BGH Beschluss v. - 2 StR 575/11

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen richtet sich seine Revision, die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützt ist. Das Rechtsmittel ist bereits mit der Sachrüge begründet, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.

I.

2 Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich T. und H. am morgens beim Angeklagten auf, um Alkohol zu konsumieren. Dann suchten alle das Tatopfer S. in dessen Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft auf. Bis 12.00 Uhr tranken die vier Personen gemeinsam Wodka, dann gingen T. und H. nach Hause. Der Angeklagte begab sich zu einer Tankstelle, erwarb dort gegen 13.10 Uhr Bier und ging zu der Unterkunft zurück. Er wollte zuerst ein Zimmer im Erdgeschoss aufsuchen, in dem sich die Zeugen E. , A. , M. und Y. aufhielten, jedoch wurde er dort nicht hereingelassen. Er ging die Treppe hinauf zu dem Zimmer von S. im ersten Obergeschoss, wobei er entschlossen war, diesen zu töten. Er schlug S. überraschend und unter bewusster Ausnutzung seiner Arg- und Wehrlosigkeit ins Gesicht. S. verlor dadurch drei Schneidezähne und wurde bewusstlos. Unmittelbar darauf ergriff der Angeklagte ein Fleischermesser und stach mehrfach mit Wucht auf Kopf und Oberkörper des auf dem Rücken am Boden liegenden Opfers ein, bis die Klinge abbrach. Dann nahm er ein anderes Messer und stach S. nochmals in die Brust. Das Tatmotiv des Angeklagten konnte nicht geklärt werden.

3 Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren die Tatbegehung bestritten; in der Hauptverhandlung hat er nicht ausgesagt. Das Landgericht hat sich jedoch von seiner Täterschaft überzeugt. Blutspuren an der Kleidung des Angeklagten deuteten auf seine Täterschaft hin, ebenso Spuren an den bei der Tat verwendeten Messern, die nach der DNA-Analyse dem Angeklagten zuzuordnen seien. Zwei der ausgeschlagenen Zähne hätten sich im Mund des Opfers befunden; sie seien von diesem weder ausgespuckt noch verschluckt worden. Daraus sei zu entnehmen, dass der Schlag ins Gesicht zur Bewusstlosigkeit des Opfers geführt habe. Blutspuren am Boden und das Fehlen von Abwehrverletzungen deuteten darauf hin, dass es bei den nachfolgenden Stichen reglos auf dem Rücken gelegen habe. Der Angeklagte habe bereits bei dem Schlag mit Tötungsabsicht gehandelt. Dies folge aus der Wucht des Schlages, ferner aus der Tatsache, dass der Angeklagte "unmittelbar im Anschluss an den Schlag das erste Messer ergriff". Der enge zeitliche Zusammenhang sei einerseits daraus zu erkennen, dass das Opfer die ausgeschlagenen Zähne weder ausgespuckt noch heruntergeschluckt habe, andererseits aus der Aussage der Zeugin N. , die einen kurzen Schrei des S. gehört zu haben "glaubte" und kurz danach den Angeklagten im Eingangsbereich beim Verlassen des Wohnheims gesehen habe. Für einen Vorsatzwechsel zwischen Schlag und Messerstichen seien keine Anhaltspunkte erkennbar.

II.

4 Diese Beweiswürdigung zum Heimtückemord ist zu beanstanden, weil das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat, dass der tödlichen Verletzung des Opfers durch Messerstiche ein nur von Verletzungsvorsatz getragenes Handeln infolge eines Streits, einer wirklichen oder vermeintlichen Provokation vorausgegangen sein kann. Dieser Geschehensablauf, der einer Annahme von Heimtücke entgegenstehen könnte, wäre jedoch zu erwägen gewesen, weil ein Tötungsmotiv nicht festgestellt wurde und das objektive Geschehen von Handlungen mit zunehmender Gefährlichkeit geprägt war. Eine von Anfang an von Tötungsvorsatz getragene Mehrzahl von Tathandlungen, die mit dem Bewusstsein der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers einhergingen, liegt bei dieser Sachlage ferner als ein anfängliches Handeln mit Verletzungsvorsatz, dem ein Vorsatzwechsel zum Tötungsverbrechen gefolgt ist. Die vom Landgericht als Indiz gegen einen Vorsatzwechsel betrachtete Feststellung einer unmittelbaren Abfolge aller Tathandlungen ist nicht tragfähig begründet worden. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass die Annahme, die Zeugin N. habe kurz vor der Wahrnehmung des Angeklagten beim Verlassen der Wohnung einen "Schrei" des Opfers gehört, kaum mit dessen sofortiger Bewusstlosigkeit infolge des überraschenden Schlages ins Gesicht vereinbar ist. Die weitere Indiztatsache, dass das Opfer die ausgeschlagenen Zähne nicht ausgespuckt oder verschluckt hat, kann der Bewusstlosigkeit geschuldet gewesen sein und besagt ebenfalls nichts über den zeitlichen Abstand zwischen dem Schlag und den Messerstichen.

5 Ist eine zeitliche Zäsur zwischen dem Schlag des Angeklagten ins Gesicht des Opfers mit der Folge von Bewusstlosigkeit und den Messerstichen nicht auszuschließen, dann kann auch ein Vorsatzwechsel in der Zwischenzeit nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil kein Anhaltspunkt erkennbar ist, der positiv dafür spricht.

III.

6 Das neue Tatgericht wird auch die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus genauer als bisher zu erörtern haben. Sollte es zu der Annahme gelangen, dass die Maßregelanordnung nicht in Frage kommt, so könnte § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO zu berücksichtigen sein.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
LAAAE-15251