BAG Urteil v. - 4 AZR 345/10

Vertragsauslegung - Vergütungsvereinbarung im öffentlichen Dienst

Gesetze: § 22 Abs 1 S 1 BAT, Anl 1a BAT, § 133 BGB, § 157 BGB

Instanzenzug: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Az: 9 Ca 9125/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Bremen Az: 3 Sa 69/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der nicht tarifgebundene Kläger ist Elektroinstallateurmeister und seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Der bis zum befristete Arbeitsvertrag vom enthielt ua. folgende Bestimmungen:

3Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses nimmt der Kläger elektro- und nachrichtentechnische Aufgaben im Rahmen der Neubauprojekte Grundinstandsetzung Schleusen am Dortmund-Ems-Kanal, Umbau der Verkehrszentrale Bremen und Fernsteuerkonzept Bremen/Fernsteuerung Schleuse Oldenburg wahr.

4Im März 2003 erstellte die Beklagte eine Dienstpostenbeschreibung, nach der zu den Aufgaben des Klägers „Bau und Unterhaltung des Gewässerbettes und der festen Anlagen (Staustufe Bremen, Schleuse Oldenburg, C-Brücke ...)“ sowie „Bau und Unterhaltung der maschinenbautechnischen und elektroenergetischen Teile der Anlagen und Fahrzeuge (Schleuse Oldenburg, C-Brücke ...)“ gehört. Die Anforderungen an den Dienstposten wurden mit „abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung als Elektroingenieur oder gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen“ beschrieben. Gleichzeitig nahm die Beklagte eine Dienstpostenbewertung vor, die die Teilaufgaben des Klägers mit den entsprechenden Zeitanteilen auswies.

5Der Kläger übt diese Tätigkeiten auch weiterhin aus. Die Grundinstandsetzung der Schleusen am Dortmund-Ems-Kanal dauert an.

6Für die Zeit vom September 2002 bis August 2003 erstellte die - damalige - Sachbereichsleiterin gemeinsam mit dem Kläger eine Tätigkeitsbeschreibung, auf deren Grundlage die Parteien einen Änderungsvertrag vom abschlossen, nach dem der Kläger unter Abänderung seines bisherigen Arbeitsvertrages mit Rückwirkung ab in die Vergütungsgruppe IVa BAT eingruppiert sei. Im Folgenden erhielt er auch die entsprechende Vergütung.

Vor Ablauf der Befristung des Arbeitsvertrages Ende August 2005 überprüfte die Beklagte die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers und erstellte am für die Personalakte des Klägers folgenden Vermerk:

In einer Anlage zu dem Vermerk heißt es:

9Am schlossen die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag, nach dem der Kläger ab als vollbeschäftigter Arbeiter bei der Beklagten nach der Lohngruppe 9 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes/der Länder zum MTArb (nachfolgend: TVLohngrV) tätig werden sollte. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. An der Tätigkeit des Klägers änderte sich nichts.

10Mit Inkrafttreten des TVöD am wurde der Kläger nach den Maßgaben des TVÜ-Bund in die Entgeltgruppe 9 TVöD übergeleitet und erhielt im Folgenden die entsprechende Vergütung nebst einer nicht näher spezifizierten Zulage.

11Mit Schreiben vom machte der Kläger für den Zeitraum ab dem erfolglos die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 11 TVöD geltend.

12Der Kläger ist der Auffassung, er sei als „sonstiger Angestellter“ in der VergGr. IVa BAT bzw. Entgeltgruppe 11 TVöD eingruppiert. Er sei nach Überprüfung seiner Qualifikation eingestellt worden. Die Beklagte habe ihn aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen für mindestens ebenso qualifiziert gehalten wie einen Elektroingenieur. Die Beklagte müsse sich an ihrer ursprünglichen Beurteilung festhalten lassen. Es seien die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung anzuwenden. Die Beklagte habe nach der Arbeitsplatzbewertung seine Höhergruppierung nach VergGr. IVa BAT ab auch bewusst vorgenommen. Aus diesem Grunde sei es treuwidrig, ihm sämtliche subjektiven Voraussetzungen der Vergütungsgruppe abzusprechen. Seine Tätigkeiten würden sich auch tatsächlich aufgrund besonderer Leistungen aus der VergGr. IVb Fallgr. 21 BAT herausheben. Er verfüge über Fähigkeiten und Kenntnisse, die weit über das hinausgingen, was an der Fachhochschule an Kenntnissen vermittelt werde. Seine Kenntnisse würden sämtliche Bereiche wie die Automatisierungs-, elektrische Energie-, Daten-, Informations-, Nachrichten- und Kommunikationstechnik sowie Elektronik und Mikroelektronik abdecken. Er übernehme zudem die örtliche Leitung bei schwierigen Bauten und Bauabschnitten sowie deren Abrechnung.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

14Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und gemeint, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in der VergGr. IVa Fallgr. 10 BAT. Er genüge bereits den subjektiven Anforderungen nicht. Er sei kein „sonstiger Angestellter“ im Sinne der VergGr. IVa Fallgr. 10 BAT und verfüge aufgrund seiner Ausbildung über kein einem Diplom-Ingenieur (FH) Elektrotechnik entsprechendes Wissen. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten würden sich auch nicht durch besondere Leistungen aus den Standardaufgaben eines Ingenieurs für Elektrotechnik (FH) hervorheben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

16Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.

17Die nach der Klarstellung durch den Kläger in der Revisionsverhandlung als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. dazu nur  - Rn. 18) zulässige Klage ist nicht begründet.

18I. Die Vorinstanzen sind zwar rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sich die Vergütung des Klägers nach den Tätigkeitsmerkmalen der in der Anlage 1a zum BAT geregelten Vergütungsgruppen richtet, die gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund auch nach der Überleitung in den TVöD für die Eingruppierung heranzuziehen sind. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist aber im Ergebnis zutreffend, weil der Kläger für sein Begehren keine Anspruchsgrundlage hat. Die Anlage 1a zum BAT, deren Anwendung Voraussetzung für einen Erfolg der Klage wäre, findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

191. Die Anlage 1a zum BAT galt zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD am für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht normativ, da der Kläger nicht gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG tarifgebunden war.

202. Die Anlage 1a zum BAT fand zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD auch nicht unter Berücksichtigung der vertraglichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses Anwendung. Mit dem Arbeitsvertrag vom haben die Parteien das zuvor bis zum befristete Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom bei unveränderter vertragsgemäß auszuübender Tätigkeit im Übrigen neu geregelt. Dabei wurde ua. die zuvor vereinbarte Bezugnahmeregelung durch eine Vereinbarung ersetzt, die den BAT nebst dessen Anlage 1a nicht erfasst.

21a) Hinsichtlich der vom Kläger vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit waren sich die Parteien einig, dass sich an der bis dahin ausgeübten Tätigkeit nichts ändern sollte. Dementsprechend hat der Kläger auch weiterhin die Vergabeunterlagen für die Grundinstandsetzung der Schleusen am Dortmund-Ems-Kanal aufgestellt und die entsprechenden Bauaufträge nach Überprüfung vergeben sowie die damit zusammenhängenden, zwischen den Parteien nicht streitigen Aufgaben verrichtet. Darüber, dass es sich bei der danach vom Kläger auszuübenden Tätigkeit um eine „Angestelltentätigkeit“ handelt, besteht zwischen den Parteien ebenfalls kein Streit.

22b) Hinsichtlich der dem Kläger hierfür nach dem Arbeitsvertrag zu zahlenden Vergütung haben die Parteien am eine neue Vereinbarung geschlossen. Danach sollte sich die Vergütung des Klägers ab dem dynamisch nach der höchsten Lohngruppe richten, die für Arbeitertätigkeiten zu diesem Zeitpunkt im MTArb geregelt war. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages.

23aa) In dem Vertrag vom ist eine Verweisung der Parteien auf den BAT, dessen Anlage 1a und die den BAT ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge nicht enthalten. Der Wortlaut verweist nunmehr auf den gesamten MTArb und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.

24Als ein solcher den MTArb ergänzender Tarifvertrag ist grundsätzlich auch der TVLohngrV anzusehen. Dieser enthält in § 2 Abs. 1 eine Regelung, die die Einreihung in die Lohngruppen nach der auszuübenden Tätigkeit in der Art einer „Tarifautomatik“ vorsieht, die sich entsprechend dem Geltungsbereich des MTArb und den einzelnen Regelungen des Lohngruppenverzeichnisses allerdings ausschließlich auf die dort genannten „Arbeitertätigkeiten“ bezieht. Eine solche übt der Kläger nach übereinstimmender Auffassung der Parteien jedoch nicht aus; er erfüllt keines der dort genannten Tätigkeitsmerkmale.

25Die Verweisung auf den MTArb erfasst daher insoweit lediglich die Vergütungspflicht der Beklagten, die sich gerade nicht an der vom Kläger auszuübenden Tätigkeit ausrichtet, sondern konstitutiv mit dem jeweiligen Entgelt der (höchsten) Lohngruppe 9 MTArb bestimmt worden ist.

26bb) Diese Auslegung wird durch die von der Beklagten angefertigte und zur Personalakte des Klägers genommene Aktennotiz bestätigt. Danach war zum Zeitpunkt des Auslaufens der Befristung des ersten Arbeitsvertrages keine entsprechende Angestelltenstelle im betreffenden Haushaltsplan ausgewiesen. Eine - von der Beklagten offensichtlich als notwendig angesehene - Weiterbeschäftigung des Klägers war danach unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten lediglich auf einer Planstelle möglich, die nicht der Tätigkeit des Klägers entsprach und die überdies zu finanziellen Einbußen des Klägers führen würde. Dies war dem Kläger bekannt. Er hat sich gleichwohl mit dieser Zuordnung der jeweils höchstmöglichen Vergütung eines Arbeiters zu seiner Tätigkeit einverstanden erklärt und den entsprechenden Vertrag geschlossen.

27cc) Auch wenn eine solche Vereinbarung, mit der eine „Angestelltentätigkeit“ unter bewusster Nichteinbeziehung der §§ 22 ff. BAT und der Anlage 1a zum BAT mit einem - dynamisierten - Tabellenlohn einer bestimmten „Arbeiterlohngruppe“ vergütet werden soll, im öffentlichen Dienst eher ungewöhnlich ist, bestehen gegen ihre Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit jedoch keinerlei Bedenken. Die Vereinbarung widerspricht insbesondere nicht höherrangigen Rechtsvorschriften.

28c) Eine Auslegung dahingehend, dass die Parteien trotz der Verweisung auf die Vergütung nach Lohngruppe 9 MTArb vertraglich den BAT und dessen Anlage 1a in Bezug genommen hätten, ist nicht möglich. Die hiergegen auf den entsprechenden richterlichen Hinweis erhobenen Einwände des Klägers bleiben erfolglos.

29aa) Die Auffassung des Klägers, die Anwendbarkeit der Anlage 1a zum BAT folge aus der Überleitung des Klägers in den TVöD, ist unzutreffend. Seine Überleitung betraf allein die dynamische Entgeltabrede, wonach er jeweils Vergütung nach der Lohngruppe 9 MTArb erhalten sollte. Die danach zu bemessende Vergütung entsprach ab dem derjenigen der Entgeltgruppe 9 TVöD, weil der TVöD ein den MTArb ersetzender Tarifvertrag iSd. Verweisungsklausel ist (zum TVöD als ein den BAT „ersetzender Tarifvertrag“ vgl.  - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286). Eine - auch noch übereinstimmend erklärte - Änderung der bisherigen Vertragsvereinbarung ist darin nicht zu erkennen.

30bb) Entgegen der Ansicht des Klägers ist durch die Anwendung des TVöD ab dem auch keine neue Vertragsgrundlage unter Einschluss der in dem zu diesem Zeitpunkt maßgebenden unbefristeten Vertrag vom einzelvertraglich nicht vereinbarten „Tarifautomatik“ des § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BAT geschaffen worden. Weder liegt, wie der Kläger meint, in der Überleitung in die Entgeltgruppe 9 TVöD durch die Beklagte ein entsprechendes Vertragsänderungsangebot, noch hat er ein solches durch die widerspruchslose Entgegennahme des entsprechenden Entgelts angenommen. Gerade die Weiterzahlung des tariflichen Entgelts für die höchste Lohngruppe der Arbeiter dokumentiert die unveränderte Fortsetzung der bisherigen Vergütungszahlung.

31d) Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf einen Rechtsmissbrauch durch die Beklagte berufen. Hier mangelt es schon an einem auch nur in Betracht kommenden Tatbestand zu einer der in der Rechtsprechung zu § 242 BGB entwickelten Fallkonstellationen. Es ist nicht erkennbar, in welcher Handlung der Beklagten ein Rechtsmissbrauch zu sehen sein sollte. Der Abschluss der vertraglichen Vereinbarung vom ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im Folgenden lediglich diese Vereinbarung vollzogen.

II. Da die Revision erfolglos war, hat der Kläger die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 628 Nr. 11
DAAAE-30447