BVerwG Beschluss v. - 2 B 63.12

Instanzenzug:

Gründe

1Die Beschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Er hat nicht dargelegt, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO, § 69 BDG gegeben ist.

2Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzlich ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts des seit Mai 2010 pensionierten Beklagten bestätigt. Diese Maßnahme sei schon deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte dem Dienst längere Zeit, nämlich vom 19. Februar bis zum und vom bis zum , unerlaubt ferngeblieben sei. Der Beklagte sei dienstfähig gewesen. Es stehe fest, dass er trotz seiner Gehbehinderung Innendienst habe leisten und die Strecke zwischen seiner Wohnung und dem Dienstort mit dem eigenen Kraftfahrzeug habe bewältigen können. In Bezug auf die Dienstfähigkeit falle ihm für den ersten Zeitraum Fahrlässigkeit, für den zweiten Zeitraum bedingter Vorsatz zur Last.

3Darüber hinaus hätten die außerdienstlichen Straftaten des Beklagten ein erhebliches Gewicht. Der Beklagte sei zweimal rechtskräftig wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Höhe des Schadens habe sich auf 5.500 DM und 2.672 DM belaufen. Durch rechtskräftigen Strafbefehl sei er zu einer weiteren Geldstrafe wegen Untreue verurteilt worden, weil er in den Jahren 2000 und 2001 Gelder in Höhe von insgesamt ungefähr 4.000 EUR, die ihm ein Dritter im Wege der Schuldnerselbsthilfe anvertraut habe, für eigene Zwecke verbraucht habe. Der Beklagte habe die Feststellungen des Strafbefehls nicht bestritten. Die Schadenshöhe ergebe sich zudem aus der Würdigung seines Vortrags im Zivilprozess, in dem er sich durch Vergleich zur Rückzahlung von 5.000 EUR verpflichtet habe.

41. Mit der Beschwerde macht der Beklagte geltend, es sei rechtsgrundsätzlich zu klären, ob an die Gesamtwürdigung seines Fehlverhaltens nicht deshalb ein milderer Bewertungsmaßstab anzulegen sei, weil er sich bereits im Ruhestand befinde, Jahrzehnte lang Dienst geleistet habe, für wenige Jahre aufgrund einer persönlichen Ausnahmesituation "aus dem Tritt geraten" und vom Dienstherrn trotz Kenntnis des Fehlverhaltens bis zum Erreichen der Altersgrenze weiterbeschäftigt worden sei. Aufgrund dieser Besonderheiten verstoße die Aberkennung des Ruhegehalts gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen das Schuldprinzip.

5Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage von Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht weder beantwortet worden ist noch auf der Grundlage ihrer Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 32, Rn. 4 <insoweit in Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 9 nicht abgedruckt>).

6Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, welche generellen Anforderungen nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 BDG an die Bemessung der Disziplinarmaßnahme durch die Tatsachengerichte zu stellen sind. Diese Anforderungen konkretisieren die Verfassungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Schuldprinzips. Der Beklagte zeigt insoweit keinen neuen klärungsbedürftigen Gesichtspunkt auf.

7Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten und den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen, etwa für das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst, entwickelt. Diese Maßstäbe tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Schuldprinzip Rechnung ( BVerwG 2 C 12.04 -BVerwGE 124, 252 <258 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 22, vom - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 und vom - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 <jeweils Rn. 29 f.>).

8Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Verwaltungsgerichte die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d.h. die für die Schwere und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen, Tatsachen ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbeziehen. Bei Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Merkmale des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG und bei der disziplinarrechtlichen Gesamtwürdigung sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Schuldprinzip zu beachten (Urteile vom a.a.O. <258 f.> bzw. Rn. 22, vom a.a.O. Rn. 20 und vom a.a.O. Rn. 29).

9Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Diese Regelung enthält keine zusätzlichen Bemessungskriterien. Sie stellt klar, dass das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufzulösen ist, wenn die Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG zu dem Ergebnis führt, dass der Beamte untragbar geworden ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen hat und die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, er werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung sei bei einem Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt eine derartige Prognose (Urteile vom a.a.O. <258 f.> bzw. Rn. 21 f.; vom a.a.O. Rn. 18 und vom a.a.O. Rn. 29).

10Tritt ein Beamter in den Ruhestand, nachdem er ein Dienstvergehen begangen hat, das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich gezogen hätte, ist stattdessen das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 BDG). Diese Regelung stellt aus Gründen der Gleichbehandlung sicher, dass sich der Beamte der Sanktionierung eines im aktiven Dienst begangenen schweren Dienstvergehens, das ihn als Beamter untragbar macht und deshalb zur Auflösung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit führen muss, nicht durch den Eintritt in den Ruhestand entziehen kann. Ebenso wie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dient die Aberkennung des Ruhegehalts der Wahrung der Integrität des Berufsbeamtentums und des Ansehens des öffentlichen Dienstes ( - NVwZ 2002, 467; a.a.O. Rn. 32; Beschlüsse vom - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 6 und vom - BVerwG 2 B 33.12 - Rn. 19 <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>).

11Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BBG 2009) über einen Zeitraum von mehreren Monaten ist regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, offenbart das Fernbleiben über einen derart langen Zeitraum ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit. Daher ist in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn im Einzelfall gewichtige Entlastungsgründe zu Gunsten des Beamten zu berücksichtigen sind ( BVerwG 1 D 62.90 -BVerwGE 93, 78 <80 f.>; vom - BVerwG 1 D 26.02 - [...] Rn. 54 f.; vom [...] Rn. 51 und vom - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 42).

12Die Weiterbeschäftigung des Beklagten nach der Tat kann bei der Maßnahmebemessung in aller Regel nicht mildernd berücksichtigt werden. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG entscheiden die Verwaltungsgerichte unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes über die erforderliche Disziplinarmaßnahme. Sie haben zu beurteilen, ob aufgrund des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist. Ist dies der Fall, so vermag daran auch die Weiterverwendung während des Disziplinarverfahrens nichts zu ändern. Das Vertrauensverhältnis, dessen Fortbestand für den Verbleib im Beamtenverhältnis erforderlich ist, bezieht sich auf den allgemeinen Status als Beamter, nicht auf die Dienstleistung ( BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <49 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 35 S. 76 und vom - BVerwG 1 D 3.04 - [...] Rn. 26; stRspr).

13Auch eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen, womöglich mit überdurchschnittlichen Beurteilungen, fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen ( BVerwG 1 D 1.06 - [...] Rn. 40, vom - BVerwG 1 D 4.07 - [...] Rn. 28 und vom - BVerwG 1 D 2.07 - [...] Rn. 76; stRspr).

14Eine schwierige Lebenssituation während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalles bei der Maßnahmebemessung mildernd berücksichtigt werden ( BVerwG 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220>, vom - BVerwG 1 D 136.87 - NJW 1989, 851 und vom - BVerwG 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 39, BVerwG 2 B 108.04 - NVwZ 2005, 1199 <1200>, insoweit in Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 nicht abgedruckt).

15Das Oberverwaltungsgericht hat diese allgemeinen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Schuldprinzip konkretisierenden Rechtsgrundsätze seiner Würdigung des festgestellten Sachverhalts zugrunde gelegt. Insbesondere hat es die Schwere des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst in Einklang mit den Grundsätzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt. Auch hat es die drei außerdienstlichen Straftaten des Beklagten, deretwegen er rechtskräftig verurteilt wurde, zu Recht als außerdienstliche Pflichtenverstöße bewertet, die neben dem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst erheblich erschwerend ins Gewicht fallen. Davon ausgehend ist die Gesamtwürdigung des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte habe durch sein gravierendes inner- und außerdienstliches Fehlverhalten während des aktiven Dienstes das Vertrauensverhältnis zerstört, im Ergebnis verhältnismäßig und der Schuld des Beklagten angemessen.

16Dem Beschwerdevorbringen des Beklagten lässt sich keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage entnehmen, die Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren aufwirft. In der Sache wendet er sich mit der Grundsatzrüge gegen die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts. Er setzt dessen Gesamtwürdigung eine eigene Würdigung entgegen, wobei er die Schwere seines Fehlverhaltens milder beurteilt, weil er den angeführten Umständen (Eintritt in den Ruhestand, Weiterbeschäftigung während des Disziplinarverfahrens und langjährige Dienstzeit mit guten Leistungen) zu.U.nrecht entlastende Bedeutung beimisst. Dies ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darzulegen.

172. Der Beklagte hält eine Divergenz des Berufungsurteils zu dem - (NJW 2005, 1344) für gegeben. Das Oberverwaltungsgericht habe bei der disziplinarrechtlichen Gesamtwürdigung nicht beachtet, dass nach dem Grundgesetz eine Strafe oder strafähnliche Sanktion in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen müsse.

18Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten allgemeinen Rechtsgrundsatzes bestehen. Demzufolge liegt eine Divergenz nicht vor, wenn das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).

19Nach diesem Maßstab liegt die behauptete Divergenz ersichtlich nicht vor: Das Oberverwaltungsgericht hat die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Schuldprinzips bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nicht in Abrede gestellt. Auch hat es diesen Verfassungsgrundsätzen keinen disziplinarrechtlichen Bedeutungsgehalt beigemessen, der im Widerspruch zu dem genannten Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts steht. Vielmehr hat es die oben dargestellten Bemessungsgrundsätze des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Schuldprinzip konkretisieren, auf den festgestellten Sachverhalt angewandt.

20Ebenso wie mit seiner Grundsatzrüge wendet sich der Beklagte auch mit der Divergenzrüge in der Sache gegen die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht. Der Vortrag, die Aberkennung des Ruhegehalts sei nach den Umständen des vorliegenden Falles überzogen, ist ersichtlich nicht geeignet, eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.

213. Mit der Verfahrensrüge macht der Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die Feststellung, er habe ihm anvertraute Gelder von insgesamt rund 4.000 EUR veruntreut, weder auf den rechtskräftigen Strafbefehl des noch auf die Würdigung seines Vortrags in dem Zivilprozess, in dem er auf Rückzahlung verklagt wurde, stützen dürfen.

22Damit hat der Beklagte keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht die Feststellung rechtsfehlerfrei getroffen. Dies folgt bereits daraus, dass es die entsprechende Feststellung in dem rechtskräftigen Strafbefehl ohne eigene Sachaufklärung übernehmen konnte.

23Den tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls kommt im gerichtlichen Disziplinarverfahren keine Bindungswirkung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG zu. Die in § 410 Abs. 3 StPO ausgesprochene Gleichstellung mit einem Strafurteil bestimmt lediglich den Umfang der Rechtskraft des Strafbefehls. Nach der Rechtsprechung des Senats können die dem Strafbefehl zugrunde liegenden Tatsachen der disziplinargerichtlichen Entscheidung nach § 57 Abs. 2 BDG aber ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden, wenn sie im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht mehr bestritten werden. Es kommt insbesondere darauf an, ob der Vortrag des angeschuldigten Beamten dem Gericht Anlass zu einer Beweisaufnahme gibt ( BVerwG 2 A 11.10 - [...] Rn. 37 f. <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>; BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 8).

24Die Verwertung der Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls nach § 57 Abs. 2 BDG scheidet von vornherein aus, wenn die verhängte Strafe und der Verzicht auf Einspruch oder dessen Rücknahme auf einer unzulässigen Absprache beruhen (vgl. zur Absprache eines Strafurteils: Beschlüsse vom - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11 und vom - BVerwG 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 12). Von diesem Fall abgesehen ist es im Rahmen des § 57 Abs. 2 BDG unerheblich, welche Gründe den Beamten bewogen haben, auf einen Einspruch gegen den Strafbefehl zu verzichten oder den Einspruch zurückzunehmen. Dies ist schon deshalb unbedenklich, weil der Beamte die Verwertung der tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls im gerichtlichen Disziplinarverfahren verhindern kann, indem er ihre Richtigkeit substantiiert bestreitet.

25Der Beklagte hat in der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte dargelegt, die den Schluss rechtfertigen könnten, das Oberverwaltungsgericht sei gehindert gewesen, ihm die Veruntreuungen von insgesamt rund 4.000 EUR aufgrund der Feststellungen des Strafbefehls vom zur Last zu legen. Er hat nicht vorgetragen, dass der Strafbefehl vom aufgrund eines sog. Deals rechtskräftig geworden ist oder er die Veruntreuungen von rund 4.000 EUR im Disziplinarklageverfahren substantiiert in Zweifel gezogen hat. Vielmehr spricht der Beklagte einem rechtskräftigen Strafbefehl entgegen der dargestellten Rechtsprechung des Senats jegliche Bindungswirkung ab, weil dem Verzicht auf einen Einspruch oder dessen Rücknahme regelmäßig prozessökonomische Erwägungen zugrunde lägen.

26Wird die mit der Verfahrensrüge angegriffene Feststellung bereits selbständig durch § 57 Abs. 2 BDG getragen, so kommt es nicht darauf an, ob sie das Oberverwaltungsgericht zusätzlich auf die Ermittlung und Würdigung des zivilprozessualen Verhaltens des Beklagten stützen durfte. Im Übrigen wird dieses ergänzende Vorgehen jedenfalls im Grundsatz von der gerichtlichen Aufklärungspflicht gedeckt. Nach § 58 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG sind die Tatsachengerichte verpflichtet, grundsätzlich von Amts wegen diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis der angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. Sie haben diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen ( BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2; vom -BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 7 und vom - BVerwG 2 B 62.09 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 9 Rn. 11).

27Grenzen sind der gerichtlichen Sachaufklärung einerseits durch gesetzliche Regelungen, die die Bindung an anderweitig festgestellte Tatsachen vorschreiben, und andererseits durch gesetzliche oder unmittelbar aus dem Grundgesetz hergeleitete Verwertungsverbote gesetzt. Es ist nicht ersichtlich, dass ein derartiges generelles Verbot in Bezug auf die Einbeziehung des Sachvortrags des Beamten in einem Zivilprozess für die Feststellung des disziplinarrechtlich erheblichen Sachverhalts besteht. Dagegen darf das Prozessverhalten bei der Maßnahmebemessung nicht erschwerend berücksichtigt werden ( BVerwG 2 B 56.12 - <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>). Die Geltung des Beibringungsgrundsatzes im Zivilprozess ist bei der Würdigung des Sachvortrags in den Blick zu nehmen. Hier hat sich das Oberverwaltungsgericht auf die Würdigung des zivilprozessualen Sachvortrags des Beklagten beschränkt. Wie dargelegt hat der Beklagte die Würdigung, die Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafbefehl vom seien richtig, nicht in Frage gestellt.

28Schließlich liegt ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht darin, dass das Oberverwaltungsgericht wegen der noch bei Klageerhebung fehlenden, erst im gerichtlichen Disziplinarverfahren nachgereichten dienstlichen Beurteilungen kein Verfahren der Mangelbeseitigung nach § 55 Abs. 3 BDG durchgeführt hat. Dies ist nicht erforderlich gewesen, weil der Mangel nicht wesentlich im Sinne des § 55 Abs. 1 BDG war. Denn es lässt sich mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass er sich auf das Berufungsurteil ausgewirkt haben kann (vgl. BVerwG 2 C 15.09 -BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6 Rn. 19).

29Dies folgt daraus, dass die Verwaltungsgerichte nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund ihrer eigenen Sachaufklärung und der darauf beruhenden Bemessungsentscheidung bestimmen, ohne an die Wertungen des klagenden Dienstherrn gebunden zu sein. Sie sind verpflichtet, den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt selbst festzustellen und rechtlich zu würdigen. Dies schließt eine Bindung an das Tatsachenmaterial des behördlichen Disziplinarverfahrens aus ( BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11; vom -BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 Rn. 9 und vom - BVerwG 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 29).

30Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren betragsgenau festgelegt ist (§ 85 Abs. 12 Satz 1 und Satz 2, § 78 Satz 1 BDG, Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).

Fundstelle(n):
AAAAE-29869