Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts: Erforderlichkeit einer gesonderten Befragung des Angeklagten nach dem Hinweis
Gesetze: § 265 StPO
Instanzenzug: LG Coburg Az: 1 KLs 121 Js 5698/11
Gründe
1Die Strafkammer hat festgestellt:
2Am schlug der Angeklagte in einem Bistro in B. L. , der sich dort mit Kollegen (M. , H. ) aufhielt, aus nichtigem Anlass mit der Faust ins Gesicht (Urteilsgründe B I).
3Als L. und seine Kollegen später auf ein Taxi warteten, um zu einem Lokal in Li. zu fahren, fing der Angeklagte wieder Streit an und drohte mit Gewalttätigkeiten durch ihn und seine Freunde. Er rief die zwei (nicht revidierenden) Mitangeklagten - Mitglieder im selben Motorradclub wie er - herbei. Diese brachten Schlagstöcke mit. Man fuhr gemeinsam ebenfalls nach Li. , wo H. gerade vor dem Lokal stand. Sofort schlug der Angeklagte ihm von hinten mit dem Schlagstock auf den Kopf. Dann stürmten sie zu dritt in das Lokal. Während die beiden anderen das Geschehen mit Schlagstöcken in der Hand sicherten, schlug der Angeklagte erst L. und dann M. mit dem Schlagstock auf den Kopf; als M. am Boden lag, trat er auf ihn ein. Als der Wirt M. helfen wollte, schlug der Angeklagte auch ihn. H. , L. und M. erlitten Kopfplatzwunden, M. noch weitere Verletzungen. Auch der Wirt war verletzt (Urteilsgründe B II).
4Am schlug der Angeklagte einem früheren Mitglied des Motorradclubs grundlos mehrfach mit der Faust ins Gesicht und brach ihm das Nasenbein (Urteilsgründe B III).
5Deshalb wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Strafen 90 Tagessätze < B I> und sechs Monate < B III >) sowie wegen einer in vier tateinheitlichen Fällen begangenen gefährlichen Körperverletzung (Strafe drei Jahre und sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
6Seine Revision ist auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützt, die den Strafausspruch im Fall B II betrifft; hierauf beziehen sich auch die Ausführungen zur Sachrüge. Die Revision bleibt erfolglos, jedoch war noch die Festsetzung der Tagessatzhöhe nachzuholen.
71. Die Schuldsprüche enthalten keine den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler. Die Annahme von Tateinheit bei auf nacheinander erfolgten Angriffen auf verschiedene Personen ist zwar unzutreffend (st. Rspr., vgl. zuletzt ; zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 7 jew. mwN), beschwert den Angeklagten aber nicht.
82. Zum Strafausspruch:
9a) Der Verfahrensrüge liegt Folgendes zu Grunde:
10Die Anklage ging noch davon aus, dass der Angeklagte im Lokal das Geschehen abgesichert, aber nicht selbst zugeschlagen hatte. Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin erging der Hinweis, dass er der Schläger gewesen sein könnte.
11Die Revision hält § 265 Abs. 1 StPO für verletzt. Dem Angeklagten sei nicht eröffnet worden, dass er sich zu diesen Vorwürfen äußern könne. Auch die Staatsanwältin habe ihren Antrag nicht wiederholt. Hätte sich der Angeklagte geäußert, wäre er vielleicht niedriger bestraft worden.
12Es ist fraglich, ob die behauptete fehlende Verteidigungsmöglichkeit ordnungsgemäß gerügt ist (1). Jedenfalls ist die Rüge unbegründet (2). Es verhilft der Revision auch nicht zum Erfolg, dass die Staatsanwältin nach dem Hinweis nicht erneut plädierte (3).
13(1) Zur Zulässigkeit der Rüge:
14(a) Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass der Anklageinhalt mitzuteilen gewesen wäre (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Ihn muss das Revisionsgericht bei der Rüge kennen, ein gebotener Hinweis sei unterblieben, da diese einen Vergleich zwischen Anklage und Urteil erfordert. Ist gerügt, nach einem Hinweis habe nicht ordnungsgemäß Gelegenheit zur Verteidigung bestanden, ist dieser Vergleich dagegen nicht erforderlich.
15(b) Das Revisionsvorbringen erscheint jedoch widersprüchlich. In der als Einheit zu wertenden Revisionsbegründung (vgl. mwN) ist zur Begründung der Sachrüge (u.a.) ausgeführt, es sei unzureichend gewürdigt, dass nur die Angaben des Angeklagten die Feststellung ermöglicht hätten, dass er der Schläger war. Wenn aber diese Feststellung auf den Angaben des Angeklagten beruht, hatte er auch Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Damit ist die Behauptung, er habe diese Gelegenheit nicht gehabt, unvereinbar. Widersprüchlicher Tatsachenvortrag kann aber von vorneherein nicht Grundlage einer erfolgreichen Rüge sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 157/10 und - 1 StR 607/07 jew. mwN).
16(2) Unabhängig davon ist die Rüge unbegründet.
17(a) Dabei kann offen bleiben, ob hier bei einer Änderung des Sachverhalts ohne Änderung der rechtlichen Bewertung ein Hinweis - in entsprechender Anwendung von § 265 StPO - wegen des Ablaufs der Hauptverhandlung überhaupt geboten war (vgl. ). Es liegt fern, dass der Angeklagte verkannt hätte, dass seine Angaben Urteilsgrundlage werden können.
18(b) Im Übrigen ist eine gesonderte Befragung des Angeklagten nach einem Hinweis gemäß/entsprechend § 265 StPO zwar zweckmäßig (vgl. Stuckenberg in KMR, § 265 Rn. 48 mwN), unerlässlich aber nur, wenn sonst keine Verteidigungsmöglichkeit bestünde. So wäre es etwa rechtsfehlerhaft, unmittelbar nach dem Hinweis die Urteilsberatung zu beginnen oder das Urteil zu verkünden (vgl. Stuckenberg aaO mwN). So oder damit vergleichbar war es hier nicht. Nach dem Hinweis plädierte der Verteidiger, der Angeklagte hatte das letzte Wort; eine Erklärung, wonach eine beabsichtigte Stellungnahme zu dem Hinweis nicht auf der Stelle abgegeben werden könne (vgl. ), erfolgte nicht. Nach alledem bestand genügend Gelegenheit zur Verteidigung.
19(3) Der unerläutert in die Ausführungen zu fehlender Verteidigungsmöglichkeit eingefügte Hinweis, die Staatsanwältin habe nicht erneut plädiert, hängt mit dem zusammenfassenden Ergebnis, der Angeklagte wäre bei einer eigenen Äußerung vielleicht milder bestraft worden, nicht klar zusammen.
20(a) Ist aber nicht eindeutig, ob das geschilderte Geschehen auch deshalb gerügt sein soll, weil die Staatsanwältin nach dem Hinweis nicht nochmals das Wort erhielt, so spricht dies wegen insoweit unklarer Angriffsrichtung gegen eine derartige (weitere) Rüge (vgl. ; Sander/Cirener JR 2006, 300 jew. mwN).
21(b) Außerdem könnte der Angeklagte nicht die fehlende Stellungnahme der Staatsanwältin zu diesem Punkt, sondern allenfalls die fehlende Möglichkeit hierzu rügen (vgl. ). Die Staatsanwältin hätte jedoch entsprechend § 258 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz StPO nochmals das Wort ergreifen können, wenn sie dies wegen eines zunächst von ihr nicht behandelten Gesichtspunkts für geboten gehalten hätte (vgl. Eschelbach in Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Edit 14, § 258 Rn. 16; Forkert-Hosser in Radtke/Hohmann, StPO, § 258 Rn. 18). Sie machte hiervon keinen Gebrauch; einer Aufforderung durch das Gericht bedurfte es nicht.
22(c) Es kann daher auf sich beruhen, ob - naheliegend - die Staatsanwältin ohnehin die Angaben des Angeklagten behandelt hatte.
23b) Auch wenn eine Geldstrafe (Fall B I) in einer Gesamtfreiheitsstrafe aufgeht, ist die Tagessatzhöhe festzusetzen (st. Rspr. seit , BGHSt 30, 93, 96). Da dies unterblieb, setzt der Senat einen Euro fest (§ 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB; vgl. zuletzt mwN).
24c) Im Übrigen ist der Strafausspruch, wie vom Generalbundesanwalt dargelegt, rechtsfehlerfrei.
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Fundstelle(n):
PAAAE-18180