Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung begründen keinen Anspruch auf Teilerlass von Grundsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen
Leitsatz
1. Die aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des bzw. im Beitrittsgebiet des bei der Einheitsbewertung sich ergebenden Wertverzerrungen begründen keinen Anspruch auf teilweisen Erlass der Grundsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen i.S. des § 227 AO.
2. Dies gilt auch, soweit die Anwendbarkeit der bewertungsrechtlichen Vorschriften für das Beitrittsgebiet einschließlich der Anknüpfungen an die am bestehenden Wertverhältnisse in dem zu diesem Gebiet gehörenden Teil von Berlin und die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum im übrigen Bundesgebiet einschließlich des ehemaligen Westberlin bei vergleichbaren Grundstücken in Berlin zu unterschiedlich hohen Einheitswerten führen.
Gesetze: AO § 227, BewG § 129
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet und war daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Ob die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, kann auf sich beruhen. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nämlich jedenfalls nicht vor.
2 1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen eines besonders schweren Fehlers zuzulassen. Die Vorentscheidung ist nicht nur nicht grob fehlerhaft; sie erweist sich vielmehr auf der Grundlage der maßgebenden Vorschriften und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als zutreffend.
3 a) Die Entscheidung über den Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 227 der Abgabenordnung ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann.
4 Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Bei der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit müssen grundsätzlich solche Erwägungen unbeachtet bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Andererseits darf sich eine Billigkeitsprüfung nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen (, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, und vom III R 80/07, BFH/NV 2011, 401, Rz 17). Ein Erlass aus sachlichen Gründen kommt danach in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint (, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663, und vom II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486, Rz 33).
5 b) Aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des bzw. im Beitrittsgebiet des ergeben sich bei der Einheitsbewertung Wertverzerrungen. Diese Wertverzerrungen, die der Gesetzgeber durch die langen Hauptfeststellungszeiträume in Kauf genommen hat, sind nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Bewertungsstichtage bis zum hinzunehmen (, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897, und vom II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48).
6 Ein Anspruch auf teilweisen Erlass der Grundsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen kann aus den Wertverzerrungen ebenfalls nicht abgeleitet werden. Es handelt sich dabei um Umstände, die die gesetzlichen Regelungen typischerweise mit sich bringen, die den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwiderlaufen und jedenfalls für den genannten Zeitraum hinzunehmen sind.
7 Dies gilt auch, soweit die Anwendbarkeit der bewertungsrechtlichen Vorschriften für das Beitrittsgebiet einschließlich der Anknüpfung an die am bestehenden Wertverhältnisse (§§ 129 bis 133 des Bewertungsgesetzes) in dem zu diesem Gebiet gehörenden Teil von Berlin und die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum im übrigen Bundesgebiet einschließlich des ehemaligen Westberlin (Art. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom , BGBl I 1970, 1118; vgl. dazu , BFHE 209, 138, BStBl II 2005, 428) bei vergleichbaren Grundstücken in Berlin zu unterschiedlich hohen Einheitswerten führen. Solche Wertunterschiede bringen die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für die Einheitsbewertung typischerweise mit sich; sie können daher einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen. Aus Gründen der Typisierung, die zur Gewährleistung eines praktikablen Verwaltungsvollzugs unabdingbar ist, kommt es dabei nicht auf den Umfang der Wertunterschiede an.
8 2. Da sich die Vorentscheidung somit als zutreffend erweist, ist die Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 697 Nr. 5
FAAAE-31693