BGH Beschluss v. - III ZB 70/11

Berufungsbegründungsschriftsatz: Übernahme der inhaltlichen Verantwortlichkeit bei Unterzeichnung durch einen anderen als den im Briefkopf angegebenen Rechtsanwalt

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes, wenn vermerkt ist, dass der andere Anwalt "nach Diktat außer Haus" ist.

Gesetze: § 130 Nr 6 ZPO, § 520 Abs 5 ZPO

Instanzenzug: Az: 1 S 162/11vorgehend Az: 426 C 7010/09

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen behaupteter entgeltlicher Arbeitnehmerüberlassung Zahlung von 1.372,39 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom , das dem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden ist, abgewiesen. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am (einem Montag) Berufung eingelegt. Innerhalb verlängerter Frist ist am ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Fax bei dem Berufungsgericht eingegangen. Er weist ebenso wie das am eingegangene Original auf der ersten Seite im Kopf (nur) den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt V.     aus; am Ende dieses Schriftsatzes finden sich maschinenschriftlich dessen Vor- und Nachname sowie die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", seine Unterschrift fehlt; darunter ist "nach Diktat außer Haus" hinzugefügt, es folgt ein handschriftlicher Schriftzug, unter der "Rechtsanwältin" gedruckt ist.

2Nach Hinweis des Beklagten, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass die Berufungsbegründung von der Rechtsanwältin E.   B.     unterzeichnet worden sei, wie dies auch ein Vergleich mit der unter ihren - in Kopie beigefügten - Personalausweis geleisteten Unterschrift belege.

3Im Anschluss an einen darauf erfolgten gerichtlichen Hinweis und einer dazu ergangenen Stellungnahme des Vertreters der Klägerin hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel mit Beschluss vom als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder auf dem Fax noch auf dem Original der Berufungsbegründung eine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen sei. Es sei nicht ausreichend, dass der Schriftsatz von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und dessen Identität feststellbar sei. Weder aus der Berufungsbegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt habe sich ergeben, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Der Briefkopf des Schriftsatzes habe allein Rechtsanwalt V.     ausgewiesen, ein Namensstempel der Rechtsanwältin B.     sei nicht angebracht gewesen und ihre Identität habe sich bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auch sonst nicht ergeben.

4Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäß begründeten Berufung fehle, verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

61. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsbegründung. Damit soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387, 388; vom - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12 sowie vom - IV ZB 9/11, BeckRS 2011, 26453 Rn. 6; jeweils mwN). Entsprechendes gilt, wenn, wie hier, die Berufungsbegründung in zulässiger Weise per Telefax übermittelt wird; in diesem Falle muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. aaO).

72. An diesen Grundsätzen gemessen ist vorliegend eine formgerechte Berufungsbegründung eingereicht worden.

8a) Der entsprechende Schriftsatz ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737; vom - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775; vom , aaO; vom - VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 04929 Rn. 10 sowie vom - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59, 60).

9b) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin belegt, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwältin B.     herrührt, bei der es sich um eine bei dem Berufungsgericht - einem Landgericht - postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erläutert worden, so dass für das Berufungsgericht bis dahin nicht erkennbar war, welche Rechtsanwältin unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an.

10Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht beziehungsweise erkennbar ist, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen (vgl. , MDR 2012, 796 Rn. 11).

11Die vollständige Namensnennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Ende des Schriftsatzes im Zusammenhang mit dem Zusatz "nach Diktat außer Haus" macht deutlich, dass die Berufungsbegründung von diesem Rechtsanwalt erstellt, aber wegen Ortsabwesenheit nicht selbst unterschrieben werden konnte. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden, fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch eine Rechtsanwältin, wovon das Berufungsgericht aufgrund der angegebenen Berufsbezeichnung ausgehen konnte, gleichwohl entnehmen, dass sie an seiner Stelle die Unterschrift leisten und damit als Unterbevollmächtigte in Wahrnehmung des Mandats der Klägerin auftreten wollte. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte. Anhaltspunkte, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. , NJW 2003, 2028) und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden (vgl. für den Zusatz "i.A." Beschluss vom - V ZR 139/87, NJW 1988, 210 und Senatsbeschluss vom - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056, 2057).

123. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsbegründung in diesem Sinne von Rechtsanwältin B.      geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Die Klägerin hat vielmehr ihre Berufung rechtzeitig und formgerecht begründet, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Schlick                                               Herrmann                                              Wöstmann

                            Hucke                                                 Remmert

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2012 S. 2042 Nr. 36
DB 2012 S. 6 Nr. 33
HFR 2012 S. 1209 Nr. 11
NJW 2012 S. 6 Nr. 36
NJW-RR 2012 S. 1142 Nr. 18
LAAAE-15319