BFH Beschluss v. - I B 23/12

Restitutionsklage als statthafter Rechtsbehelf; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: FGO § 51 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 119 Nr. 2, FGO § 134, ZPO § 42, ZPO § 578 Abs. 2, ZPO § 580 Nr. 5, ZPO § 584 Abs. 1, ZPO § 591, StGB § 339

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Beteiligten streiten darum, ob ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) im Wege der Restitutionsklage aufzuheben ist und in der Hauptsache neu verhandelt werden muss.

2 Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1995 bis 1997 eine Unternehmensberatung in Y. Aufgrund einer diese Jahre betreffenden Außenprüfung änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) neben den Einkommensteuerbescheiden 1995 bis 1997 auch die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1996 und 31. Dezember 1997.

3 Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG durch den zum Einzelrichter bestellten Richter am Finanzgericht X mit Urteil vom 16. März 2011 2 K 1452/10 ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

4 Der Kläger erhob gegen das Urteil des FG neben einer Nichtigkeitsklage auch eine Restitutionsklage. Beide Klagen wies der zum Einzelrichter bestellte X nach gemeinsamer Verhandlung durch Urteile vom 10. Januar 2012 2 K 995/11 (Nichtigkeitsklage) und 2 K 996/11 (Restitutionsklage) ab.

5 Mit seiner daraufhin erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Kläger, die Revision gegen das zuzulassen.

6 Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

7 II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Gegen das die Wiederaufnahmeklage des Klägers abweisende Urteil des FG ist zwar gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 591 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde statthaft (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 8. Juli 1999 III B 22/99, BFH/NV 1999, 1628; vom 6. April 2001 IX B 1/01, juris). Der Kläger hat jedoch keinen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

8 1. Indem der Kläger vorträgt, X habe sich wegen des Verstoßes gegen Verfahrensrecht einer Rechtsbeugung gemäß § 339 des Strafgesetzbuchs strafbar gemacht, legt er keinen Revisionsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dar. Wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflicht gegen die Partei schuldig gemacht hat, etwa im Wege der Rechtsbeugung (vgl. MünchKommZPO/Braun, 3. Aufl., § 580 Rz 21), findet gemäß § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 ZPO vielmehr die Restitutionsklage statt, die gemäß § 134 FGO i.V.m. § 584 Abs. 1 ZPO vor dem FG zu erheben ist. Ein Revisionszulassungsgrund kann sich hingegen allein aus der —hinter dem Vorwurf der Rechtsbeugung stehenden— Verletzung materieller oder prozessualer Rechtssätze ergeben.

9 2. Der Kläger hat nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass das Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), weil bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war (§ 119 Nr. 2 FGO). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere hat er nicht erläutert, dass X trotz erfolgreicher Ablehnung an dem Urteil in dem Verfahren 2 K 996/11 mitgewirkt hat. Er hat lediglich —in unsubstantiierter Weise— erklärt, dass X systematisch mit gesetzlichen Verfahrensverstößen das ihm zustehende rechtliche Gehör habe einschränken wollen, weil er parteiisch gewesen sei. Dass er X aus diesem Grunde aber wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO abgelehnt habe, hat der Kläger nicht vorgetragen.

10 3. Der Kläger hat auch nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass das Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht, weil einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war (§ 119 Nr. 3 FGO). Sein Vortrag, X habe nicht mehr als 15 Minuten mit der mündlichen Verhandlung abwarten wollen, obwohl er davon unterrichtet worden sei, dass der Kläger aufgrund eines Notarzteinsatzes am Gleis nicht rechtzeitig zu der Verhandlung würde erscheinen können, reicht hierfür nicht aus.

11 a) Die Garantie des rechtlichen Gehörs gebietet, dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern und sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten im Prozess zu behaupten (, BFH/NV 1991, 397, m.w.N.). Das FG genügt diesem Gebot in der Regel dadurch, dass es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt, die mündliche Verhandlung eröffnet und den erschienenen Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gibt (BFH-Beschlüsse vom 13. März 1997 III B 185/96, BFH/NV 1997, 773; vom 13. Dezember 2000 VIII B 84/00, juris). Es muss nicht unbedingt der Beteiligte selbst geladen und diesem die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Ist ein Prozessbevollmächtigter bestellt, ist es ausreichend, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör von diesem wahrgenommen werden kann (Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 91 Rz 29); eine Ladung des Beteiligten selbst ist in diesen Fällen grundsätzlich entbehrlich (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91 FGO Rz 40).

12 b) Hiervon ausgehend hat der Kläger nicht dargelegt, warum ihm das FG das rechtliche Gehör verweigert haben soll. Er hat insbesondere nicht erläutert, warum es nicht ausreichend war, dass sein Prozessbevollmächtigter, der nach dem Sitzungsprotokoll in der Verhandlung anwesend war, an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Diese Frage stellt sich umso mehr, als allein die Statthaftigkeit der Restitutionsklage streitig war, wozu grundsätzlich auch ein Prozessbevollmächtigter in ausreichender Weise Stellung nehmen kann.

13 4. Mit seinem Vortrag, X habe als Einzelrichter entgegen § 134 FGO i.V.m. § 578 Abs. 2 ZPO die Nichtigkeits- und die Restitutionsklage zur gemeinsamen Verhandlung verbunden, macht der Kläger schließlich ebenfalls keinen Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

14 Zwar mag ein Verfahrensfehler vorliegen. Denn § 578 Abs. 2 ZPO schreibt ausdrücklich vor, dass die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen ist, wenn beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben werden. Diese Rechtsfolge ist zwingend; ein Ermessen des Gerichts besteht insoweit nicht (vgl. , BFH/NV 2003, 1338).

15 Der Kläger hat aber nicht dargelegt, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann. Dafür wäre ein schlüssiger Vortrag erforderlich, aus dem sich ergibt, dass das Urteil ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschlüsse vom 29. November 2007 VIII B 58/07, BFH/NV 2008, 399; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501). Daran fehlt es hier. Denn der Kläger hat nicht erläutert, weshalb die Statthaftigkeit der Restitutionsklage anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn X das Verfahren über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage ausgesetzt hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 391 Nr. 3
EAAAE-26236