BGH Beschluss v. - 4 StR 205/12

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Voraussetzungen der Anordnung

Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Instanzenzug: Az: 35 KLs - 190 Js 568/10 - 29/11

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in drei Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, und wegen Sachbeschädigung in weiteren drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Maßregelanordnung Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen beging der nicht vorbestrafte Angeklagte in der Zeit von Juli 2010 bis zum folgende Straftaten: Am legte er in seiner Wohnung Feuer, das sich auf die gesamte Wohnung und den Dachboden des Mehrfamilienhauses ausbreitete. Am und am entfachte er jeweils im Keller des von ihm neu bezogenen Wohnhauses ein Feuer, das auf angrenzende Kellerräume übergriff und im gesamten Haus zu erheblicher Rauchentwicklung führte. Außerdem zündete er in drei weiteren Fällen den Inhalt von Papier- bzw. Müllcontainern an.

3Das Landgericht hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund einer dissozialen Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer Lernbehinderung – und damit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB – erheblich vermindert gewesen sei. Der Angeklagte sei infolge seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich (§ 63 StGB). Aufgrund der bestehenden Störung habe er Pseudohalluzinationen gehabt, bei denen er geglaubt habe, seinen leiblichen Vater zu sehen. Er habe sich von ihm bedroht gefühlt. Diese Bilder hätten erhebliche Wutgefühle verursacht, die der Angeklagte nicht adäquat habe steuern können. Als Ventil habe er dann zu den Brandstiftungen gegriffen. Der psychische Zustand des Angeklagten sei medikamentös nicht zu behandeln, da es sich um keinen psychotischen Zustand handele, auch wenn die Auswirkungen mit Verfolgungsgefühlen ähnlich hervortreten würden. Besonders problematisch sei, dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne.

42. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie setzt zunächst die positive Feststellung eines Defektes voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (, NStZ 2004, 197 mwN). Dieser Zustand muss, da er anders als die Schuldfähigkeit nicht an den Tatzeitpunkt, sondern an die Prognose anknüpft, ein länger andauernder, nicht nur vorübergehender sein (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 63 Rn. 6 mwN). Die Maßregelanordnung bedarf einer sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwer wiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Angeklagten eingreifende Maßnahme darstellt.

5Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat nicht ausreichend dargelegt, dass die dissoziale Persönlichkeitsstörung bei dem Angeklagten in Verbindung mit der Lernbehinderung einen dauerhaften Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begründet. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Strafkammer zur Begründung der Maßregelanordnung auf das Gutachten der Sachverständigen bezieht, die hierzu lediglich ausgeführt hat, "dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne" (UA 38). Dass es sich um eine länger bestehende und nicht vorübergehende Störung handelt, ergibt sich auch nicht sonst aus den Gründen des Urteils. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nach den Feststellungen bis zu Beginn der Tatserie sozial unauffällig gelebt hatte und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war.

6Darüber hinaus fehlt es bislang an ausreichenden Darlegungen zu der von der Sachverständigen diagnostizierten Störung. Schließt sich wie hier das Landgericht dem Gutachten ohne weitere eigene Erwägungen an, muss es die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und die Ausführungen der Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. , NStZ 2005, 326). Hierzu reichen die sehr knappen tatsächlichen Angaben in den Urteilsgründen nicht aus. So wird nicht deutlich, aus welchen Umständen die Strafkammer folgert, dass der die Schuldfähigkeit überdauernd beeinträchtigende Zustand das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auch sozialen – Folgen stört, belastet oder einengt wie bei einer krankhaften seelischen Störung (siehe dazu , NStZ-RR 2007, 6; Beschluss vom – 1 StR 603/06). Dem Revisionsgericht ist es damit nicht möglich, nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei angenommen wurden.

73. Die Sache bedarf daher im Hinblick auf die Maßregelanordnung erneuter Verhandlung und Entscheidung.

Mutzbauer                          Roggenbuck                             Franke

                     Schmitt                                  Quentin

Fundstelle(n):
KAAAE-19025