BGH Urteil v. - VI ZR 381/11

Schadensersatzanspruch gegen einen Wirtschaftsprüfer wegen sittenwidriger Erteilung eines Bestätigungsvermerks: Qualifiziertes Bestreiten der Schadensentstehung; Beweislastverteilung

Gesetze: § 249 Abs 1 BGB, § 826 BGB, § 287 ZPO

Instanzenzug: Az: VI ZR 381/11 Beschlussvorgehend OLG Dresden Az: 8 U 1603/08 Urteilvorgehend Az: 2 O 4481/07

Tatbestand

1Der Kläger zu 13 (im Folgenden: Kläger) verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen eines Bestätigungsvermerks (vgl. § 322 HGB), den er als Wirtschaftsprüfer für den Jahresabschluss 2004 der Wohnbaugesellschaft   -W.   AG (im Folgenden: W.) am erteilt hat. Die W. nahm den Bestätigungsvermerk in ihre Prospekte auf, mit denen sie auf von ihr ausgegebene Inhaberschuldverschreibungen aufmerksam machte.

2Der Vater des Klägers hielt bereits Inhaberschuldverschreibungen der W. im Nennwert von jeweils 3.000 €, die er zum beziehungsweise zum in neue Inhaberschuldverschreibungen im selben Nennwert umtauschte. Darüber hinaus erwarb er am Inhaberschuldverschreibungen im Nennwert von 2.000 € und am im Nennwert von 5.000 €. Bei der Anlageentscheidung lag ihm der Prospekt mit Abdruck des Bestätigungsvermerks vor, den der Beklagte nach Vortrag des Klägers pflichtwidrig erteilt habe. Der Kläger erhielt die Inhaberschuldverschreibungen von seinem Vater geschenkt. In einer "Ermächtigungs- und Abtretungsvereinbarung" vom wurde ihm gestattet, die Schadensersatzansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Auf Antrag der W. vom wurde am über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, mit der der Kläger Schadensersatz für die von seinem Vater insgesamt angelegten 13.000 € und der Kläger zu 4 Schadensersatz in Höhe von 5.000 € jeweils zuzüglich Zinsen begehrt haben. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 7.000 € und an den Kläger zu 4 5.000 € jeweils zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Rückzahlungsansprüche gegen W. zu zahlen; die weitergehenden Berufungen, insbesondere soweit der Kläger Schadensersatz auch wegen umgetauschter Inhaberschuldverschreibungen begehrt hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch, soweit er abgewiesen wurde, weiter. Der Kläger zu 4 hat seine Revision zurückgenommen. Der Beklagte hat gegen das Berufungsurteil ebenfalls Revision eingelegt.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht hat den Kläger als legitimiert angesehen, seine Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen, und eine Haftung des Beklagten gemäß § 826 BGB dem Grunde nach bejaht. Soweit der Kläger aber Schadensersatz wegen umgetauschter Inhaberschuldverschreibungen begehrt, hat das Berufungsgericht die haftungsausfüllende Kausalität als nicht erwiesen angesehen und hat dazu Folgendes ausgeführt:

5Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben habe, in der Regel bereits durch den Erwerb geschädigt und deshalb gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn er die Anlage nicht gezeichnet hätte. Das gelte auch für einen Anleger, der die Anlage auf Grund eines fehlerhaften Bestätigungsvermerks eines Wirtschaftsprüfers erworben habe. Demgemäß könne der Vater des Klägers die Geldbeträge zurückverlangen, die er tatsächlich in Kenntnis des Bestätigungsvermerks an die W. gezahlt habe. Der Kläger könne aber nicht den Nennbetrag der durch Umtausch erworbenen Inhaberschuldverschreibungen verlangen, denn insoweit sei der Nachweis, dass der Kläger aufgrund des Umtausches schlechter stehe als ohne diesen, nicht geführt. Für die zum getauschten Papiere, die am fällig geworden seien, erscheine es gänzlich unwahrscheinlich, dass auf diese noch vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am tatsächlich Zahlungen geleistet worden wären. Es könne aber letztlich offen bleiben, ob die W., als die Papiere fällig waren, hätte zahlen können oder tatsächlich gezahlt hätte. Entscheidend sei, ob dies auch dann der Fall gewesen wäre, wenn der Beklagte nicht gegen seine Pflichten verstoßen hätte und den Bestätigungsvermerk nicht oder nur eingeschränkt erteilt hätte. Der Vortrag des Schädigers, der Schaden wäre auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten, sei nicht als Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zu bewerten, sondern betreffe den vom Geschädigten darzulegenden und zu beweisenden Schaden. Ein Schaden sei deshalb nur dann entstanden, wenn die W. auch ohne den Vermerk die bis dahin fälligen Forderungen der anderen Anleger hätte erfüllen können. Dies könne aber bereits nach dem Vortrag des Klägers nicht mit der für § 287 ZPO hinreichenden Sicherheit festgestellt werden. Es sei zwar denkbar, dass die W. auch dann weitere Gelder eingeworben hätte, wenn der Beklagte den Bestätigungsvermerk nicht oder nur eingeschränkt erteilt hätte. Auch wenn für Wertpapiere mit unterjähriger Laufzeit keine Verpflichtung bestanden habe, Prospekte herauszugeben und diese der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Genehmigung vorzulegen, sei es wenig wahrscheinlich, dass die W. unter diesen Umständen noch weitere Gelder hätte einwerben können. Genauso gut möglich sei, dass die W. keine weiteren Gelder mehr eingeworben hätte und deshalb die ab Mitte Mai 2005 fälligen Ansprüche der Anleger nicht hätte erfüllen können, da nicht nur der Vater des Klägers, sondern auch alle anderen Anleger keine neuen Inhaberschuldverschreibungen mehr erworben hätten. Dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wie die W. die fälligen Inhaberschuldverschreibungen hätte refinanzieren können.

II.

61. Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Sie ist zwar form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht gemäß § 551 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO begründet. Obwohl die bis zum verlängerte Frist zur Begründung der Revision abgelaufen ist, ist keine Revisionsbegründungsschrift eingegangen. Der Beklagte hat auch, nachdem der erkennende Senat seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe am zurückgewiesen hatte, keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

72. Die Revision des Klägers ist unbegründet, denn die Beurteilung des Berufungsgerichts hält, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist, revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

8a) Zwar bestehen Bedenken dagegen, dass das Berufungsgericht im Rahmen des § 826 BGB bei der Beurteilung der Frage, ob dem Vater des Klägers ein Schaden entstanden ist, vom Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO ausgegangen ist (vgl. , nicht veröffentlicht; vom  - VI ZR 129/73, VersR 1975, 540, 541 und , WM 1959, 87, 88). Dies bedarf jedoch im Streitfall keiner Entscheidung, da die Revision die Anwendung des gegenüber § 286 ZPO erleichterten Beweismaßstabs als für sie günstig hinnimmt.

9b) Zutreffend stellt das Berufungsgericht für die Frage, ob der Vater des Klägers einen Schaden erlitten hat, auf den Wert ihres Rückzahlungsanspruchs gegen die W. im Januar 2006 beziehungsweise am ab. Dieser Ansatz entspricht der Differenzhypothese. Danach wird ein Schaden grundsätzlich durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, festgestellt (vgl. Senatsurteil vom  - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8; , BGHZ 98, 212, 217; Urteil vom  - IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669, 2670 insoweit in BGHZ 144, 343 nicht abgedruckt). Mit Recht vergleicht deshalb das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Höhe des eingetretenen Schadens die tatsächliche Vermögenslage des Vaters des Klägers mit der Vermögenslage, die bestehen würde, wenn der Beklagte pflichtgemäß gehandelt hätte. Hier hat der Vater des Klägers im Januar 2006 kein Geld an die W. gezahlt, sondern seine Inhaberschuldverschreibungen umgetauscht. Bei dieser Fallgestaltung bemisst sich der Schaden des Vaters des Klägers nach dem Wert des Rückzahlungsanspruchs, den er infolge des Umtausches nicht geltend gemacht hat.

10c) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Kläger für die Entstehung des Schadens als darlegungs- und beweisbelastet angesehen. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen, wonach der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat (vgl. Senatsurteil vom  - VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 Rn. 21).

11aa) Die Behauptung des Beklagten, der Schaden wäre auch ohne sein angeblich pflichtwidriges Verhalten eingetreten, ist nicht als Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens anzusehen, für das der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. Senatsurteil vom  - VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 Rn. 25; vom  - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942; , BGHZ 120, 281, 287; vom  - III ZR 17/08, VersR 2010, 112 Rn. 14), sondern als qualifiziertes Bestreiten der Schadensentstehung zu werten (vgl. Senatsurteil vom  - VI ZR 288/08, VersR 2010, 120 Rn. 9). Das gilt auch für die Behauptung, ein Vermögensschaden sei deshalb nicht eingetreten, weil der Geschädigte ohnehin lediglich eine auf Dauer uneinbringliche Forderung verloren habe (, VersR 1986, 160, 162). Dementsprechend muss nicht der Schädiger in allen Einzelheiten den Nachweis führen, dass der Schuldner zahlungsunfähig gewesen wäre. Vielmehr ist seine Verteidigung schon dann erheblich, wenn er Umstände darlegt, die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit begründen können (vgl. , BGHZ 171, 261 Rn. 36).

12bb) Die Beweislast kehrt sich auch nicht im Hinblick auf ein vom Beklagten pflichtwidrig geschaffenes Verletzungsrisiko zu Gunsten des Vaters des Klägers um. Nach der Rechtsprechung, auf die sich die Revision bezieht, trifft denjenigen, der eine vertragliche Hinweis- oder Beratungspflicht verletzt, die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, weil sich der Geschädigte über den Rat oder Hinweis hinweggesetzt hätte (vgl. , BGHZ 61, 118, 121 f.; vom  - IX ZR 117/86, NJW 1988, 200, 202; vom  - III ZR 63/88, VersR 1989, 1085, 1086). Diese Rechtsprechung ist auf die hier in Rede stehende Fallgestaltung nicht übertragbar. Zum einen geht es um eine deliktische Haftung im Sinne des § 826 BGB und nicht um eine Haftung wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten. Zum anderen ist hier nicht die Frage betroffen, ob sich die Geschädigte beratungskonform verhalten hätte, sondern die Frage, ob durch ein sittenwidriges Verhalten ein Vermögensschaden entstanden ist.

13cc) Schließlich besteht auch kein Anlass, dem Beklagten eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, weil die vorzutragende Tatsache außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Klägerin liegt. Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (Senatsurteil vom  - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196; , BGHZ 140, 156, 158). Dass dem Beklagten die Umstände, die einen Vermögensschaden des Vaters des Klägers begründen können, bekannt sind oder von ihm unschwer festgestellt werden könnten, kann hier nicht angenommen werden. In Bezug auf die hier relevanten Vermögensverhältnisse der W. sind beide Parteien Außenstehende. Der Beklagte mag zwar als Wirtschaftsprüfer über besseres Fachwissen verfügen und war aufgrund seiner durchgeführten Abschlussprüfung mit den Vermögensverhältnissen der W. bereits befasst. Die Revision zeigt jedoch keinen Sachvortrag auf, dass der Beklagte auch noch nach Erledigung des Auftrags Einblick in die Vermögensverhältnisse seiner Auftraggeberin hatte.

14d) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Eintritt eines Vermögensschadens unter den konkreten Umständen des Streitfalls unter dem von ihm zugrunde gelegten Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO verneint, begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

15aa) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Rückzahlungsanspruch des Vaters des Klägers bei Fälligkeit im Dezember 2005 beziehungsweise am als uneinbringlich und deshalb wertlos angesehen. An diesem Ergebnis änderte sich nichts, wenn - worauf die Revision abstellen will - allein auf das Verhältnis zwischen der W. als Emittentin und dem Kläger "als Zeichner" der Papiere abzustellen wäre. Der Verlust einer auf Dauer uneinbringlichen Forderung verringert den Wert des Vermögens nicht und kann deshalb keinen Schaden begründen (, BGHZ 171, 261 Rn. 35; vom  - IX ZR 138/84, VersR 1986, 160, 162; vom  - IX ZR 255/00, VersR 2005, 510, 511 f.).

16bb) Das Berufungsurteil begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, soweit es seine zur Verneinung eines Schadens des Vaters des Klägers führende Annahme, der angeblich fehlerhafte Bestätigungsvermerk habe auch andere Anleger zum Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen veranlasst, auf die Vermutung stützt, die Anlageinteressenten hätten ohne die fehlerhaften Prospektangaben von einer Beteiligung abgesehen (vgl. , BGHZ 84, 141, 148; vom  - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 114 f.; vom  - II ZR 224/91, VersR 1993, 112, 113; vom  - II ZR 329/04, VersR 2006, 1266 Rn. 11). Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit, dass die W. ohne den Prüfvermerk des Beklagten keine weiteren Gelder eingeworben hätte und deshalb die Ende 2005 und später fälligen Ansprüche der Anleger nicht hätte erfüllen können, als "genauso gut möglich" bewertet hat. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die im zweiten Halbjahr 2005 fälligen Rückzahlungsansprüche sich zu einem Betrag summierten, der über den in diesem Zeitraum eingeworbenen Geldbeträgen lag. Die Revision zeigt keinen Klägervortrag auf, der konkrete Umstände benennt, die auf eine höhere Liquidität der W. hinwiesen und daher auch eine Erfüllung der Forderung des Vaters des Klägers erwarten ließ. Sie zeigt auch keinen Vortrag auf, aus dem sich Anhaltspunkte ergeben, warum die W. gerade die Forderung des Vaters des Klägers erfüllt hätte. Das Vorbringen des Klägers, sein Vater hätte mit anwaltlicher Hilfe seine Forderung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchsetzen können, bleibt eine bloße Behauptung, ohne dass tragfähige Gründe ersichtlich sind, warum ihm dies - im Gegensatz zu den anderen Anlegern - gelungen wäre.

173. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Klägers zu 4 auf §§ 565, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO und für den Kläger zu 13 sowie für den Beklagten auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                     Wellner                             Pauge

              Stöhr                        von Pentz

Fundstelle(n):
DStRE 2013 S. 1214 Nr. 19
NJW-RR 2013 S. 536 Nr. 9
FAAAE-27037