BGH Beschluss v. - V ZB 90/12

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Auf Antrag der Gläubigerin zu 1 ordnete das Amtsgericht am die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Schuldnerin an. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 4 Mio. ? festgesetzt. In dem ersten Versteigerungstermin am wurde kein Gebot abgegeben. Den Beitritt der Gläubigerin zu 2 zu dem Verfahren ließ das zu. Den Zuschlag auf das in dem zweiten Versteigerungstermin am abgegebene Meistgebot von 500.000 ? versagte das Amtsgericht nach § 85a Abs. 1 ZVG, den auf das in einem weiteren Versteigerungstermin abgegebene Meistgebot von 1 Mio. ? nach § 33 ZVG. Nach der Aufhebung des von der Gläubigerin zu 1 betriebenen Verfahrens blieb der vierte Versteigerungstermin wegen der Nichtabgabe von Geboten ergebnislos. Das Verfahren der Gläubigerin zu 2 wurde deshalb einstweilen eingestellt, später fortgesetzt und der Beitritt der Gläubigerin zu 1 zugelassen. In dem fünften Versteigerungstermin wurde das Verfahren der Gläubigerin zu 2 aufgrund der von ihr vor dem Schluss der Versteigerung abgegebenen Bewilligung einstweilen eingestellt; hinsichtlich des Verfahrens der Gläubigerin zu 1 wurde der Versteigerungstermin aufgehoben.

2 Vor dem auf den anberaumten sechsten Versteigerungstermin wies die Rechtspflegerin darauf hin, dass der Terminsvertreter der Gläubigerin zu 1 in dem zweiten Versteigerungstermin das Gebot von 500.000 ? für einen Dritten abgegeben habe und deshalb die Vermutung bestehe, es sei nicht aus tatsächlicher Erwerbsabsicht abgegeben worden, sondern um die Wertgrenzen der §§ 74a, 85a ZVG in Wegfall zu bringen; werde diese Vermutung nicht widerlegt, bestünden die Wertgrenzen in dem nächsten Termin weiter. In dem sechsten Versteigerungstermin erteilte das Amtsgericht dem Beteiligten zu 4 den Zuschlag auf das Meistgebot von 2,7 Mio. ?; ein - zuvor gestellter - Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin wurde zurückgewiesen. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses erreichen.

II.

3 Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht den Vollstreckungsschutzantrag zu Recht zurückgewiesen. Materielle Einwendungen seien im Vollstreckungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Die Behauptung, es sei mit dem Abschluss eines Kaufvertrags über das Versteigerungsobjekt bis Ende 2012 zu rechnen, habe die Schuldnerin weder konkretisiert noch belegt. Dass nur noch geringe Mieterträge erzielt würden, beruhe nicht auf der angeordneten Zwangsversteigerung. Finanzielle Einbußen eines Gesellschafters der Schuldnerin müssten hingenommen werden.

4 Weiter meint das Beschwerdegericht, das Amtsgericht habe zu Recht das in dem zweiten Versteigerungstermin abgegebene Meistgebot wegen Rechtsmissbrauchs als unwirksam angesehen. Dass das Gebot deshalb nach § 71 Abs. 1 ZVG hätte zurückgewiesen werden müssen, habe - mit Ausnahme der Weitergeltung der Wertgrenzen der §§ 74a, 85a ZVG - keine Auswirkungen auf den weiteren Verfahrensablauf gehabt. Insbesondere führe die Ergebnislosigkeit des vierten Versteigerungstermins wegen der Nichtabgabe von Geboten nicht zur Aufhebung des Verfahrens, "weil die Umstände der Ergebnislosigkeit nicht dieselben waren" wie in dem zweiten Versteigerungstermin.

III.

5 Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

6 1. Die form- und fristgerecht (§ 575 ZPO) eingelegte Rechtsbeschwerde ist allein aufgrund der Bindung des Senats an die Zulassung (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO) insgesamt als statthaft zu behandeln. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin zu 2 liegt keine beschränkte Zulassung des Rechtsmittels vor. Zwar kann das Beschwerdegericht eine nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO auszusprechende Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Teile des Streitstoffs beschränken. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Beschlusses angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Gegenstand zu sehen ist (, WuM 2011, 137). So liegt es hier nicht. Das Beschwerdegericht hat seine Zulassungsentscheidung zwar nur auf die Frage gestützt, welche rechtlichen Konsequenzen die nachträgliche Beurteilung eines Gebots als rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam entfaltet. Da dem Verfahren aber nur ein einzelner Streitgegenstand - nämlich die Rechtsmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung - zugrunde liegt, ist hiermit keine Beschränkung der Zulassung verbunden.

7 2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Zuschlag zu Recht erteilt.

8 a) Dem Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin (§ 765a ZPO) war nicht stattzugeben. Es wurden keine Gründe vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die Erteilung des Zuschlags unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubiger wegen ganz besonderer Umstände für den Gesellschafter W. K. eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte bedeutet.

9 aa) Die Abgabe des unwirksamen Gebots durch den Terminsvertreter der Gläubigerin zu 1 wurde ausreichend dadurch sanktioniert, dass die Wertgrenze des § 85a ZVG noch in dem letzten Versteigerungstermin galt (Senat, Beschluss vom - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 234 ff. Rn. 38 ff.; Beschluss vom - V ZB 1/08, BGHZ 177, 334, 336 ff. Rn. 7 ff.; Beschluss vom - V ZB 178/06, WM 2008, 33). Im Übrigen spielt dieser Gesichtspunkt keine Rolle mehr, weil der Zuschlag auf ein Gebot oberhalb der 5/10-Grenze erteilt wurde.

10 bb) Materiellrechtliche Einwendungen gegen den Bestand oder die Höhe der Forderungen, aufgrund derer die Zwangsversteigerungen betrieben werden, sind wegen der formalisierten Ausgestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht von dem Vollstreckungsgericht, sondern von dem Prozessgericht zu prüfen.

11 cc) Für die Berechtigung der von der Schuldnerin behaupteten Erwartung des Abschlusses eines Kaufvertrags über das Versteigerungsobjekt bis Ende 2012 gibt es mangels Konkretisierung und Nachweises keine Anhaltspunkte.

12 dd) Schließlich bleibt dem Vollstreckungsschutzantrag unter dem Gesichtspunkt der Gefahr für Leib und Leben des Schuldners (siehe dazu nur Senat, Beschluss vom - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 18 mwN) ebenfalls der Erfolg versagt. Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren Begründung, dass die Behauptung des Gesellschafters W. K. , er habe mit Krankheitsbildern zu kämpfen, welche er bislang nicht gekannt habe, keinen Anhaltspunkt für eine konkrete Lebens- oder Leibesgefahr bietet. Ihr musste deshalb nicht nachgegangen werden.

13 b) Rechtsfehlerfrei nimmt das Beschwerdegericht an, dass die fehlerhafte Behandlung des in dem zweiten Versteigerungstermin abgegebenen Meistgebots - mit Ausnahme der Weitergeltung der Wertgrenzen der §§ 74a, 85a ZVG - keine Auswirkungen auf den weiteren Verfahrensablauf hat.

14 aa) Das Amtsgericht und das Beschwerdegericht haben das in dem zweiten Versteigerungstermin von dem Terminsvertreter der Gläubigerin zu 1 für einen Dritten abgegebene Meistgebot zu Recht als unwirksam angesehen, weil es ausschließlich zu dem Zweck abgegeben wurde, die Wertgrenze nach § 85a ZVG in einem weiteren Versteigerungstermin zu Fall zu bringen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 220 ff.

Rn. 8 ff.; Beschluss vom - V ZB 1/08, BGHZ 177, 334, 336 ff. Rn. 7 ff.).

15 bb) Das Vollstreckungsgericht hätte das unwirksame Gebot nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückweisen müssen. Nachdem dies unterblieben war, konnte und musste die Unwirksamkeit bei der Beschlussfassung über den Zuschlag in dem zweiten Versteigerungstermin berücksichtigt werden; dabei war das Vollstreckungsgericht nach § 79 ZVG nicht an die rechtsfehlerhafte Zulassung des Gebots gebunden. Es hätte den Zuschlag also schon deshalb versagen müssen, weil kein wirksames Meistgebot vorlag. Die stattdessen auf § 85a Abs. 1 ZVG gestützte Versagung des Zuschlags ist rechtsfehlerhaft, weil diese Vorschrift ein wirksames Meistgebot voraussetzt. Obwohl diese Zuschlagsentscheidung nicht angefochten und damit - jedenfalls formell - rechtskräftig wurde, war das Vollstreckungsgericht nicht gehindert, im weiteren Verlauf des Verfahrens die Unwirksamkeit des Gebots festzustellen (Senat, Beschluss vom - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 234 ff. Rn. 39 ff.).

16 cc) Wäre das Vollstreckungsgericht rechtmäßig verfahren, hätte dies zur Folge gehabt, dass entweder das Verfahren der Gläubigerin zu 1 wegen fehlender Abgabe von Geboten in dem zweiten Versteigerungstermin nach § 77 Abs. 2 Satz 1 ZVG aufzuheben und das Verfahren der Gläubigerin zu 2 nach § 77 Abs. 1 ZVG einzustellen oder beide Verfahren infolge der Versagung des Zuschlags nach § 86 ZVG als einstweilen eingestellt anzusehen gewesen wären; wegen der ergebnislosen Versteigerung in dem vierten Termin wäre das Verfahren der Gläubigerin zu 2 gegebenenfalls nach § 77 Abs. 2 Satz 1 ZVG aufzuheben gewesen. Für das Vollstreckungsgericht richtet sich das weitere Verfahren jedoch - wie der Senat bereits entschieden hat - nicht danach, wie bei richtiger Beurteilung zu verfahren gewesen wäre, sondern nach den formell rechtskräftig gewordenen, wenn auch falschen Zwischenentscheidungen (Senat, Beschluss vom - V ZB 118/06, NJW 2007, 3360, 3361 Rn. 10). Es durfte deshalb einen neuen Versteigerungstermin () bestimmen.

IV.

17 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Schuldnerin, die Gerichtsgebühren zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet bei Beschwerden in Zwangsversteigerungssachen grundsätzlich nicht statt (Senat, Beschluss vom - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 237 Rn. 46). Deshalb ist die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss aufzuheben.

18 Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen; er entspricht dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Die Wertfestsetzung für die außergerichtliche Vertretung der Beteiligten beruht auf § 26 Nr. 1, 2 und 3 RVG.

Fundstelle(n):
DAAAE-22065