Restitution bei Miterbengemeinschaft
Gesetze: § 1 VermG, § 2 Abs 1 S 1 VermG, § 2 Abs 4 VermG
Instanzenzug: VG Frankfurt (Oder) Az: 4 K 1038/10 Urteil
Gründe
1Die Klägerin ist Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach Rudolf K., der 1918 verstorben war. Sie begehrt eine Entschädigung zugunsten mehrerer Miterben, darunter auch von sich selbst, für den Verlust mehrerer Grundstücke in S. Der Beklagte stellte zu gerichtlichem Protokoll am fest, dass (nur) die Klägerin Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG sei und Anspruch auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz habe, und setzte mit Bescheid vom eine Entschädigung zu Ihren Gunsten fest. Ihr Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid wurde zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Es ist davon ausgegangen, dass nicht der Erbengemeinschaft als solcher die Grundstücke, sondern den einzelnen Miterben durch mehrere Teilakte, die miteinander nicht in Zusammenhang standen, die jeweiligen Miterbenanteile entzogen worden seien; das sei durch den Bescheid vom verbindlich festgestellt und im Übrigen auch richtig.
2Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
31. Das angefochtene Urteil leidet nicht an dem behaupteten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Klägerin sieht ihren Anspruch auf den gesetzlichen Richter (§ 138 Nr. 1 VwGO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) dadurch verletzt, dass über ihre Klage der Einzelrichter entschieden habe, obwohl die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vorgelegen hätten. Der Beschluss der Kammer, den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung zu übertragen, ist jedoch unanfechtbar (§ 6 Abs. 4 VwGO). Das hat grundsätzlich auch zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind (§ 173 VwGO i.V.m. § 552 Abs. 2 ZPO). Ob die Übertragungsentscheidung in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise dennoch der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht unterliegt, etwa weil die Übertragung "greifbar gesetzwidrig" ist oder der - grundsätzlich weite - Beurteilungsspielraum der Kammer bei der Anwendung der Übertragungsgründe des § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO überschritten ist (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 und vom - BVerwG 8 B 9.11 - ZOV 2011, 176, jeweils m.w.N.), mag offen bleiben; denn hierfür ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nichts. Die Klägerin legt lediglich dar, dass die Rechtssache nach ihrer Auffassung von grundsätzlicher Bedeutung ist sowie besondere Schwierigkeiten sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hin sicht aufweise. Damit setzt sie der Beurteilung der Kammer lediglich ihre eigene Beurteilung entgegen, ohne darzutun, dass die Beurteilung der Kammer unvertretbar wäre.
42. Der Zulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht schlüssig dargetan (§ 133 Abs. 3 VwGO). Hierzu genügt der Vortrag nicht, dass das Verwaltungsgericht die - im Einzelnen zitierte - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts missachtet und deshalb falsch entschieden habe. Erforderlich wäre vielmehr gewesen, einen abstrakten Rechtssatz aufzuzeigen, den das Verwaltungsgericht aufgestellt und auf den es die angefochtene Entscheidung gestützt hat, und dem einen abweichenden ebenso abstrakten Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Divergenzgerichte gegenüberzustellen (stRspr; vgl. BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 m.w.N.). Das leistet die Klägerin nicht. Sie arbeitet aus der angefochtenen Entscheidung keine rechtlichen Obersätze heraus, mit der das Verwaltungsgericht von bestimmten Obersätzen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen wäre.
5Das gilt namentlich für die hauptsächliche Rüge, das Verwaltungsgericht habe den vom Beklagten zu gerichtlichem Protokoll erklärten Grundlagenbescheid vom für wirksam gehalten, obwohl im gerichtlichen Protokoll der Vermerk "vorgelesen und genehmigt" fehle. Das Verwaltungsgericht hat die nötige Schriftlichkeit des Grundlagenbescheides schon durch die Ausfertigung des Protokolls gewahrt gesehen; auf die Frage, ob es des von der Klägerin vermissten Vermerks bedurft hätte, ist es nicht eingegangen. Nichts anderes gilt für die Rüge, die Auslegung, die das Verwaltungsgericht diesem Grundlagenbescheid gegeben habe, sei "nicht gesetzeskonform". Dass das Verwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt hätte, es dürfe einen Verwaltungsakt entgegen dem Gesetz, d.h. also so auslegen, dass er einen rechtswidrigen Inhalt erhalte, ist weder dargetan noch ersichtlich.
6Ebenso wenig ist dargetan, dass das Verwaltungsgericht dem Grundlagenbescheid einen Regelungsgehalt beigelegt hätte, der mit § 2a VermG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch stünde. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin geht an dem angefochtenen Urteil vorbei. Richtig ist zwar, dass bei Entzug eines Grundstücks, das im Zeitpunkt der Entziehung im Eigentum einer Erbengemeinschaft stand, die Erbengemeinschaft als solche Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes ist, sofern der Entzug einen der Tatbestände des § 1 VermG erfüllt, und dass ein Mitglied der Erbengemeinschaft dementsprechend nur Rückgabe an die Miterbengemeinschaft verlangen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VermG; BVerwG 7 C 22.96 - Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 3). Ebenso richtig ist, dass dies auch dann gilt, wenn ein Miterbe - nachdem auch er den Restitutionsantrag gestellt hat - seinen Rückgabeantrag zurücknimmt oder auf seine Rechte an dem Grundstück verzichtet; eine solche Erklärung führt nicht zu seinem Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft (vgl. § 2033 Abs. 2 BGB, § 2a Abs. 3 VermG; BVerwG 7 C 10.02 - Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 7 S. 5 f.). Schließlich ist der Klägerin auch zuzugeben, dass die Restitution an die Miterbengemeinschaft nicht deshalb ausscheidet, weil im Zeitpunkt der Schädigung ein Miterbenanteil im Volkseigentum gestanden hatte ( BVerwG 8 C 23.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 21 S. 85). All dies setzt aber voraus, dass Gegenstand der Schädigung das Grundstück oder ein anderer Nachlassgegenstand war. Anders verhält es sich, wenn Gegenstand der Schädigung nicht der Nachlassgegenstand, sondern der Miterbenanteil als solcher war; dann kann allenfalls der jeweils geschädigte Miterbe Restitution des Miterbenanteils an sich selbst verlangen. So liegt es nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall. Hierzu hat es auf den Umstand verwiesen, dass nicht ein, sondern insgesamt drei Entzugsakte vorliegen, die sich jeweils gegen einen der seinerzeit drei Miterben richteten, und dass jedenfalls der erste dieser drei Entzugsakte (von 1948/49) mit den beiden anderen (von 1972) nicht derart in sachlichem Zusammenhang stand, dass der Tatbestand einer sogenannten sukzessiven Enteignung erfüllt wäre (vgl. hierzu BVerwG 7 C 13.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141 S. 431 und vom a.a.O.; BVerwG 8 B 84.11 - ZOV 2012, 158). Inwiefern das Verwaltungsgericht hierbei von der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen wäre, legt die Klägerin nicht dar; es ist auch nicht ersichtlich.
73. Der Rechtssache kommt schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das würde voraussetzen, dass die Rechtssache eine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufwirft, deren Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und zur Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus beiträgt. Daran fehlt es. Die von der Klägerin sinngemäß bezeichnete Rechtsfrage, ob ein Verwaltungsakt eine gesetzlich vorgeschriebene Schriftform auch wahrt, wenn er von der Behörde zu Protokoll des Gerichts erklärt wurde, das Protokoll aber nicht vermerkt, dass diese Erklärung "vorgelesen und genehmigt" wurde, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn das Protokoll des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom enthält einen dahingehenden Vermerk, der sich zwar unmittelbar nur auf die nachfolgende Prozesserklärung (Erledigungserklärung) der Behörde bezieht, aber ersichtlich deren vorangegangene Sacherklärungen einschließt. Die Behörde hat dementsprechend die Wirksamkeit ihres Verwaltungsaktes zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen.
8Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 GKG.
Fundstelle(n):
DAAAE-22548