BAG Beschluss v. - 7 ABR 16/11

Übertragung der Monatsgespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf den Betriebsausschuss

Gesetze: § 27 Abs 2 S 1 BetrVG, § 27 Abs 2 S 2 BetrVG, § 74 Abs 1 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 1 BV 14/09 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 15 TaBV 115/09 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat dem Betriebsausschuss die in § 74 Abs. 1 BetrVG geregelte Aufgabe der monatlichen Besprechungen mit der Arbeitgeberin übertragen kann.

2Die zu 3. beteiligte Arbeitgeberin stellt Nutzfahrzeuge her. Der Antragsteller ist Mitglied des in ihrem Betrieb in S zuletzt im März 2010 gewählten und zu 2. beteiligten 21-köpfigen Betriebsrats. Er kandidierte auf der Vorschlagsliste „Mehr Öffentlichkeit“; 19 Betriebsratsmitglieder sind aufgrund eines Wahlvorschlags der im Betrieb der Arbeitgeberin vertretenen Industriegewerkschaft Metall gewählt worden. Neben dem Betriebsausschuss hat der Betriebsrat acht Ausschüsse für besondere Sachaufgaben gebildet (Personalausschuss, Sozialausschuss, Berufsbildungsausschuss, Planungsausschuss, Ausschuss für Arbeits- und Gesundheitsschutz, für Entgeltfragen, für Neue Technologien und für Öffentlichkeitsarbeit). Der Antragsteller ist weder im Betriebsausschuss noch in einem der anderen Ausschüsse vertreten.

3Bereits in der vorangegangenen Wahlperiode hatte der Betriebsrat beschlossen, entsprechend der bisherigen Praxis den Betriebsausschuss mit der Durchführung der monatlichen Besprechungen mit der Arbeitgeberin zu beauftragen. Einen inhaltsgleichen Beschluss fasste der - neu gewählte - Betriebsrat am .

4Gegen diese Aufgabenübertragung auf den Betriebsausschuss hat sich der Antragsteller mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, das in § 74 Abs. 1 BetrVG vorgesehene monatliche Gespräch habe zwischen dem gesamten Betriebsratsgremium und der Arbeitgeberin stattzufinden. Es gehöre zum Kernbereich der Betriebsratsaufgaben. Eine nur mittelbare Kommunikation über die Mitglieder des Betriebsausschusses berge insbesondere für diejenigen Betriebsratsmitglieder, die - wie er - über „Minderheitslisten“ gewählt und im Betriebsausschuss nicht vertreten seien, die Gefahr eines Ausschlusses von Informationen.

Der Antragsteller hat - zuletzt - beantragt

6Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.

7Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

8B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Das zulässige Feststellungsbegehren ist unbegründet. Zwar gehören die monatlichen Besprechungen von Arbeitgeber und Betriebsrat iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG nicht zu den „laufenden Geschäften“ des Betriebsrats, die der Betriebsausschuss nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG führt. Die Entscheidung des Betriebsrats, seine Besprechungspflicht mit der Arbeitgeberin dem Betriebsausschuss zu übertragen, ist aber nicht zu beanstanden. Der Betriebsrat ist zu dieser Aufgabenübertragung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt.

9I. Der Antrag ist zulässig.

101. Der Antragsteller ist nach § 81 Abs. 1 ArbGG antragsbefugt. Als Mitglied des Betriebsrats ist er durch die im Antrag näher beschriebene Aufgabenübertragung auf den Betriebsausschuss in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen. Damit ist er berechtigt, die Zulässigkeit der Aufgabendelegation gerichtlich klären zu lassen (vgl. bereits  - zu II 3 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3; vgl. auch - ohne weitere Problematisierung der Antragsbefugnis - für eine von allen Betriebsratsmitgliedern einer [Minderheiten-]Liste angegriffene Übertragung von Aufgaben auf gemeinsame Ausschüsse  - BAGE 75, 1).

112. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

12a) Nach der auch für das Beschlussverfahren geltenden Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hat der Antragsteller diejenige Maßnahme oder denjenigen betrieblichen Vorgang, für die oder den eine Berechtigung - sei es als Mitbestimmungsrecht, sei es als Kompetenzregelung - in Anspruch genommen oder geleugnet wird, so genau zu bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag zweifelsfrei feststeht, für welche Maßnahme oder welchen Vorgang das Recht bejaht oder verneint worden ist. Nur so können der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis nach § 308 ZPO sowie Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO festgestellt werden (vgl.  - Rn. 13 mwN, AP BetrVG 1972 § 17 Nr. 9 = EzA BetrVG 2001 § 17 Nr. 2).

13b) Diesem Erfordernis wird der Antrag nach der gebotenen Auslegung gerecht.

14aa) Das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass die Betrauung des Betriebsausschusses mit der Durchführung der Monatsgespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat iSd. § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unwirksam ist. Damit ist kein ganz bestimmter Betriebsratsbeschluss oder Aufgabenübertragungs„akt“ Verfahrensgegenstand. Streitbefangen ist vielmehr das - allgemeiner zu verstehende - Begehren der Feststellung einer „Nichtberechtigung“ des Betriebsrats.

15bb) Dieses ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend konkret beschrieben. Es geht dem Antragsteller um die Frage, ob der Betriebsrat als in § 74 Abs. 1 BetrVG genannter Gesprächspartner sein Recht und seine Pflicht, mit dem Arbeitgeber zu Besprechungen nach dieser Vorschrift zusammenzutreten, auf den Betriebsausschuss übertragen kann. Unklarheiten über den Umfang der objektiven Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden oder ihn abweisenden gerichtlichen Sachentscheidung sind nicht zu besorgen.

163. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Der Streit darüber, ob der Betriebsrat die Führung der Monatsgespräche iSd. § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf den Betriebsausschuss übertragen kann, betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches (Binnen-)Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Antragsteller im Sinn einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung einer Person zu einer anderen Person. Der Antragsteller hat an der begehrten alsbaldigen Feststellung ein berechtigtes Interesse, weil der Betriebsrat sich eines Rechts zur Delegation der Aufgabe auf den Betriebsausschuss berühmt, entsprechende Beschlüsse gefasst hat und entsprechend verfährt.

17II. Der Antrag ist unbegründet. Zwar zählen die - mindestens einmal im Monat durchzuführenden - Besprechungen von Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG nicht zu den laufenden Geschäften des Betriebsrats, für deren Wahrnehmung der Betriebsausschuss bereits nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zuständig ist. Der Betriebsrat war aber nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt, dem Betriebsausschuss die Teilnahme an diesen Gesprächen zu übertragen.

181. Bei den Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG handelt es sich nicht um „laufende Geschäfte“ iSd. § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, für deren Wahrnehmung der Betriebsausschuss kraft gesetzlicher Zuweisung zuständig ist.

19a) § 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG unterscheiden zwischen den „laufenden Geschäften“, deren Wahrnehmung dem Betriebsausschuss kraft Gesetzes übertragen ist, und den „Aufgaben zur selbständigen Erledigung“, die ihm mittels qualifizierten Mehrheitsbeschlusses übertragen werden können. Während „laufende Geschäfte“ regelmäßig interne, verwaltungsmäßige, organisatorische und ggf. wiederkehrende Aufgaben des Betriebsrats meinen, also etwa die Erledigung des Schriftverkehrs, Entgegennahme von Anträgen von Arbeitnehmern, die Einholung von Auskünften, die Vorbereitung von Betriebsratssitzungen sowie von Betriebs-, Teil- und Abteilungsversammlungen (vgl.  - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 69, 49; zum Personalvertretungsrecht  VII P 17.70 - AP PersVG § 53 Nr. 2; - VII P 3.69 - BVerwGE 34, 180, 187), betreffen „Aufgaben zur selbständigen Erledigung“ regelmäßig Angelegenheiten aus dem Rechte- und Pflichtenkreis des Betriebsrats im Verhältnis zur Belegschaft, vor allem aber im Verhältnis zum Arbeitgeber, also die Beteiligungs- und Mitbestimmungsangelegenheiten im weitesten Sinn. Dies zeigt sich insbesondere an § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG. Hiernach ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen ausdrücklich von einer Übertragung auf den Betriebsausschuss ausgenommen; Betriebsvereinbarungen betreffen aber - jedenfalls typischerweise - beteiligungs- und mitbestimmungspflichtige Sachverhalte.

20b) Danach zählen die Besprechungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG nicht zu den laufenden Geschäften iSd. § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (im Ergebnis ebenso: DKKW/Berg 13. Aufl. § 74 Rn. 7; ErfK/Kania 12. Aufl. § 74 BetrVG Rn. 5; Fitting 26. Aufl. § 74 Rn. 5; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 74 Rn. 14; Löwisch/Kaiser Kommentar zum BetrVG 6. Aufl. § 74 Rn. 4; Richardi in Richardi BetrVG 13. Aufl. § 74 Rn. 7; Preis in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 74 Rn. 3). Auch wenn die Besprechungen periodisch stattfinden (sollen), dienen sie nicht internen verwaltungs- und organisatorischen Zwecken des Betriebsrats, sondern - wie insbesondere die den Dialog flankierende Verhandlungspflicht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeigt - der Erörterung anstehender, betriebsverfassungsrechtlicher Probleme und dem Ziel, bei Konflikten möglichst frühzeitig eine gemeinsame Lösung zu finden. Sie sind, wie auch ihre systematische Stellung im Vierten Teil des BetrVG unter der Überschrift „Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ zeigt, Teil der materiellen Betriebsverfassung und sollen - als Ausprägung des Grundsatzes vertrauensvoller Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 BetrVG - den Informationsaustausch zwischen den Betriebsparteien und eine frühzeitige Konfliktklärung sicherstellen (zu § 66 BPersVG vgl.  - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 58, 107).

212. Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat aber seine aus § 74 Abs. 1 BetrVG folgende Besprechungspflicht nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf den Betriebsausschuss übertragen. Dies ist nicht zu beanstanden.

22a) Grundsätzlich entscheidet der Betriebsrat eigenverantwortlich darüber, inwieweit er im Interesse einer effektiven, flexiblen Betriebsratsarbeit die Übertragung von Aufgaben an den Betriebsausschuss für zweckmäßig erachtet.

23aa) Der Betriebsausschuss kann grundsätzlich mit jeder Aufgabe betraut werden, für die der Betriebsrat zuständig ist. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Aufgabenübertragung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nur den Abschluss von Betriebsvereinbarungen ausgenommen hat (vgl.  - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1).

24bb) Neben dieser ausdrücklich normierten Einschränkung hat der Betriebsrat bei der Übertragung seiner Aufgaben eine (ungeschriebene) Binnenschranke zu beachten. Er darf sich nicht aller Befugnisse entäußern und muss in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse als Gesamtorgan zuständig bleiben. Diese immanente Schranke erfasst Ausnahmefälle und soll verhindern, dass der Betriebsrat durch eine umfassende Aufgabenübertragung zur Bedeutungslosigkeit verkümmert (vgl.  - zu B II 4 der Gründe, BAGE 75, 1). Wie § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG zeigt, darf der Betriebsrat als Gremium nicht belanglos werden. Bei der Beurteilung dieser Frage ist aber nicht auf einen einzelnen Mitbestimmungstatbestand, sondern auf den gesamten Aufgabenbereich des Betriebsrats abzustellen (vgl. bereits  - AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3; so auch - 2 AZR 275/04 - zu C I 2 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1). Eine punktuelle Betrachtung, nach der hinsichtlich jeder einzelnen Aufgabe dem Betriebsrat eine (Rest-)Kompetenz verbleiben müsste, würde eine Einschränkung seiner Befugnis zur Aufgabenübertragung bedeuten, die weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit Sinn und Zweck der §§ 27 f. BetrVG zu vereinbaren wäre (vgl.  - zu B II 4 b aa der Gründe, BAGE 75, 1). Auch die komplette Übertragung eines einzelnen Mitbestimmungstatbestandes auf einen Ausschuss begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken (zur Übertragung der Befugnisse nach §§ 92 bis 95 BetrVG vgl.  - AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3).

25cc) Die Entscheidung des Betriebsrats, welche Aufgaben er an den Betriebsausschuss (und an weitere Ausschüsse) überträgt, ist gerichtlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbar (hierzu  - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1; - 7 ABR 26/93 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 75, 1).

26b) Gemessen hieran ist die verfahrensgegenständliche Aufgabenübertragung rechtmäßig.

27aa) Die Besprechung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG ist eine Aufgabe des Betriebsrats. Dieser ist damit grundsätzlich berechtigt, den Betriebsausschuss mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu beauftragen (offengelassen von  - zu 2 der Gründe, BAGE 45, 22; ebenso DKKW/Berg § 74 Rn. 7; ErfK/Kania § 74 BetrVG Rn. 5; Fitting § 74 Rn. 5; HaKo-BetrVG/Lorenz 3. Aufl. § 74 Rn. 3; Preis in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG § 74 Rn. 3; grds. aA Kreutz GK-BetrVG § 74 Rn. 14; Löwisch/Kaiser Kommentar zum BetrVG § 74 Rn. 4; diff. [nur für den Fall der Erörterung von Angelegenheiten, die dem Betriebsausschuss übertragen sind] Richardi in Richardi BetrVG § 74 Rn. 7; wohl auch H/S/W/G/N/R/Worzalla 8. Aufl. § 74 Rn. 4). Eine andere Ansicht führte zu dem (wertungs-)widersprüchlichen Ergebnis, dass es einerseits möglich wäre, die Erledigung jeglicher Betriebsratsaufgaben - nur mit der Ausnahme des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen - zu delegieren, andererseits aber entsprechende Vorbesprechungen zwischen Betriebsausschuss und Arbeitgeber ausgeschlossen wären.

28bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht dem weder die Bedeutung des Monatsgesprächs „an sich“ entgegen noch läuft der Betriebsrat im vorliegenden Fall mit der Übertragung der Besprechungspflicht auf den Betriebsausschuss Gefahr, als Gremium zur Bedeutungslosigkeit zu verkümmern.

29(1) Ein den unübertragbaren Kernbereich der Kompetenz des Betriebsrats betreffender Eingriff ist mit der Übertragung der monatlichen Zusammenkünfte mit dem Arbeitgeber zu Besprechungen iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG auf den Betriebsausschuss schon deshalb nicht verbunden, weil während dieser Zusammenkünfte keine Entscheidungen getroffen werden können. Kennzeichnend für die in § 74 Abs. 1 BetrVG geregelte Besprechungs- (und Verhandlungs-)pflicht ist vielmehr, dass ihre Teilnehmer nicht verpflichtet sind und nicht verpflichtet werden können, für die jeweilige Seite bindende Beschlüsse zu fassen (vgl.  - zu 2 der Gründe, BAGE 45, 22). Soweit der Betriebsrat Aufgaben „abgibt“, die - wie das Monatsgespräch - einen vorbereitenden, beratenden oder informativ-klärenden Charakter haben, ist die Möglichkeit einer „regulierten Selbstentwertung“ des Kollektivorgans daher bereits strukturell ausgeschlossen.

30(2) Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Betriebsrat im vorliegenden Streitfall wegen der Übertragung der Monatsgespräche auf den Betriebsausschuss zur Bedeutungslosigkeit zu verkümmern droht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der weiteren von ihm gebildeten Ausschüsse und entsprechender Aufgabenübertragungen. Nicht die Betrauung des Betriebsausschusses mit der Teilnahme an den Monatsgesprächen des § 74 Abs. 1 BetrVG ist geeignet, den Kernbereich gesetzlicher Befugnisse des Betriebsrats zu tangieren, sondern allenfalls eine anderweitige umfassende Übertragung von Entscheidungsbefugnissen.

31cc) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Aufgabenübertragung schließlich nicht im Hinblick auf den „Minderheitenschutz“ von Betriebsratsmitgliedern unrechtmäßig oder gestaltungsmissbräuchlich.

32(1) Der im BetrVG bei verschiedenen organisatorischen Vorschriften - vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG - zum Ausdruck kommende „Schutz der im Betriebsrat vertretenen Minderheitenkoalitionen“ (hierzu  - zu B II 1 b bb (3) der Gründe, AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 7 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 3) steht der Übertragung der Besprechungspflicht nach § 74 Abs. 1 BetrVG vom Betriebsrat auf den Betriebsausschuss nicht entgegen. Eine gegenteilige Annahme führte zu dem Ergebnis, dass die Minderheitenfraktion eines Betriebsrats jedwede Übertragung von Aufgaben iSv. § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG konterkarieren könnte. Das BetrVG gewährt den Minderheitenkoalitionen aber nur einen durch die Vorschriften zur Wahl der Ausschussmitglieder vermittelten „begrenzten“ Schutz. Er wird bei der Besetzung des Betriebsausschusses durch § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG verwirklicht. Hiernach sind die - neben dem Vorsitzenden des Betriebsrats und dessen Stellvertreter - weiteren Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen. Der Minderheitenschutz ist im Übrigen flankiert durch § 34 Abs. 3 BetrVG. Danach hat jedes Betriebsratsmitglied - nicht nur ein Ausschussmitglied - das Recht, Unterlagen des Betriebsrats einzusehen (vgl. hierzu  - BAGE 131, 316). Der Antragsteller übersieht bei seiner Argumentation, dass das Monatsgespräch des § 74 Abs. 1 BetrVG nicht der Information des einzelnen Betriebsratsmitglieds oder seinem höchstpersönlichen Austausch mit dem Arbeitgeber dient, sondern eine - delegationsfähige - Aufgabe und Pflicht des Gesamtorgans ist.

(2) Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung der Monatsgespräche auf den Betriebsausschuss allein erfolgte, um den Antragsteller als Vertreter einer Minderheitenliste von einer diskursiven Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberin oder von Informationen auszuschließen, sind nicht ersichtlich. Hiergegen spricht zum einen, dass der Betriebsrat - ohne dass er dies müsste - seine Entscheidung ua. damit gerechtfertigt hat, bei einer Wahrnehmung der Monatsbesprechungen durch ihn als Gremium wäre der Teilnehmerkreis für einen konstruktiven und effektiven Dialog wohl zu groß. Derartige - nachvollziehbare - Überlegungen darf der Betriebsrat bei seiner Entscheidung einer Aufgabenübertragung auf den Betriebsausschuss ohne Weiteres einfließen lassen. Die „Beschränkung“ des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs auf eine Rechtskontrolle bedeutet nicht, dass der Betriebsrat nicht seinerseits Zweckmäßigkeitsüberlegungen bei seiner Entscheidung über die Aufgabendelegation anstellen kann. Gegen einen gezielten Ausschluss des Antragstellers von der Wahrnehmung der Monatsgespräche dürfte zum anderen sprechen, dass die verfahrensgegenständliche Aufgabenübertragung nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts einer langjährigen Praxis entspricht. Sollte in diesem Zusammenhang die Berichterstattungspflicht des Ausschusses an das Plenum des Betriebsrats - wie vom Antragsteller behauptet - mangelhaft sein, führte dies nicht zur Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung als solche, sondern wäre durch den Betriebsrat zu beheben (in diesem Sinn bereits  - zu III 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
DB 2013 S. 1241 Nr. 22
IAAAE-23326