Prozesskostenhilfe für Insolvenzverwalter: Durchsetzung von Ansprüchen bei Massekostenarmut
Gesetze: § 207 Abs 1 InsO, § 114 S 1 ZPO
Instanzenzug: OLG Celle Az: 13 W 20/12 Beschlussvorgehend LG Verden Az: 8 O 289/11
Gründe
I.
1Der Antragsteller ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der w. GmbH (Schuldnerin). Er beabsichtigt, den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 7.021 € nebst Zinsen in Anspruch zu nehmen, und hat Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage beantragt, weil die Prozesskosten nicht aus der Insolvenzmasse von 0,64 € aufgebracht werden könnten.
2Das Landgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Antragsteller bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO zur Prozessführung weder verpflichtet noch berechtigt sei. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
3Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
41. Das Beschwerdegericht hat gemeint, das Insolvenzverfahren müsse gemäß § 207 Abs. 1 InsO eingestellt werden, weil die Verfahrenskosten voraussichtlich den Betrag von 4.000 € nicht unterschreiten würden, während der wirtschaftliche Wert der mit der beabsichtigten Klage verfolgten Forderung nur 3.510,50 € betrage. Die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt werde, sei bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO mit zu berücksichtigen. Sie sei jedoch nicht mit ihrem Nennwert anzusetzen, sondern mit ihrem mutmaßlichen Realisationswert, bei dessen Bestimmung die Prozessaussichten, die Werthaltigkeit und die Kosten zu berücksichtigen seien. Diesen habe der Antragsteller selbst mit 50 v.H. angegeben.
52. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
6a) Der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts trifft zu. Die Klage eines Insolvenzverwalters ist nicht schon dann mutwillig im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO, wenn dieser Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, ist das Verfahren einzustellen, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Prozesskostenhilfe für ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht (, NZI 2009, 602 Rn. 4 ff, 8). Forderungen, die im Wege der Klage durchgesetzt werden müssen, sind jedoch grundsätzlich Bestandteil der Insolvenzmasse. Der Eintritt von Massekostenarmut steht der Gewährung von Prozesskostenhilfe daher dann nicht entgegen, wenn der aus der Prozessführung zu erwartende Erlös voraussichtlich ausreicht, um die Massekostenarmut zu beseitigen. Dies hat der Senat nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse entschieden und näher begründet (vgl. , ZIP 2012, 2526 Rn. 9 ff). Bei der Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes ist neben den ohnehin im Rahmen des § 114 ZPO zu bewertenden Erfolgsaussichten außerdem zu erwägen, ob eine stattgebende Entscheidung gegen den Beklagten durchgesetzt werden kann. Falls die Leistungsfähigkeit des Beklagten mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und die Höhe der Klageforderung nicht außer Zweifel steht, ist nach Maßgabe der voraussichtlichen Beitreibbarkeit ein prozentualer Abschlag vorzunehmen ( aaO Rn. 13).
7b) Die Bewertung des Beitreibungsrisikos obliegt dem Tatrichter. Die Begründung, mit welcher das Beschwerdegericht hier einen Abschlag von 50 v.H. vorgenommen hat, ist jedoch unzureichend. Der Antragsteller, auf dessen Ausführungen das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, hat die Forderung nur im Zusammenhang mit der Frage bewertet, ob die Insolvenzgläubiger gehalten seien, einen Vorschuss auf die Prozesskosten zu leisten. Begründet hat er den Abschlag mit dem allgemeinen Prozessrisiko einer Anfechtungsklage sowie dem Umstand, dass es sich bei dem Antragsgegner um eine natürliche Person handelt, also mit abstrakten, nicht auf den zu entscheidenden Fall abgestellten Überlegungen. Das Beschwerdegericht hat mit seiner Bezugnahme auf diesen Teil der Ausführungen des Antragstellers weder die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geprüft noch begründet, warum der Antragsgegner nicht in der Lage sein sollte, gegebenenfalls den nicht geringen, aber auch nicht übermäßig hohen Betrag von etwa 7.000 € (nebst Kosten und Zinsen) an die Masse zu zahlen.
III.
8Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Fundstelle(n):
IAAAE-30895