Anforderung an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung (hier: Arbeitsstätte und Betriebsstätte)
Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1, AO § 12, EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 96
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war in den Streitjahren als selbständige Versicherungsvertreterin tätig. Sie begehrt die Zulassung der Revision gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für Unterprovisionen sowie weiterer Kfz-Kosten als Betriebsausgaben jeweils im Schätzungswege sowie die Berücksichtigung von Unterstützungsleistungen an ihre Tochter als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt hat. Sie stützt ihre Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel.
2 II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Voraussetzungen der Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt.
3 1. Die Klägerin erachtet die Frage, ob ein selbständiger Gewerbetreibender an einem Ort, den er einmal wöchentlich aus betrieblichen Gründen aufsucht, eine Betriebsstätte i.S. von § 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat, für grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die Frage bisher nur für Arbeitnehmer entschieden sei.
4 a) Sie hat schon nicht dargelegt, inwiefern die Klärung der Frage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liege (Klärungsbedürftigkeit, Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32). In der Sache handelt es sich lediglich um die Rechtsanwendung im Einzelfall. Eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt, genügt nicht (vgl. Senatsbeschluss vom X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).
5 b) Insbesondere hat sich die Klägerin nicht, was erforderlich gewesen wäre, mit der bereits zu dieser Thematik vorliegenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auseinandergesetzt.
6 Bereits auf das von ihr selbst zitierte und in der Einspruchsentscheidung wiedergegebene (BFH/NV 1994, 701) ist sie nicht näher eingegangen. Es definiert den Begriff der Betriebsstätte abweichend von § 12 der Abgabenordnung und fasst die Betriebsstätte nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG sowie die Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG im Anwendungsbereich dieser Vorschriften zu der „Beschäftigungsstätte” zusammen. Damit werden für Zwecke dieser Vorschriften die tatbestandlichen Voraussetzungen für Arbeitsstätte bzw. Betriebsstätte einheitlich interpretiert. Auf die weitere Rechtsprechung hierzu (vgl. etwa Entscheidungen vom IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vom X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; vom X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734; vom X B 151/02, BFH/NV 2004, 951) ist die Klägerin ebenfalls nicht eingegangen.
7 c) Sie hat schließlich die Entscheidungserheblichkeit und damit die Klärungsfähigkeit der von ihr formulierten Frage nicht dargelegt. Die Art, die als Betriebsausgaben zu berücksichtigenden Fahrzeugkosten zu berechnen, hängt davon ab, ob das Fahrzeug im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten wird. Darauf hat bereits das FG über seinen Verweis auf die Klageerwiderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) aufmerksam gemacht. Da die Klägerin weder Aufzeichnungen zu den insgesamt gefahrenen Kilometern vorlegen konnte noch schlüssige Angaben dazu gemacht hat, lässt sich nicht feststellen, welchen Umfang ihre neben den hier streitigen wöchentlichen Fahrten durchgeführten betrieblich bedingten Fahrten hatten und ob das Fahrzeug oder die Fahrzeuge noch in ihr Privatvermögen gehörten. Sollten Fahrzeuge in ihr Betriebsvermögen gehört haben, wofür allerdings der von ihr selbst behauptete Umfang betrieblich veranlasster Fahrten spräche, so bedürfte es wenigstens näherungsweiser Angaben zu den insgesamt entstandenen Fahrzeugkosten einschließlich der für die Ermittlung der Privatanteile nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG erforderlichen Angaben zu den Anschaffungskosten, um die Entscheidungserheblichkeit der von ihr aufgeworfenen Frage beurteilen zu können.
8 2. Mit den Ausführungen, das FG habe bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und damit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, legt die Klägerin keinen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar. Derartige Fehler wären, lägen sie vor, lediglich materiell-rechtliche Fehler (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82, 83).
9 Der Senat weist allerdings ergänzend darauf hin, dass er schon nicht nachvollziehen kann, inwieweit die Beweiswürdigung fehlerhaft sein soll.
10 a) Die Klägerin macht Aufwand für Unterprovisionen geltend. Sie trägt die Feststellungslast für steuermindernde Umstände. Die einer Schätzung eigenen Unsicherheiten gehen zu ihren Lasten, da sie durch unzureichende Mitwirkung im Besteuerungsverfahren Grund zur Schätzung gegeben hat. Selbst wenn Versicherungsvertreter im Allgemeinen 25 % ihrer Einnahmen als Unterprovisionen aufwenden (müssen), beweist das noch nicht, dass es sich im Falle der Klägerin ebenfalls so verhält und die stattdessen angesetzte Quote von 15 % zwingend falsch ist. Zudem hat das FG ausgeführt, dass ein Teil der Einnahmen nicht erfolgsabhängig war, so dass die Quote bezogen auf die erfolgsabhängigen Provisionen höher ausgefallen ist (Seite 14 des Urteils).
11 b) Die Klägerin meint weiter, das FG habe die schriftlichen Bestätigungen der Tochter hinsichtlich der Frage, ob das erhaltene Geld zurückgezahlt werden soll, fehlerhaft ausgelegt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bestätigung anders zu verstehen sein sollte, als das FG sie verstanden hat. Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung außerdem darauf gestützt, dass die Zahlungen einer Haushaltsgemeinschaft aus fünf Personen zu Gute gekommen seien, deren Einkünfte und Vermögenswerte nicht feststellbar seien. Zu dieser zweiten und für sich die Entscheidung tragenden Begründung hat die Klägerin keine zulässigen Rügen erhoben.
12 3. Soweit die Klägerin in beiden Punkten einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO in Gestalt des Übergehens von Beweisantritten rügt, hat sie einen Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
13 Das FG musste den Vernehmungsanträgen aus den in dessen Urteil ausgeführten Gründen nicht nachgehen. Zudem gehört das Übergehen eines Beweisantrags zu den verzichtbaren Mängeln, bei denen das Rügerecht durch das Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge jedenfalls dann regelmäßig verloren geht, wenn der Beteiligte wie hier die Klägerin in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten war (vgl. Senatsbeschluss vom X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150).
14 4. Schließlich hat die Klägerin auch einen Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO durch Verletzung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Es ist nicht erkennbar, worin die Überraschung gelegen haben soll, nachdem die Klägerin ihre Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung nicht mehr wiederholt hat. Welchen Vortrag das FG darüber hinaus nicht berücksichtigt habe, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
15 5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Gründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 245 Nr. 2
QAAAE-24972