Auslegung einer Versorgungsordnung
Gesetze: § 1 BetrAVG
Instanzenzug: ArbG Oldenburg (Oldenburg) Az: 5 Ca 427/08 B Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 4 Sa 642/09 B Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der Versorgungsfall beim Kläger mit Vollendung des 60. Lebensjahres eintreten kann.
Der 1965 geborene Kläger war zunächst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags seit dem bei der Deutschen Postgewerkschaft (im Folgenden: DPG) beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom wurde das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt. Dieser Vertrag bestimmt auszugsweise:
Die vom Hauptvorstand der DPG erlassene „Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft“ (im Folgenden: TR-DPG) lautet auszugsweise:
Der Anhang II (im Folgenden: Anhang II TR-DPG) lautet auszugsweise:
Unter dem wandte sich der Hauptvorstand der DPG unter dem Betreff „Deine Höhergruppierung“ mit folgendem Schreiben an den Kläger:
6Am wurde die DPG auf die Beklagte verschmolzen.
7Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass für ihn nach § 26 Anhang II TR-DPG bei Vollendung des 60. Lebensjahres der Versorgungsfall eintreten wird.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 26 Anhang II TR-DPG finde auf ihn Anwendung. Die Regelung gelte für die bis zum bei der DPG eingestellten Gewerkschaftssekretäre. Es sei nicht erforderlich, dass die Funktion als Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands bereits am ausgeübt worden sei. Vielmehr genüge es, dass einem vor dem eingestellten Gewerkschaftssekretär zu einem späteren Zeitpunkt eine solche Funktion übertragen wurde. Durch das Schreiben vom sei er einem Sekretär des Bezirksvorstands gleichgestellt worden, weshalb er die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG erfülle.
Der Kläger hat beantragt
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG gelte für den Kläger nicht. Dieser sei am Stichtag weder Wahlangestellter noch Sekretär des Haupt- oder eines Betriebsvorstands gewesen. Die vorzeitige Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung setze voraus, dass bereits am eine Beschäftigung als Wahlangestellter bzw. Vorstandssekretär erfolgt sei. Der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands gewesen. Durch das Schreiben vom sei er lediglich hinsichtlich der Vergütung den damals neu eingestellten Bezirkssekretären gleichgestellt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
12Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
13I. Die Klage ist zulässig.
141. Die Klage ist auf die Feststellung gerichtet, dass für den Kläger als Gewerkschaftssekretär bei Vollendung des 60. Lebensjahres der Versorgungsfall nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG eintreten kann. Es soll nicht bereits jetzt festgestellt werden, dass der Versorgungsfall ohne weiteres mit Vollendung des 60. Lebensjahres eintreten wird. Dem Kläger geht es vielmehr erkennbar darum, gerichtlich festgestellt zu erhalten, dass er die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG erfüllt und er deshalb die Möglichkeit hat, auf einen noch zu stellenden Antrag mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand zu treten. Dieses Verständnis seines Klageantrags hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.
152. An dieser Feststellung hat der Kläger auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG erfüllt und er deshalb bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand treten kann. Damit ist das betriebsrentenrechtliche Rechtsverhältnis durch eine tatsächliche Unsicherheit gefährdet und es besteht ein Interesse an alsbaldiger Klärung. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, erst mit Vollendung des 60. Lebensjahres einen Rechtsstreit gegen die Beklagte über den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls zu führen. Für den Versorgungsberechtigten ist es bedeutsam, dass Meinungsverschiedenheiten über Bestand und Ausgestaltung der Versorgungsrechte möglichst vor Eintritt des Versorgungsfalls geklärt werden.
16II. Die Klage ist unbegründet. Der Versorgungsfall tritt im Falle des Klägers nicht bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ein. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG nicht. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt Wahlangestellter oder Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands der DPG. Der Kläger hat auch aufgrund des Schreibens des Hauptvorstands der DPG vom keinen Anspruch darauf, mit Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG in den Ruhestand treten zu können.
171. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG nicht. Die Bestimmung erfordert zwar nicht, dass der Gewerkschaftssekretär bereits am die Position eines Wahlangestellten oder eines Sekretärs des Haupt- oder eines Bezirksvorstands bekleidet hat. Es genügt vielmehr, dass der Betreffende am als Gewerkschaftssekretär bei der DPG beschäftigt war und er später zum Wahlangestellten oder zum Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands der DPG berufen wurde (vgl. hierzu ausführlich -). Der Kläger ist jedoch zu keinem Zeitpunkt in eine solche Funktion gewählt bzw. berufen worden.
182. Der Kläger hat auch aufgrund des Schreibens des Hauptvorstands der DPG vom keinen Anspruch darauf, mit Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG in den Ruhestand treten zu können.
19a) Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben vom dahingehend ausgelegt, dass die DPG den Kläger nicht vollständig mit Sekretären des Bezirksvorstands gleichgestellt hat. Eine Gleichstellung sei lediglich hinsichtlich der Vergütung erfolgt, nicht jedoch in Bezug auf andere Vertragsinhalte. Zudem sei eine Gleichstellung allenfalls mit den neu eingestellten Bezirkssekretären erfolgt; diese fielen, da sie nicht bereits am in den Diensten der DPG standen, nicht unter die Rechtsstandswahrung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG.
20b) Die Auslegung des Schreibens vom durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Schreiben enthält nichttypische Willenserklärungen, deren Auslegung vorrangig Aufgabe der Tatsachengerichte ist und vom Bundesarbeitsgericht revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer Acht gelassen wurden (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 36, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 20; - 7 AZR 205/01 - zu I 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195). Solche Rechtsfehler sind dem Landesarbeitsgericht nicht unterlaufen und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Kläger hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts zwar für unzutreffend. Er zeigt jedoch keinen revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler auf. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, es sei zu berücksichtigen, dass die Gleichstellung mit Bezirkssekretären deshalb erfolgt sei, um weitere Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Bezirkssekretärsstellen zu verhindern, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revision nicht mehr berücksichtigt werden kann, zumal sich die Beklagte hierzu nicht erklären konnte.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Fundstelle(n):
DAAAE-28883