Straßenbauvertrag mit einem öffentlichen Auftraggeber: Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers nach Zuschlagserteilung im öffentlichen Vergabeverfahren verbunden mit einer Leistungsänderung und Vorgabe einer neuen Bauzeit
Leitsatz
1. Erteilt der Auftraggeber in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen den Zuschlag auf das Angebot des Bieters unter Herausnahme einzelner Leistungen, ohne dass dies in der Ausschreibung so vorgesehen ist, liegt darin gemäß § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Angebot des Auftraggebers.
2. Enthält das neue Angebot wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine neue Bauzeit und bringt der Auftraggeber eindeutig und klar zum Ausdruck, dass er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen will, kann es nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden (Fortführung von , BGHZ 186, 295 und VII ZR 129/09, BauR 2010, 1929 = NZBau 2010, 628 = ZfBR 2010, 810; Urteil vom , VII ZR 201/08, BauR 2011, 503 = NZBau 2011, 97 = ZfBR 2011, 235).
3. Ein solches modifiziertes Angebot des Auftraggebers kann regelmäßig nicht dahin ausgelegt werden, dass stillschweigend das Angebot unterbreitet wird, die Vergütung wegen dem Auftragnehmer infolge der Bauzeitänderung etwa entstehender Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen.
4. Nimmt der Bieter das modifizierte Angebot an, muss er die Leistung in der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen.
Gesetze: § 133 BGB, § 150 Abs 2 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 2 Nr 5 VOB B
Instanzenzug: Az: 21 U 143/09vorgehend Az: 5 O 166/08
Tatbestand
1Die Klägerin fordert als Auftragnehmerin von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Mehrvergütung wegen erhöhter Kosten für die Beschaffung von Asphaltmischgut und Bodenmaterial aufgrund einer sich aus einem verzögerten Vergabeverfahren ergebenden Veränderung der Bauzeit sowie die Erstattung damit im Zusammenhang stehender vorgerichtlicher Anwaltskosten.
2Die Klägerin unterbreitete der Beklagten nach öffentlicher Ausschreibung des Neubaus einer Teilstrecke der B 101n unter dem ein Vertragsangebot mit einer Angebotssumme von 7.113.491,35 €. Die Arbeiten sollten gemäß Ziffer 2 der Besonderen Vertragsbedingungen frühestens 14 Werktage nach Zuschlagserteilung begonnen werden und spätestens am beendet sein. Die ursprünglich bis laufende Zuschlags- und Bindefrist wurde mehrfach einvernehmlich, zuletzt bis , verlängert. An diesem Tag erteilte die Beklagte "auf Basis des Angebots" der Klägerin den Auftrag zu einer Auftragssumme von 6.524.718,61 €. Die geänderte Auftragssumme resultiert unter anderem daraus, dass verschiedene Positionen der ausgeschrieben und angebotenen Leistungen nicht zur Ausführung kommen und eine Position gesondert beauftragt werden sollte. Das Auftragsschreiben hatte weiterhin folgenden Inhalt:
"Da sich der Beginn der Ausführung nunmehr um 3,5 Monate verschiebt, werden unter Hinweis auf § 6 Nr. 2 und Nr. 4 VOB/B und in Abweichung von Ziffer 2.3 der dem Angebot zugrundeliegenden Besonderen Vertragsbedingungen folgende Termine Vertragsbestandteil:
- Gesamtfertigstellung der Baumaßnahme:
- ...".
3Die Beklagte forderte die Klägerin auf, umgehend die Zweitschrift des Auftragsschreibens mit ihrer Annahmebestätigung zurückzusenden. Dem kam die Klägerin am nach.
4Die Klägerin hat die Arbeiten ausgeführt und mit 8.282.979,84 € abgerechnet. Streitig sind im Revisionsverfahren der Nachtrag Nr. 2 mit 643.526,25 € für den Ankauf von Bodenmaterial und der Nachtrag Nr. 24 mit 265.746,03 € wegen Mehrkosten für Asphaltmischgut. Hinsichtlich des Nachtrags Nr. 2 macht die Klägerin geltend, infolge der Verschiebung des Baubeginns habe Bodenmaterial zugekauft werden müssen, das bei Einhaltung der ursprünglichen Zuschlagsfrist kostenlos zur Verfügung gestanden hätte. Mit Nachtrag Nr. 24 beansprucht die Klägerin Mehrkosten für eingebautes Asphaltmischgut, weil es im Jahre 2006 zu einer drastischen Preissteigerung für Bindemittel und Zuschlagsstoffe gekommen sei und sie die ursprünglich auf der Grundlage der seinerzeitigen Mischgutpreise kalkulierten Asphaltpreise infolge der zeitlichen Verschiebung des Herstellungszeitraums nicht habe aufrechterhalten können.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Vergütungs- und Erstattungsanspruch in Höhe von 913.772,08 € weiter.
Gründe
6Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe die mit Nachträgen Nr. 2 und Nr. 24 beanspruchte Mehrvergütung analog § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) nicht zu.
8Die Beklagte habe das Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen. Sie habe auch hinsichtlich der Bauzeit ein neues Angebot mit bindend festgelegten anderen Terminen abgegeben. Dieses Angebot habe die Klägerin ihrerseits angenommen.
9Dafür, dass eine bindende Festlegung der neuen Bauzeit gewollt sei, spreche sowohl der Wortlaut des Zuschlagsschreibens als auch der Umstand, dass die Beklagte nicht nur eine Empfangsbestätigung oder Auftragsbestätigung, sondern eine Annahmebestätigung erbeten habe. Auch die Berücksichtigung der Interessen der Parteien als den im Vergabeverfahren Beteiligten könne nicht zu einer anderen Auslegung führen. Die Beklagte habe der Klägerin dadurch, dass sie einige der ausgeschriebenen und angebotenen Teilleistungen nicht beauftragt habe, ein abänderndes Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB unterbreitet. Das Ziel des Vergabeverfahrens, der Vertragsschluss, habe schon deswegen nicht mehr sicher erreicht werden können. Es spreche deshalb nichts dafür, dass die Parteien dennoch im Rahmen des aufgrund des abgeänderten Angebots zustande gekommenen Vertrags die alten Vertragsfristen aus dem ursprünglichen Angebot der Klägerin hätten vereinbaren wollen.
10Da somit davon auszugehen sei, dass von der Beklagten eine abweichende Ausführungszeit angeboten und diese von der Klägerin auch angenommen worden sei, sei für die Annahme, dass die Parteien sich noch über die Anpassung der Vergütung verständigen müssten und mangels einer solchen Verständigung im Wege einer vertragsergänzenden Auslegung die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B heranzuziehen wären, kein Raum.
II.
11Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
12Der Klägerin steht ein Anspruch auf Bezahlung der geltend gemachten Mehrkosten für die Beschaffung von Erdmaterial und auf eine Mehrvergütung im Hinblick auf bei dem Asphaltmischgut eingetretene Materialpreiserhöhungen nicht zu.
13Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der von den Parteien im Rahmen des Vergabeverfahrens abgegebenen Willenserklärungen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach hatte die Klägerin die vereinbarte Leistung zu dem vereinbarten Preis innerhalb der neuen Bauzeit zu erbringen. Aus dem Umstand, dass diese Bauzeit von der ausgeschriebenen und von ihr angebotenen Bauzeit abwich, kann sie keinen Anspruch auf Mehrvergütung herleiten.
141. Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung danach, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (, BauR 2010, 1929 = NZBau 2010, 628 = ZfBR 2010, 810; vom - V ZR 63/09, MDR 2010, 228; vom - VII ZR 255/08, BauR 2009, 1908 = NZBau 2009, 781 = ZfBR 2010, 94).
15Derartige Verstöße sind dem Berufungsgericht nicht anzulasten. Das Berufungsgericht stellt zu Recht fest, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin mit dem Zuschlagsschreiben vom nicht unverändert angenommen hat. Es liegt ein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor, weil die Beklagte - wie erforderlich (, BGHZ 181, 47 Rn. 35) - ihren Willen, einen vom Vertragsangebot der Klägerin bezüglich des Leistungsumfangs und des Ausführungszeitraums abweichenden Vertrag zu schließen, in dem Zuschlagsschreiben klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat.
16a) Die Klägerin hat der Beklagten die Ausführung sämtlicher ausgeschriebener Leistungen zu einem bestimmten Preis angeboten. Dieses Angebot hat die Beklagte nicht angenommen. Sie hat vielmehr in dem Zuschlagsschreiben ausdrücklich bestimmt, dass die in Abschnitt 14 des Leistungsverzeichnisses enthaltene Sicht-/Blendschutzwand nicht zur Ausführung kommt mit der Folge, dass die für diese Leistung ausgeschriebenen und angebotenen Leistungen mit einer Angebotssumme von 326.941,39 € netto entfielen. Gleiches gilt für die für das Bereitstellen und Vorhalten eines Baubüros des Auftraggebers ausgeschriebenen und angebotenen Positionen mit insgesamt 6.356,24 € netto. Die Annahme nur eines Teils der angebotenen Leistungen zu einem veränderten Preis ist jedenfalls dann eine Ablehnung des Angebots, wenn dieses die Möglichkeit einer Teilannahme zu bestimmten Preisen nicht vorsieht (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-Planker, VOB, 3. Aufl., § 15 VOB/A Rn. 20 m.w.N.). So liegt es hier. Die Möglichkeit einer Teilannahme zu bestimmten Preisen war weder in der Ausschreibung der Beklagten noch in dem Angebot der Klägerin vorgesehen. Stimmten somit das Angebot der Klägerin und die Annahmeerklärung der Beklagten nicht überein, so galt die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot zum Vertragsschluss mit dem in diesem Schreiben vorgesehenen Inhalt. Denn auch das Zustandekommen eines Vertrages, der auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung geschlossen wird, bestimmt sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (, BGHZ 162, 259, 269; Urteil vom - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 15 m.w.N.).
17b) Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass das neue Angebot der Beklagten nicht nur hinsichtlich der Leistungen und der Preise von dem Angebot der Klägerin abwich, sondern auch hinsichtlich der Bauzeit. Danach wollte die Beklagte die Bauzeit nicht etwa unverbindlich vorschlagen, sondern verbindlich neu regeln.
18aa) Der Senat hat sich bereits ausführlich damit befasst, wie der Zuschlag auf ein Angebot auszulegen ist, der zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die ausgeschriebenen und dementsprechend angebotenen Bauzeiten nicht mehr einzuhalten sind. Bei der Auslegung von Erklärungen im formalisierten Vergabeverfahren ist zu berücksichtigen, dass diese regelmäßig so zu verstehen sind, dass sie im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen stehen. Auch im Rahmen des für den modifizierten Zuschlag geltenden § 150 Abs. 2 BGB sind die Grundsätze von Treu und Glauben anzuwenden. Sie erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Erklärt der Vertragspartner seinen vom Angebot abweichenden Vertragswillen nicht hinreichend deutlich, so kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande (, BGHZ 181, 47 Rn. 35; Urteil vom - VII ZR 213/08, aaO Rn. 19). Auf dieser Grundlage hat der Senat den Fall entschieden, dass der Zuschlag seinem Wortlaut nach unverändert erteilt worden ist. Dann ist der Zuschlag so zu verstehen, dass er sich auf die ausgeschriebenen und angebotenen Fristen und Termine bezieht, selbst dann, wenn sie wegen Zeitablaufs obsolet geworden sind (, aaO Rn. 37).
19bb) Gleiches gilt für den Fall, dass in dem Zuschlagsschreiben zwar eine neue Bauzeit angesprochen wird, dieses jedoch nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, dass der Vertrag nur zu veränderten zeitlichen Bedingungen geschlossen werden soll. Der Senat hat hervorgehoben, dass der Auftraggeber sich im Zweifel vergabekonform verhalten will und dies nur möglich ist, wenn er den Zuschlag auf ein unverändertes Angebot abgibt. Daran habe er im Regelfall auch ein erhebliches Interesse, weil der Auftragnehmer sonst die Möglichkeit hätte, das nunmehr wegen der Veränderung der Bauzeit vom Auftraggeber abgegebene neue Angebot abzulehnen oder eine preisliche Anpassung zu verlangen, was dann erneut als neues Vertragsangebot zu werten wäre. Auf diese Weise würde das Ziel des Vergabeverfahrens verfehlt. Der Zuschlag auf das unveränderte Angebot mit den wegen Zeitablaufs bereits obsolet gewordenen Fristen und Terminen sei die einzige Möglichkeit, das Vergabeverfahren sicher mit einem Vertragsschluss zu beenden (, aaO Rn. 20; Urteil vom - VII ZR 129/09, BauR 2010, 1929 Rn. 27 = NZBau 2010, 628 = ZfBR 2010, 810). Der Senat hat auch darauf hingewiesen, dass an einem Zustand, der das Ergebnis des Vergabeverfahrens offen halte, niemand interessiert sein könne und dies tunlichst vermieden werden müsse ( und VII ZR 129/09, jeweils aaO). Auch ein Bieter müsse im Zweifel nicht damit rechnen, dass der Auftraggeber gerade dieses Ergebnis durch eine veränderte Annahme des Angebots herbeiführen wolle, mit der er sich zudem vergabewidrig verhalten würde. Der Senat hat deshalb die Erklärungen des Auftraggebers vergabekonform als Vorschlag für eine neue Bauzeit ausgelegt, über die die Parteien im Rahmen des bestehenden Vertrages neu verhandeln müssten. Zugleich ist mit der Bauzeit auch der vertragliche Vergütungsanspruch anzupassen (, aaO Rn. 25). Auf dieser Grundlage kann dem Auftragnehmer in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B ein Anspruch auf Mehrvergütung zustehen, wenn infolge der Bauzeitänderung Mehrkosten entstanden sind.
20cc) Diese Erwägungen setzen voraus, dass die Erklärungen des Auftraggebers in seinem Zuschlag Spielraum für eine derartige Auslegung lassen. Voraussetzung dafür ist, dass der Auftraggeber nicht eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Zuschlag nur mit den veränderten Bedingungen in der Weise erteilen will, dass diese Vertragsbeststandteil werden. Dementsprechend hat der Senat in den genannten Fällen auch dargestellt, dass die jeweils abgegebenen Erklärungen in diesem Sinne nicht eindeutig sind. Das hat er beispielsweise daraus abgeleitet, dass Erklärungen abgegeben wurden, wonach der Vertrag mit dem Zuschlag verbindlich geschlossen sein sollte, was nicht möglich gewesen wäre, wenn der Zuschlag ein verändertes Angebot dargestellt hätte (, aaO Rn. 16). Ähnlich liegt es, wenn der Auftrag zu den Bedingungen des Angebots "hiermit" erteilt wird und der Vertrag als mit dem Zuschlagsschreiben ge-schlossen bezeichnet wird (, aaO Rn. 21). Auch die Bitte um schriftliche Auftragsbestätigung legt das Vorliegen eines neuen Angebots nicht nahe, weil der Auftraggeber nach den Vergabevorschriften dann nicht eine Auftragsbestätigung, sondern eine unverzügliche Annahmeerklärung fordern soll, § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A (, aaO Rn. 17; Urteil vom - VII ZR 129/09, aaO Rn. 23).
21dd) Für die vom Senat entwickelte interessengerechte Auslegung nicht eindeutig als bindend zu verstehender Angaben zur neuen Bauzeit ist kein Raum, wenn sich aus dem Zuschlag klar und eindeutig ergibt, dass die neue Bauzeit Bestandteil des Vertrages werden soll. Das ist der Fall, wenn über die Bauzeit nicht mehr verhandelt werden soll, der Auftraggeber sie also einseitig vorgeben will und er dem Auftragnehmer nur die Möglichkeit lässt, sie als Vertragsbestandteil anzunehmen oder das so geänderte Angebot - eventuell verbunden mit einem eigenen Vorschlag - abzulehnen. Denn dann fehlt es eben daran, dass die Erklärungen auch als unverbindliches Verhandlungsangebot für den Fall zu verstehen sein können, dass der Vertrag zur ausgeschriebenen und angebotenen Bauzeit geschlossen wird. Ob eine Erklärung im Zuschlagsschreiben in dieser Weise verstanden werden muss, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände durch Auslegung zu ermitteln. Dabei wird er sich auch von den bereits dargestellten Erwägungen leiten lassen müssen, dass vom Auftraggeber im Zweifel ein vergabekonformes und interessengerechtes Verhalten zu erwarten ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass bei einem klaren und eindeutigen Willen zu einer veränderten Annahme das damit abgegebene neue Angebot nicht so ausgelegt werden kann, dass sich der Auftraggeber möglicherweise nicht vergabekonform verhält und damit unter Umständen auch gegen seine Interessen und die Interessen des Auftragnehmers die Angaben zur Bauzeit als bindend verstanden wissen will. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Auftraggeber sich stets vergabekonform verhält. Rechtlich ist es möglich, dass der Auftraggeber unter Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot einen Zuschlag unter veränderten Bedingungen erteilt und damit ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB abgibt. Diese Erklärung ist, wie das Berufungsgericht richtig entschieden hat, nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Ungeachtet der Frage inwieweit ein solches neues Angebot in Widerspruch zu vergaberechtlichen Bestimmungen steht, ist es jedenfalls dann - wenn wie hier - keiner der unterlegenen Bieter ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat, wirksam (vgl. , NZBau 2005, 530; OLG Jena, BauR 2008, 1452; OLG Celle, BauR 2006, 161; OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113; Weyand, Vergaberecht, 6. Aktualisierung 2012, § 15 VOB/A, Rn. 84; Pünder/Schellenberg/Nowak, Vergaberecht, 1. Aufl., § 114 GWB, Rn. 23, 24; Wagner/Jürschik, VergabeR 2012, S. 401, 406/407; Greb/Stenzel, NZBau 2012, 404, 408; Poschmann, Vertragsänderungen unter dem Blickwinkel des Vergaberechts, S. 309).
22ee) Die vom Senat aufgestellten Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Auslegung des Zuschlags vom nicht verkannt. Es hat in revisionsrechtlich nicht angreifbarer Weise den Zuschlag dahin ausgelegt, dass der Auftraggeber damit ein von ihm als bindend verstandenes Angebot zu einer neuen Bauzeit abgegeben hat. Dabei hat es sich zu Recht davon leiten lassen, dass der Wortlaut der Erklärung zur veränderten Bauzeit auf eine vertragliche Regelung hinzielt. Die Beklagte hat ausdrücklich erwähnt, dass die neuen Termine in Abweichung von Ziffer 2.3 der dem Angebot zugrundeliegenden Besonderen Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil werden. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Beklagte von der Klägerin im Zuschlagsschreiben nicht lediglich eine Empfangsbestätigung oder Auftragsbestätigung, sondern eine umgehende Annahmebestätigung erbeten hat. Dies entspricht der in § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A (2002) für den Fall vorgesehenen Vorgehensweise, dass der Auftraggeber das Angebot des Bieters mit Änderungen annimmt. Zudem wird der Zuschlag nicht auf das Angebot, sondern nur "auf dessen Basis" erteilt und enthält bereits zu den angebotenen Leistungen und Preisen erhebliche Einschränkungen. An dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts ändert entgegen der Auffassung der Revision auch der Umstand nichts, dass die Beklagte die auf die Verlängerung der Zuschlagsfrist bezogenen Schreiben der Klägerin vom 23. März und zum Vertragsbestandteil erklärt hat. Daraus lässt sich im Hinblick auf die klare und eindeutige Bestimmung geänderter Ausführungsfristen als Vertragsbestandteil nicht ableiten, dass die Beklagte, zumindest was den Ausführungszeitraum betrifft, das Angebot der Klägerin unverändert annehmen wollte.
23Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind auch die Erwägungen dazu, dass die Beklagte das Ziel des Vergabeverfahrens, durch den Zuschlag zu einem sicheren Vertragsschluss zu kommen, ohnehin nicht erreichen konnte und deshalb eine interessengerechte Auslegung dahin nicht in Betracht komme, die Angaben zur Bauzeit seien nur als unverbindliches Verhandlungsangebot zu verstehen. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass der Auftraggeber das Risiko einer Nichtannahme des hinsichtlich der Leistung und der Preise veränderten Angebotes verringern kann, wenn er zur Bauzeit nur ein unverbindliches Verhandlungsangebot für den Fall abgibt, dass der Vertrag mit der ausgeschriebenen Bauzeit geschlossen wird. Das ändert aber nichts daran, dass angesichts der klaren und eindeutigen Formulierungen im Zuschlag ein solcher Wille nicht zutage tritt und deshalb die tatrichterliche Auslegung revisionsrechtlich nicht angreifbar ist.
242. Das Angebot der Beklagten räumt der Klägerin keine Möglichkeit ein, infolge der Änderung der Bauzeit eine Anpassung des Preises zu verlangen. Es bietet die vom Auftragnehmer nunmehr eingeschränkt und zu zeitlich veränderten Bedingungen zu erbringende Bauleistung zu der im Zuschlag genannten Vergütung an.
25a) Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass dem ursprünglichen, auf der Ausschreibung beruhenden Angebot des Bieters kein Preisanpassungsvorbehalt zu entnehmen ist (, BGHZ 181, 47 Rn. 18 ff.). Darauf wird Bezug genommen. Ausschreibung und Angebot können nicht dahin verstanden werden, dass sie stillschweigende Regelungen für noch völlig ungewisse Verzögerungen enthalten. Auch den Erklärungen der Klägerin, der Verlängerung der Bindefrist zuzustimmen, können keine Aussagen dazu entnommen werden, was vertraglich zu gelten hat, wenn die Ausführungsfristen der Ausschreibung und des Angebots nicht mehr eingehalten werden können (, aaO Rn. 24 ff.). Zu erwägen ist deshalb allenfalls, ob das neue Angebot der Beklagten zur Bauzeit dahin auszulegen ist, dass der Klägerin stillschweigend ein Preisanpassungsvorbehalt eingeräumt wird. Das ist jedoch nicht der Fall.
26b) Treu und Glauben erfordern keine Auslegung dahin, dass die Beklagte mit der neuen Bauzeit gleichzeitig stillschweigend das Angebot unterbreitet hat, die Vergütung wegen der Klägerin infolge der Bauzeitänderung etwa entstehender Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen. Allerdings ist für den öffentlichen Auftraggeber das Interesse des Bieters offenkundig, eine Möglichkeit zu haben, diese eventuellen Mehrkosten geltend zu machen. Denn ohne diese Möglichkeit könnte es zu einer empfindlichen Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Vergütung kommen. Der Auftragnehmer kann jedoch nicht erwarten, dass der Auftraggeber ihm deshalb einen Preisanpassungsvorbehalt einräumen will. Denn der Auftragnehmer hat eine ausreichende, vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, selbst für dieses Gleichgewicht zu sorgen. Es steht ihm frei, das modifizierte Angebot des Auftraggebers, das von einem trotz Bauzeitveränderung unveränderten Preis ausgeht, abzulehnen. Er kann das neue Angebot des Auftraggebers auch seinerseits unter Änderungen, beispielsweise hinsichtlich einer Mehrvergütung wegen der geänderten Bauzeit, annehmen und damit dem Auftraggeber ein wiederum geändertes Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB unterbreiten. Es ist aber nicht einmal erforderlich, dass der Bieter bereits die sich aus der Bauzeitverschiebung ergebenden geänderten - höheren - Preise angibt, wozu er unter Umständen in der ihm bis zur unverzüglichen Annahmeerklärung zur Verfügung stehenden Zeit nicht in der Lage ist. Ein wiederum geändertes Angebot kann er auch dahin unterbreiten, dass es eine Verpflichtung des Auftraggebers vorsieht, die Vergütung wegen ihm etwa infolge der Bauzeitänderung entstehender Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen. Mit diesen Möglichkeiten ist zwar nicht gewährleistet, dass der Bieter den Auftrag erhält. Er ist jedoch ebenso wenig wie bei einer Aufhebung der Ausschreibung vertragsrechtlich davor geschützt, dass er den Auftrag nicht erhält. Einen Anspruch auf den Zuschlag hat er nicht (, BGHZ 139, 259; , BauR 2003, 240 = NZBau 2003, 168 = ZfBR 2003, 194).
27Der Senat verkennt nicht, dass der Unternehmer in einem Fall, in dem der Auftraggeber möglicherweise sogar vergaberechtswidrig die neue Bauzeit unverhandelbar anbietet, in Gefahr geraten kann, dieses Angebot unbedacht anzunehmen und ihm damit die Möglichkeit verschlossen ist, Nachforderungen wegen etwaiger Mehrkosten zu stellen, die durch die Bauzeitänderung bedingt sind. Der Unternehmer ist jedoch ausreichend dadurch geschützt, dass diese Möglichkeit nur dann besteht, wenn der Auftraggeber klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er eine neue Bauzeit anbietet. In einem solchen Fall muss der Unternehmer hinreichend gewarnt sein. Es ist dann von ihm zu erwarten, dass er nunmehr seine Mehrkostenansprüche so anmeldet, dass sie Vertragsbestandteil werden können. Hingegen hat der Auftraggeber häufig keinen Anlass, von sich aus eine Mehrvergütung zu erwägen, weil ihm die Kalkulation des Auftragnehmers nicht bekannt ist und er deshalb nicht wissen muss, dass überhaupt Mehrkosten entstehen. Der Unternehmer kann auch nicht geltend machen, es sei schwierig einzuschätzen, ob der Zuschlag des Auftraggebers die geänderte Bauzeit eindeutig bindend oder nur als unverbindlichen Vorschlag erwähne. Diese Schwierigkeiten sind allgemeiner vertragsrechtlicher Art und nötigen nicht zu einer besonderen Regelung zum Schutze des am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmers. Im Übrigen kann sich der Unternehmer ausreichend dadurch schützen, dass er im Zweifelsfall auf einem Vertragsschluss besteht, der ihm den Anspruch auf Vergütungsanpassung sicher gewährt.
28c) Ein Preisanpassungsvorbehalt lässt sich schließlich auch nicht aus dem Wortlaut des Zuschlagsschreibens vom entnehmen.
29aa) Derartiges lässt sich nicht daraus ableiten, dass die Beklagte den Zuschlag auf der Basis des Angebots der Klägerin erteilt und in dem Zuschlagsschreiben die auf die Verlängerung der Zuschlagsfrist bezogenen Schreiben der Klägerin vom 23. März und , mit denen das Angebot der Klägerin nach Leistungsumfang und Fristen konserviert worden war (vgl. , aaO Rn. 18), ausdrücklich zum Vertragsbestandteil erklärt hat. Die Beklagte hat das Angebot der Klägerin nur mit Änderungen angenommen. Sie hat die von der Klägerin angebotenen Preise für die einzelnen Teilleistungen ihrem modifizierten Angebot zugrunde gelegt und daraus einen neuen Gesamtpreis ermittelt. Mit der Erteilung des Zuschlags "auf der Basis des Angebots" und der Festlegung, dass das Angebot trotz Bindefristverlängerung fortbesteht, hat die Beklagte somit nur zum Ausdruck gebracht, ihr Angebot auf der Grundlage der von der Klägerin angebotenen Preise abzugeben.
30bb) Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte im Hinblick auf die verzögerte Vergabe in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 2 und 4 VOB/B eine Anpassung der Bauzeit vorgenommen hat, lässt sich eine Bereitschaft der Beklagten nicht ableiten, der Klägerin eine Mehrvergütung zuzugestehen, wenn sich infolge der Bauzeitveränderung die Grundlagen der von der Klägerin angebotenen Preise zu deren Ungunsten ändern sollten. Eine solche Erklärung kommt in dem Wortlaut des Zuschlagsschreibens nicht zum Ausdruck.
313. Die Klägerin hat mit der Unterzeichnung der Zweitausfertigung des Zuschlagsschreibens vom das Angebot der Beklagten ohne jede Änderung angenommen. Die von der Klägerin geforderte Anpassung der Vertragspreise nach den vom Senat im Urteil vom (VII ZR 11/08, aaO) entwickelten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung kommt bei diesem Sachverhalt mangels Regelungslücke im Vertrag nicht in Betracht. Die Parteien haben einen Vertrag mit den für die geänderte Bauzeit maßgeblichen Terminen und Fristen geschlossen und darin auch die für die auszuführenden Leistungen zu zahlende Vergütung geregelt.
32Mangels einer von der Klägerin zu beanspruchenden Mehrvergütung stehen ihr auch die für deren Durchsetzung angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu.
III.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 3505 Nr. 48
WM 2013 S. 1133 Nr. 24
ZIP 2012 S. 5 Nr. 39
OAAAE-19041