BGH Urteil v. - V ZR 102/12

Wohnungseigentumsverfahren: Auslegung einer ohne Nennung der beklagten Partei erhobenen Beschlussanfechtungsklage

Leitsatz

Erhebt ein Wohnungseigentümer eine Beschlussanfechtungsklage, ohne die beklagte Partei zu nennen, ist durch Auslegung zu ermitteln, gegen wen sich die Klage richten soll. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er die übrigen Wohnungseigentümer verklagen will.

Gesetze: § 253 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 44 Abs 1 WoEigG

Instanzenzug: LG Itzehoe Az: 11 S 36/11vorgehend AG Eckernförde Az: 61 C 5/10

Tatbestand

1Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Am ist bei dem Amtsgericht ein Schreiben der Klägerin eingegangen, das die Überschrift trägt "Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung am ETG K.       Straße 167/169, F.     berg 7 - 11, A.      , Grundbücher von A.     Blatt 3906 - 3994". Darin hat sie unter Beifügung des Einladungsschreibens des Verwalters erklärt, dass sie die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 4, 5, 7, 8, 9 und 10 zunächst zur Fristwahrung anfechte. Nachdem die Klage dem Verwalter zugestellt worden war, hat der anwaltliche Vertreter der Klägerin mit Schriftsatz vom eine Eigentümerliste eingereicht. Das Amtsgericht hat die Beschlüsse zu TOP 4, 5, 7 und 8 für unwirksam erklärt, hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 10 aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Parteien die Erledigung festgestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 bis 26 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

2Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin mit sämtlichen Anfechtungsgründen materiell-rechtlich ausgeschlossen, weil sie innerhalb der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG keine wirksame Klage erhoben habe. Ihr Schreiben vom genüge nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO, da es nicht erkennen lasse, wer Gegner der Anfechtungsklage sei.

II.

3Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

41. Die Klägerin hat eine zulässige Klage erhoben. Die Klageschrift genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 1 WEG.

5a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Parteien ordnungsgemäß bezeichnen. Als Teil einer Prozesshandlung ist eine Parteibezeichnung grundsätzlich auslegungsfähig. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (, NJW-RR 2008, 582, 583 mwN). Erhebt ein Wohnungseigentümer eine Beschlussanfechtungsklage, ohne die beklagte Partei zu nennen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er die übrigen Wohnungseigentümer verklagen will.

6Hiernach sind vorliegend die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte des Rechtsstreits anzusehen. Zwar ist in der Klageschrift nicht ausdrücklich erwähnt, gegen wen sich die Klage richtet. Das Schreiben der Klägerin lässt jedoch unmissverständlich erkennen, dass sie verschiedene Beschlüsse, die in der Versammlung der Wohnungseigentümer gefasst wurden, anficht. Da als Gegner der Beschlussanfechtungsklage ernsthaft nur die übrigen Wohnungseigentümer in Betracht kommen, besteht bei verständiger Würdigung der in der Klageschrift enthaltenen Angaben kein vernünftiger Zweifel, dass die Klägerin die Wohnungseigentümer der bezeichneten Wohnungseigentumsanlage verklagen wollte.

7b) Werden die übrigen Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage verklagt, genügt für ihre nähere Bezeichnung zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Die Bezeichnung der beklagten Wohnungseigentümer ist dagegen nicht erforderlich, wenn sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt wird (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG); geschieht dies nicht oder nicht vollständig, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. zur Möglichkeit der Heilung in der Berufungsinstanz Senat, Urteil vom - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rn. 9 und Urteil vom - V ZR 34/11, ZMR 2011, 976 Rn. 7 sowie zur entsprechenden Anwendung von § 142 ZPO Senat, Urteil vom - V ZR 162/11, zur Veröffentlichung bestimmt). Diesen Anforderungen ist genügt. In der Klageschrift wird das gemeinschaftliche Grundstück sowohl nach Postanschrift als auch nach dem Grundbucheintrag bezeichnet. Zudem hat die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung eine Liste der beklagten Eigentümer eingereicht.

82. Die Klage ist innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhoben worden; der Umstand, dass die Namen und ladungsfähigen Anschriften der Beklagten erst danach beigebracht wurden, spielt für die Wahrung der Frist keine Rolle (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rn. 12). Daher kommt es darauf an, ob die geltend gemachten Beschlussmängel durchgreifen. Diese Frage hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - nicht geprüft. Die Sache ist daher zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Stresemann                             Schmidt-Räntsch                                Roth

                       Brückner                                        Weinland

Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 6 Nr. 9
NJW-RR 2013 S. 458 Nr. 8
WAAAE-29720