Oberfinanzdirektion Karlsruhe - S 7105

Organschaft bei Joint Ventures zwischen Dienstleistungsunternehmern und Unternehmern mit steuerfreien Ausgangsumsätzen

1. Organschaft

Errichten Dienstleistungsunternehmer zusammen mit Unternehmern, die ganz oder teilweise steuerfreie Umsätze erzielen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, eine Gesellschaft, die die bisher vom Dienstleistungsunternehmer erbrachten Dienstleistungen übernehmen soll, kann nur dann von einer Organschaft ausgegangen werden, wenn alle drei Eingliederungsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorliegen.

Bei der Prüfung der Eingliederungsmerkmale ist Folgendes zu beachten:

Von der finanziellen Eingliederung kann weder auf die organisatorische noch auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden.

Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird (, BStBl 1999 II, 258). Dieses Eingliederungsmerkmal ist nicht erfüllt, wenn in Teilbereichen eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung möglich ist.

Die wirtschaftliche Eingliederung erfordert einen vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Organgesellschaft und Organträger. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein. Werden entgeltliche Leistungen von nur unwesentlicher Bedeutung ausgetauscht, liegt eine wirtschaftliche Eingliederung nicht vor.

Beispiel 1

Der Unternehmer A vermietet und reinigt die Krankenhauswäsche für das Krankenhaus K. Die Leistungen sind steuerbar und steuerpflichtig. K kann die auf die Leistungen des A entfallende Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen, da er ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erzielt.

A und K gründen die A+K GmbH, die künftig die Dienstleistungen an K erbringen soll. K hält 51 % und A 49 % der Anteile. Zum Geschäftsführer der A+K GmbH wird KN bestellt, der der Geschäftsführung der K angehört. Die Weisungsbefugnis hinsichtlich der Überlassung und Reinigung der Krankenhauswäsche steht jedoch ausschließlich dem A zu.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft setzt die finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung voraus (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Die finanzielle Eingliederung der A+K GmbH in das Unternehmen des K ist durch die Mehrheitsbeteiligung sichergestellt.

Für die organisatorische Eingliederung ist erforderlich, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird. Da die Organisation der zu erbringenden Dienstleistungen dem A obliegt, ist in einem Teilbereich eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung möglich. Da somit die organisatorische Eingliederung nicht vorliegt, ist die A+K GmbH ein selbständiges Unternehmen.

2. Bemessungsgrundlage bei Annahme einer Organschaft

Werden von einem Unternehmer an eine Organschaft unter Einsatz seiner Betriebsmittel und von eigenem sowie vom der Organschaft gestelltem Personal Dienstleistungen erbracht, liegt ein Leistungsaustausch vor. Zur Bemessungsgrundlage dieses Leistungsaustausches gehört auch der Wert des vom Auftraggeber gestellten Personals (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG). Dabei ist es gleichgültig, ob die Personalgestellung auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung oder auf einer gesellschaftsvertraglichen Regelung beruht (, BStBl 1993 II, 529). Die Personalgestellung ist keine nicht steuerbare Beistellung, wenn das Personal auch für Leistungen an andere Auftraggeber eingesetzt werden kann (Abschn. 1.1. Abs. 7 UStAE). Ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag kann ebenfalls nicht angenommen werden (, BStBl 2010 II, 879).

Beispiel 2

Der Unternehmer A, der die Krankenhauswäsche für das Krankenhaus K reinigt, errichtet mit K zusammen die A+K GmbH. Diese übernimmt zukünftig die Reinigung der Krankenhauswäsche. Die Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen K und der A+K GmbH liegen vor.

Die A+K GmbH übernimmt sowohl von K als auch von A bisher bei diesen beschäftigte Arbeitnehmer. Die von K übernommenen Arbeitnehmer sammeln im Krankenhaus die Schmutzwäsche ein und verteilen die Frischwäsche. Die von A übernommenen Arbeitnehmer verbleiben in der Wäscherei des A, in der u. a. auch die Wäsche des K gewaschen wird. Die Arbeitnehmer können auch für Aufträge anderer Auftraggeber eingesetzt werden. Die Anzahl der von A übernommenen Arbeitnehmer entspricht dem kalkulatorischen Aufwand für die Dienstleistung des A. Eine Zahlung der A+K GmbH ist nur dann erforderlich, wenn die tatsächlichen Personalkosten die kalkulatorischen Kosten übersteigen. Daneben sind die Ausgaben für die eingesetzte Energie und die verwendeten Materialen von der A+K GmbH zu tragen.

A erbringt an den Organkreis aus K und der A+K GmbH sonstige Leistungen. Entgelt für diese Umsätze sind die tatsächlichen Zahlungen und der Wert der Personalüberlassung durch die A+K GmbH. Die Personalüberlassung ist weder eine nicht steuerbare Personalgestellung noch ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag.

Oberfinanzdirektion Karlsruhe v. - S 7105

Fundstelle(n):
USt-Kartei BW UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 Karte 125.09.2012
DB 2012 S. 2721 Nr. 48
DStR 2012 S. 2188 Nr. 43
Ubg 2012 S. 768 Nr. 11
WAAAE-18010