Abtretung eines aus einer Insolvenzanfechtung folgenden streitigen Rückgewähranspruchs
Leitsatz
Die Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden streitigen Rückgewähranspruchs ist nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig, wenn die Masse als Gegenleistung einen Anspruch auf Auskehrung des hälftigen Erlöses des vom Abtretungsempfänger zu führenden Rechtsstreits erhält.
Gesetze: § 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 143 InsO, § 398 BGB, § 399 BGB
Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 4 U 128/09vorgehend LG Frankenthal Az: 6 O 397/08
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH & Co. oHG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin ist am gegründet worden. Sie besteht aus den Gesellschafterinnen G. GmbH und r. GmbH; die G. GmbH (fortan: GmbH) ist ebenfalls insolvent.
2Der Beklagte ist Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, mit welcher er im Jahre 1985 eine Pensionsvereinbarung getroffen hatte. Die GmbH hatte zur Sicherung des Anspruchs aus dieser Vereinbarung zunächst einen Vertrag über eine Lebensversicherung geschlossen und den Anspruch hieraus an den Beklagten verpfändet. Im Jahre 2005 kündigte der Beklagte namens der GmbH sowie im eigenen Namen den Versicherungsvertrag und ließ den Rückkaufwert auf ein Geldmarktkonto der GmbH überweisen. Einen Teil des Erlöses legte die GmbH in Wertpapieren an. Am verpfändete die GmbH dem Beklagten zur Sicherung des Pensionsanspruchs das Wertpapierdepot sowie das Geldmarktkonto.
3Der Kläger hat die Verpfändung aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht des Verwalters in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH angefochten. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Aufhebung des zu seinen Gunsten begründeten Pfandrechts zuzustimmen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus eigenem Recht des Klägers bestehe mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht; die Abtretung des Anspruchs des Verwalters der GmbH sei unwirksam (NZI 2010, 483). Auf die Revision des Klägers, die ausschließlich den Anspruch aus abgetretenem Recht betraf, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom - IX ZR 91/10, NZI 2011, 486). Dieses hat die Klage erneut abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch aus abgetretenem Recht des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH weiter.
Gründe
4Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. , BGHZ 37, 79, 82).
5Die Revision führt erneut zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Abtretung eines insolvenzanfechtungsrechtlichen Anfechtungsanspruchs sei rechtlich möglich. Im vorliegenden Fall sei sie jedoch insolvenzzweckwidrig und nichtig, weil sie ohne Vereinbarung einer Gegenleistung erfolgt sei. Dass der Kläger den Anspruch auf eigene Kosten geltend machen und der Erlös des Rechtsstreits geteilt werden solle, reiche nicht aus. Die Abtretung sei auch nicht wegen einer vermeintlich unklaren Rechtslage zweckmäßig gewesen. Die beiden beteiligten Insolvenzverwalter seien vielmehr gehalten gewesen, die Rechtslage auf der bekannten und unstreitigen Tatsachengrundlage selbst zu klären.
II.
7Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Abtretung des Anfechtungsanspruchs nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig.
81. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung zur Konkursordnung und zur Insolvenzordnung steht dem Insolvenzverwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den Insolvenzzweck (§ 1 InsO) beschränkt. Deshalb sind solche Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam, welche dem Zweck des Insolvenzverfahrens - der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger - klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht (RGZ 57, 195, 199 f; 63, 203, 213; 76, 244, 249 f; , WM 1955, 312 f; vom - VIII ZR 94/69, WM 1971, 346, 347; vom - III ZR 88/81, ZIP 1983, 589, 590; vom - IX ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326, insoweit in BGHZ 124, 27 nicht abgedruckt; vom - IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360; Beschluss vom - IX ZR 68/06, NZI 2008, 365 Rn. 4 f).
9In der zitierten Grundsatzentscheidung vom (aaO) hat der Senat erwogen, für die Abgrenzung, wann eine Überschreitung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach ist Voraussetzung für die Unwirksamkeit der Handlung des Verwalters außer einer objektiven Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen musste. Mit dem grundsätzlichen Rückgriff auf die Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht könnte den Interessen an einem hinreichenden Schutz der Masse einerseits und an dem gebotenen Vertrauensschutz des redlichen Geschäftspartners andererseits jeweils in angemessener Weise Rechnung getragen werden ( aaO). Erste Voraussetzung des Unwirksamkeitsgrundes der Insolvenzzweckwidrigkeit ist jedenfalls der offensichtliche, ohne weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der Nichtigkeitssanktion können deshalb nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwider laufen (HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 80 Rn. 35). Beispiele sind Schenkungen aus der Masse (RGZ 53, 190, 193), die Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte (RGZ 23, 54, 63; 41, 1, 2) oder die entgeltliche Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld (, NZI 2008, 365). Wirksam sind dagegen Verfügungen des Verwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind ( aaO Rn. 4; vom - III ZR 88/81, ZIP 1983, 589, 590 unter 3a).
102. Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall der Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden Rückgewähranspruchs (vgl. , NZI 2011, 486 Rn. 10). Die Abtretung stand nicht im offensichtlichen Widerspruch zum Zweck des Insolvenzverfahrens der GmbH, deren Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Der Anspruch wurde dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH vom hiesigen Kläger streitig gemacht; er wurde (und wird) überdies auch vom hiesigen Beklagten insgesamt bestritten. Die Entscheidung des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH, dem Kläger die Durchsetzung der Forderung zu überlassen und sich nur eine Erlösbeteiligung vorzubehalten, statt sich sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Beklagten streitig auseinanderzusetzen, entbehrt angesichts dessen nicht jeglicher tatsächlicher und rechtlicher Grundlage. Auf mehr kommt es hier nicht an. Sollten dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH Fehler bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Kläger oder eines von ihm selbst geführten Anfechtungsprozess gegen den Beklagten unterlaufen sein, könnte dies - ein Verschulden vorausgesetzt - zu einer Haftung nach § 60 InsO führen, nicht jedoch zu einer Unwirksamkeit der Abtretung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit.
III.
11Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), welches sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben wird. Der Senat hat Anlass gesehen, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 513 Nr. 10
DB 2013 S. 457 Nr. 9
DB 2013 S. 6 Nr. 9
GmbH-StB 2013 S. 175 Nr. 6
GmbHR 2013 S. 373 Nr. 7
NJW 2013 S. 6 Nr. 12
NJW-RR 2013 S. 610 Nr. 10
WM 2013 S. 471 Nr. 10
ZIP 2013 S. 5 Nr. 9
ZIP 2013 S. 531 Nr. 11
GAAAE-30472