Verlustverrechnung versteuerten Sanierungsgewinn zu verrechnen. Es ergibt sich folgende Berechnung:


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Im VZ 01 versteuerter Sanierungsgewinn
 
200.000 €
./. Verlustrücktrag
– 100.000 €
 
Verbleibender zu versteuernder Sanierungsgewinn
100.000 €
 

Die Stundung ist entsprechend anzupassen.

Beispiel 2:

Die AB-KG (Komplementär A, Gewinn- und Verlustbeteiligung 75 %, Kommanditist B, Gewinn- und Verlustbeteiligung 25 %) erzielt im VZ 02 neben einem Verlust aus dem laufenden Geschäft i. H. v. 500.000 € einen Sanierungsgewinn i. H. v. 2.000.000 €. Aus der Beteiligung an der C-KG werden dem B negative Einkünfte i. S. d. § 2b EStG i. H. v. 100.000 € zugerechnet. B beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern.

Gesonderte Feststellung der AB-KG:


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Einkünfte aus Gewerbebetrieb
(2.000.000 € – 500.000 € =)
 
 
1.500.000 €
davon B (25 %)
 
375.000 €
 
(nachrichtlich: Sanierungsgewinn
2.000.000 €
 
 
davon B (25 %)
500.000 €)
 
 

Das Betriebsfinanzamt stellt den Gewinn (1.500.000 €) gesondert fest und nimmt die Verteilung auf die einzelnen Gesellschafter vor. Zusätzlich teilt es nachrichtlich die Höhe des Sanierungsgewinns (2.000.000 €) sowie die entsprechend anteilige Verteilung auf die Gesellschafter mit. Darüber hinaus teilt es mit, dass es sich um einen Sanierungsgewinn im Sinne der Rn. 3 bis 5 dieses Schreibens handelt.

Einkommensteuerveranlagung des B:


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Einkünfte aus Gewerbebetrieb
aus dem Anteil an der AB-KG
 
 
375.000 €
(darin enthalten:
500.000 €)
 
 
Sanierungsgewinn
 
 
 
./. negative Einkünfte i. S. d. § 2b
 
– 100.000 €
 
 
 
 
Nach Verrechnung mit den
 
275.000 €
 
Verlusten/negativen Einkünften
 
 
 
verbleibender zu versteuernder
 
 
 
Sanierungsgewinn
 
 
 

Das Wohnsitzfinanzamt stundet unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit die anteilig auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn von 275.000 € entfallende Steuer. Soweit B in späteren VZ positive Einkünfte aus der Beteiligung an der C-KG erzielt, sind diese bei der Veranlagung anzusetzen; eine Verrechnung mit den negativen Einkünften i. S. d. § 2b EStG aus VZ 02 ist nicht möglich, da diese bereits mit dem Sanierungsgewinn steuerwirksam verrechnet worden sind.

9 Zahlungen auf den Besserungsschein nach Rn. 5 vermindern nachträglich den Sanierungsgewinn. Entsprechend verringert sich die zu stundende/zu erlassende Steuer.

Beispiel 3:

VZ 01


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Gläubigerverzicht gegen
Besserungsschein auf
eine Forderung i. H. v.
 
 
1.500.000 €
Sanierungsgewinn nach
 
1.000.000 €
 
Verlustverrechnungen
 
 
 
Laufender Gewinn
 
0 €
 
Bei einem angenommenen
250.000 €
 
 
Steuersatz i. H. v. 25 % ergibt sich
 
 
 
eine zu stundende Steuer von
 
 
 

VZ 02


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Laufender Gewinn
 
 
300.000 €
Zahlung an den Gläubiger
 
100.000 €
 
aufgrund Besserungsschein i. H. v.
 
 
 
ist keine Betriebsausgabe.
 
 
 
Daher bleibt es bei einem zu
 
300.000 €
 
versteuernden Gewinn i. H. v.
 
 
 
Sanierungsgewinn aus VZ 01
 
1.000.000 €
 
./. Zahlung auf Besserungsschein
 
– 100.000 €
 
Verringerter Sanierungsgewinn
 
900.000 €
 
Auf den verringerten
225.000 €
 
 
Sanierungsgewinn ergibt sich noch
eine zu stundende Steuer i. H. v. 25
% von 900.000 € =
 
 
 

10 Zum Zweck der Überwachung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten sowie der Ausnutzung des Verlustrücktrags ist die Stundung bis zur Durchführung der nächsten noch ausstehenden Veranlagung, längstens bis zu einem besonders zu benennenden Zeitpunkt auszusprechen. Erforderlichenfalls sind entsprechende Anschlussstundungen auszusprechen. Die Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten mit Blick auf den Sanierungsgewinn ist in geeigneter Form durch das Finanzamt aktenkundig festzuhalten.

11 Bei Forderungsverzicht gegen Besserungsschein (Rn. 5, 9) ist die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer solange zu stunden, wie Zahlungen auf den Besserungsschein geleistet werden können. Während dieses Zeitraums darf auch kein Erlass ausgesprochen werden.

12 Nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuer ist die Steuer nach § 227 AO zu erlassen (Ermessensreduzierung auf Null). Ggf. erhobene Stundungszinsen sind nach § 227 AO zu erlassen, soweit sie auf gestundete Steuerbeträge entfallen, die nach Satz 1 erlassen worden sind.

IV. Anwendungsregelung

13 Dieses BMF-Schreiben ist auf Sanierungsgewinne i. S. der Rn. 3 bis 5 in allen noch offenen Fällen anzuwenden, für die die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG i. d. F. der Bekanntmachung vom ( BGBl 1997 I, 821) nicht mehr gilt. Eine Stundung oder ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen bleibt unberührt.

V. Aufhebung der Mitwirkungspflichten

14 Die mit ( BStBl 2002, I 61) vorgesehenen Mitwirkungspflichten des Bundesministeriums der Finanzen gelten nicht für Fälle der Anwendung dieses BMF-Schreibens. Allerdings sind diese Fälle, soweit sie die im genannten Betrags- oder Zeitgrenzen übersteigen, dem Bundesministerium der Finanzen mitzuteilen.

VI. Gewerbesteuerliche Auswirkungen

15 Für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig. Spricht die Gemeinde Billigkeitsmaßnahmen aus, ist die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) entsprechend zu mindern.

Zusatz der OFD:

Anwendbarkeit des vorstehenden BMF-Schreibens

Mit , BFH/NV 2012, 1135) hat der BFH die Auffassung vertreten, es sei zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen durch Forderungsverzicht von Gläubigern allein wegen sachlicher Unbilligkeit aufgrund des vorstehenden BMF-Schreibens beansprucht werden könne, nachdem der Gesetzgeber die früher in § 3 Nr. 66 EStG vorgesehene Steuerfreiheit abgeschafft habe.

Diese Auffassung wird von der Verwaltung nicht geteilt, das vorstehende BMF-Schreiben ist daher weiterhin anzuwenden.

Fehlende Sanierungsbedürftigkeit

Mit Urteil vom hat das FG Münster (EFG 2011, 644) entschieden, dass von fehlender Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens auszugehen sei, wenn vor und nach dem Schuldenerlass eine durchgängig positive Ertragslage bestehe. Die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer könne demnach zutreffend erhoben werden, soweit die unternehmerische Fehlentwicklung auf dem Einsatz betrieblicher Mittel für die Anschaffung eines privaten Wirtschaftsguts beruhe und der Unternehmer dieses Wirtschaftsgut nicht zur Sanierung des Unternehmens einsetze.

Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (Az. X R 39/10). Entsprechende Einsprüche ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 3 AO, Aussetzung der Vollziehung kann gewährt werden.

Sanierungsabsicht

Sie ist im Allgemeinen zu bejahen, wenn sich mehrere Gläubiger am Erlass beteiligen. Höhere Anforderungen gelten für den Fall, dass nur ein Gläubiger seine Forderungen erlassen hat. In diesen Fällen ist die Sanierungsabsicht besonders darzulegen und zu prüfen.

Nach dem besteht keine Sanierungsabsicht, wenn lediglich der Hauptgläubiger im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung seine Schulden erlässt, die Bank, gegenüber der nicht unerhebliche Verbindlichkeiten bestehen, dagegen nicht auf die Erfüllung ihrer Forderungen verzichtet und der Hauptgläubiger nach dem Schulderlass seine Geschäftsbeziehungen nicht fortführt und damit kein Interesse am Fortbestand des Schuldners zeigt.

Berechnung der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Einkommensteuer

Hierzu bitte ich Folgendes zu beachten:

Zunächst erfolgt eine vorrangige Verrechnung sämtlicher nach Maßgabe der Rn. 8 des vorstehenden BMF-Schreibens zur Verfügung stehender Verluste und negativer Einkünfte mit dem Sanierungsgewinn, und zwar unabhängig von Verlustausgleichs- und -verrechnungsbeschränkungen.

Die auf den danach noch verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Einkommensteuer ist nicht durch eine Verhältnisrechnung zu ermitteln, sondern durch Gegenüberstellung des Steuerbetrages, der sich unter Einbeziehung des verbleibenden Sanierungsgewinns ergibt, und des Steuerbetrages, der ohne Einbeziehung dieses Sanierungsgewinns anfällt.

Beispiel:
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Sanierungsgewinn (§ 15 EStG)
 
60.000 €
Lfd. Gewinn (§ 15 EStG)
20.000 €
 
Sonstige Einkünfte
70.000 €
 
Summe der Einkünfte
150.000 €
 
mit dem Sanierungsgewinn „verrechenbare
Verluste” (z. B. vortragsfähiger Verlust nach § 10d EStG)
– 50.000 €
 


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Einkünfte unter Berücksichtigung des um
sämtliche Verluste gekürzten Sanierungsgewinns
(60.000 – 50.000 + 20.000 + 70.000)
 
100.000 €
Einkünfte ohne Einbeziehung des um sämtliche
90.000 €
 
Verluste gekürzten Sanierungsgewinns (20.000 + 70.000)
 
 

Die Differenz der auf der Grundlage der Beträge von 100.000 € und 90.000 € ermittelten Einkommensteuer stellt die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer dar.

Sachliche Billigkeitsgründe

Des weiteren ist zu beachten, dass es sich bei den Billigkeitsmaßnahmen zu Sanierungsgewinnen um solche aus sachlichen Gründen handelt und sie daher nicht davon abhängig sind, dass Zahlungstermine eingehalten und künftig fällig werdende Steuern pünktlich entrichtet werden. (Diese Voraussetzungen sind nur bei Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen Gründen unter dem Gesichtspunkt der Stundungs-/Erlasswürdigkeit zu prüfen)

Ich bitte daher, die Stundungsverfügungen entsprechend abzuändern.

Forderungsverzicht durch GmbH-Gesellschafter

Bei einem Darlehensverzicht durch einen Gesellschafter liegt ein begünstigter Sanierungsgewinn nur dann vor, wenn der Verzicht eigenbetrieblich – und nicht gesellschaftsrechtlich – veranlasst ist und wenn neben dem Gesellschafter auch unbeteiligte Dritte Darlehensverzichte aussprechen oder anderweitige Sanierungsbeiträge leisten. Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist dagegen auch dann auszugehen, wenn das Darlehen von vorne herein als sogen. „Finanzplandarlehen” ausgereicht wurde.

Für die Frage der Anwendung des Sanierungserlasses ist eine Aufteilung des Darlehensverzichts eines Gesellschafters in einen gesellschaftsrechtlich (für den werthaltigen Teil der Forderung) und einen eigenbetrieblich (für den nicht werthaltigen Teil der Forderung) veranlassten Teil nicht möglich. Vielmehr ist der Verzicht als Ganzes zu sehen und deshalb nur einheitlich als betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst zu beurteilen. Eine Doppelbegünstigung des Darlehensverzichts (als begünstigter Sanierungsgewinn einerseits und als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG) ist damit nicht möglich.

Übernahme von Versorgungsverpflichtungen durch einen Pensions-Sicherungs-Verein

Auf Bundesebene wurde der folgende Sachverhalt erörtert:

Im Rahmen eines außerordentlichen Vergleiches zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens hat der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) auf Dauer die Erfüllung der laufenden Versorgungsleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Versorgungsempfängern übernommen (§ 7 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung {BetrAVG}). Im gleichen Zuge gingen die Rechte und Ansprüche der Versorgungsberechtigten auf den PSVaG über (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG). Diese auf ihn übergegangenen Forderungen erlässt der PSVaG dem Arbeitgeber im Rahmen des Vergleiches.

Es stellt sich die Frage, ob die Gewinnerhöhung, die sich beim Arbeitgeber aus dem Wegfall der bisher passivierten Versorgungsverpflichtungen ergibt, den Begriff des Schulderlasses im Sinne der Rz 3 des vorstehenden BMF-Schreibens erfüllt. Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

Der PSVaG verzichtet auf eine Forderung, die er gegenüber dem Arbeitgeber innehat und auch geltend machen kann (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG). Dieser Forderungserlass ist nicht bereits gesetzlich geregelt bzw. Bestandteil der Insolvenzsicherung nach dem BetrAVG, sondern bedarf einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und PSVaG, die als Erlassvertrag im Sinne der Rz. 3 des o. g. BMF-Schreibens anzusehen ist. Die Tatsache, dass die Versorgungsempfänger in diesem Zusammenhang kein Opfer erbringen, spielt hier keine Rolle, es kommt nur auf das maßgebliche Verhältnis PSVaG-Arbeitgeber an. Auch ist in den Beiträgen, die der Arbeitgeber an den PSVaG erbracht hat bzw. erbringt, keine Gegenleistung für den Schulderlass zu sehen, denn Ziel der gesetzlichen Insolvenzsicherung ist es nicht, die Firma im Insolvenzfall von Verpflichtungen zu befreien, sondern den Anspruch der Versorgungsberechtigten zu sichern. Nur hierfür werden die Beiträge gezahlt.

Verlustverrechnung

Zur Verlustverrechnung nach Rz. 8 des vorstehenden bitte ich zu beachten, dass negative Einkünfte einer Einkunftsquelle des Steuerpflichtigen vorrangig mit einem Sanierungsgewinn desselben Steuerpflichtigen zu verrechnen sind. Erst ein danach eventuell verbleibender Verlust ist innerhalb der Einkunftsart zu verrechnen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten ist lediglich ein (nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich) verbleibender Verlust des einen Ehegatten mit dem Sanierungsgewinn des anderen Ehegatten zu verrechnen.

Getrennte Veranlagung

Bei Ehegatten steht die Wahl der getrennten Veranlagung einer Billigkeitsmaßnahme nicht entgegen.

Zusammentreffen eines Sanierungsgewinns mit einem laufenden Gewinn

Hierbei ist die Verrechnung eines Verlustvortrages nach § 10d Abs. 2 EStG in einem ersten Schritt nach den Vorgaben des § 10d Abs. 2 EStG (Sockelbetrag von 1 Million zzgl. 60 % des 1 Million übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte) vorzunehmen, dieser Verlustvortrag vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen und nur ein danach noch verbleibender steuerpflichtiger Sanierungsgewinn in einem zweiten Schritt über die Grenzen des § 10d Abs. 2 EStG hinaus mit einem ggf. noch bestehenden Verlustvortrag zu verrechnen. Soweit nach der Verrechnung mit dem Sanierungsgewinn noch Verlustvorträge nach § 10d EStG verbleiben, sind diese nur mit dem laufenden Gewinn zu verrechnen, soweit bei Anwendung des § 10d Abs. 2 EStG noch Verrechnungsvolumen verbleibt. Die Verrechnung des Sanierungsgewinns ist dabei auf die Beträge nach § 10d Abs. 2 EStG anzurechnen.

Beispiel:
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Verlustvortrag
18.000.000 €
 
 
Sanierungsgewinn
10.000.000 €
 
 
Laufender
3.000.000 €
 
 
Gewinn
 
 
 
Berechnung
 
 
 
Gewinn (incl. Sanierungsgewinn)
 
13.000.000 €
 
Abzüglich
 
./. 1.000.000 €
1.000.000 €
Sockelbetrag
 
 
 
Restlicher
 
12.000.000 €
 
Gewinn
 
 
 
Davon 60 %
 
./. 7.200.000 €
+ 7.200.000 €
Verbleiben
 
4.800.000 €
 
Regulärer
 
 
8.200.000 €
Verlustabzug
 
 
 
Zusätzlich bis
 
./. 1.800.000 €
+ 1.800.000 €
zur Höhe des
 
 
 
Sanierungsgewinns
 
 
 
z. v. E.
 
3.000.000 €
 
Gesamter
 
 
10.000.000 €
Verlustabzug
 
 
 
Verbleibender
 
 
8.000.000 €
Verlustvortrag
 
 
 

Erzielung eines Verlustes in dem auf das Sanierungsjahr folgenden Jahr

Wird in dem auf das Sanierungsjahr folgenden Jahr ein Verlust erzielt, der auf das Sanierungsjahr zurückzutragen ist, erfolgt der Verlustrücktrag grundsätzlich nach Maßgabe des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG. Der Verlustrücktrag ist vorrangig auf den Sanierungsgewinn anzurechnen und in den Fällen, in denen noch ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn verbleibt, ein über die Grenzen des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG hinausgehender Verlustrücktrag bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorzunehmen, soweit noch Rücktragsvolumen zur Verfügung steht.

Verrechnung mit laufenden Verlusten und Veräußerungsverlusten

Eine Verrechnung von laufenden Verlusten mit Veräußerungsgewinnen ist erst nach der Verrechnung mit Sanierungsgewinnen vorzunehmen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Verrechnung von Sanierungsgewinnen mit Veräußerungsverlusten.

Maßgebender Zeitpunkt

Die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme müssen im Zeitpunkt des Forderungsverzichts durch die Gläubiger und nicht im Zeitpunkt der Entscheidung der Finanzverwaltung über eine Billigkeitsmaßnahme vorliegen.

Zurechnung des Sanierungsgewinns bei Gesellschafterwechsel

Nach Auffassung des ist bei einem Gesellschafterwechsel der Sanierungsgewinn den Neugesellschaftern zuzurechnen, wenn der Teilverzicht der Gläubiger darauf beruht, dass die Neugesellschafter bei gleichzeitigem Ausscheiden der Altgesellschafter der Gesellschaft neue Mittel zur Erfüllung der Vergleichsquote zuführen.

Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt (Az. IV R 38/10). Entsprechende Einsprüche ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO, Aussetzung der Vollziehung kann gewährt werden.

Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. v. - S 2140 A – 4 – St 213

Fundstelle(n):
ZAAAE-32320