EuGH Urteil v. - C-562/10

Deutsche Regelung der Pflegeversicherung: Im Fall des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossene Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege - Geringere Höhe der exportierbaren Geldleistungen - Keine Erstattung der Kosten der Miete von Pflegehilfsmitteln in anderen Mitgliedstaaten

Entscheidungsgründe:

1In ihrer Klageschrift hat die Europäische Kommission die Feststellung beantragt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV verstoßen hat, dass sie

- einen Anspruch auf Pflegegeld nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Elftes Buch in seiner im vorliegenden Fall geltenden Fassung (im Folgenden: SGB XI) bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur für maximal sechs Wochen gewährt;

- für Pflegedienstleistungen, die bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommen und die von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleister erbracht wurden, eine Kostenerstattung in der Höhe der innerhalb Deutschlands gewährten Pflegesachleistungen nicht vorsieht bzw. durch § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI ausschließt;

- die Kosten der Miete von Pflegehilfsmitteln bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht ersetzt bzw. eine Kostenerstattung durch § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI ausschließt, auch wenn diese in Deutschland erstattet oder Pflegehilfsmittel bereitgestellt würden und die Erstattung keine Verdoppelung oder sonstige Erhöhung der in Deutschland gewährten Leistungen zur Folge hätte.

Rechtlicher Rahmen

2Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 177, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), sieht vor:

"Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

...

i) 'Aufenthalt‘: der vorübergehende Aufenthalt;

...

o) 'Zuständiger Träger‘:

i) der Träger, bei dem die in Betracht kommende Person im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen versichert ist, oder

...

p) 'Träger des Wohnorts‘ und 'Träger des Aufenthaltsorts‘: der Träger, der nach den Rechtsvorschriften, die für diesen Träger gelten, für die Gewährung der Leistungen an dem Ort zuständig ist, in dem der Betreffende wohnt oder sich aufhält, oder, wenn ein solcher Träger nicht vorhanden ist, der von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichnete Träger;

q) "Zuständiger Staat": der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz hat;

..."

3Ausweislich seiner Überschrift betrifft Titel III der Verordnung Nr. 1408/71 besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten.

4In Titel III Kapitel I ("Krankheit und Mutterschaft") sind die Art. 18 bis 36 der Verordnung Nr. 1408/71 enthalten.

5Art. 22 der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft - wie seiner Überschrift zu entnehmen ist - u. a. den Aufenthalt von Versicherten außerhalb des zuständigen Staates im Sinne dieser Verordnung. Abs. 1 dieser Vorschrift bestimmt:

"Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen ... erfüllt und

...

c) der vom zuständigen Träger die Genehmigung erhalten hat, sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben, um dort eine seinem Zustand angemessene Behandlung zu erhalten,

hat Anspruch auf:

i) Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers vom Träger des Aufenthalts- oder Wohnorts nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften, als ob er bei diesem versichert wäre; die Dauer der Leistungsgewährung richtet sich jedoch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates;

ii) Geldleistungen vom zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des [Aufenthaltsorts] können die Leistungen jedoch vom Träger des [Aufenthaltsorts] nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für Rechnung des zuständigen Trägers gewährt werden."

6Art. 31 der Verordnung Nr. 1408/71 ("Aufenthalt von Rentnern und/oder ihren Familienangehörigen in einem anderen Staat als dem, in dem sie wohnen") ist in Kapitel I Abschnitt 5 ("Rentenberechtigte und deren Familienangehörige") enthalten. Abs. 1 dieser Vorschrift bestimmt:

"Ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente oder nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und nach den Rechtsvorschriften eines dieser Staaten Anspruch auf Leistungen hat, sowie seine Familienangehörigen erhalten während eines Aufenthalts im Gebiet eines anderen als des Mitgliedstaats, in dem sie wohnen,

a) Sachleistungen, die sich während des Aufenthalts im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Wohnstaats unter Berücksichtigung der Art der Leistungen und der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer als medizinisch notwendig erweisen. Diese Sachleistungen werden vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des Trägers des Wohnorts des Rentners oder seiner Familienangehörigen erbracht;

b) Geldleistungen, gegebenenfalls von dem ... zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Aufenthaltsorts können diese Leistungen jedoch vom letztgenannten Träger nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für Rechnung des zuständigen Trägers gewährt werden."

7Nach Art. 36 der Verordnung Nr. 1408/71 sind Aufwendungen für Sachleistungen, die aufgrund u. a. der Art. 22 und 31 dieser Verordnung vom Träger eines Mitgliedstaats für Rechnung des Trägers eines anderen Mitgliedstaats gewährt worden sind, in voller Höhe zu erstatten. Diese Erstattungen werden nach Maßgabe der Art. 93 bis 95 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 120/2009 der Kommission vom (ABl. L 39, S. 29) geänderten Fassung festgestellt und vorgenommen.

Deutsches Recht

8Das SGB XI sieht eine Versicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit (im Folgenden: Pflegeversicherung) vor. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB XI sind "[i]n den Schutz der sozialen Pflegeversicherung ... kraft Gesetzes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind".

9Bei häuslicher Pflege können die in der Pflegepflichtversicherung Versicherten Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI und/oder Pflegegeld nach den §§ 37 oder 38 SGB XI in Anspruch nehmen. Die Höhe sowohl dieser Sach- als auch Geldleistungen hängt vom Grad der Pflegebedürftigkeit ab, der zu einer Einteilung in Pflegestufen von I bis III führt. Die Leistungen für Pflegehilfsmittel werden nach § 40 SGB XI gewährt.

10Nach § 36 SGB XI haben Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Diese Leistungen werden durch Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. Die Kosten für diese Sachleistungen werden von der Pflegekasse bis zu einem monatlichen Höchstbetrag übernommen, dessen Höhe von der Stufe der Pflegebedürftigkeit des Anspruchsberechtigten abhängt. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme im vorliegenden Fall gesetzten Frist belief sich dieser Höchstbetrag nach Maßgabe der Pflegestufe auf 440 Euro, 1 040 Euro oder 1 510 Euro. Für Personen mit außergewöhnlich hoher Pflegebedürftigkeit, so genannten "Härtefällen", kann dieser Betrag 1 918 Euro erreichen.

11§ 37 SGB XI sieht die Möglichkeit vor, anstelle der Sachleistungen ein Pflegegeld zu beantragen, sofern der Pflegebedürftige die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Die Höhe des pauschalierten und von den tatsächlich entstandenen Kosten unabhängigen Pflegegelds betrug zum Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme im vorliegenden Fall gesetzten Frist nach Maßgabe der Pflegestufe 225 Euro, 430 Euro oder 685 Euro im Monat. Ein besonderer Betrag für Härtefälle ist nicht vorgesehen.

12§ 38 SGB XI regelt die Kombinationsleistung, d. h. die Kombination von Sachleistungen nach § 36 SGB XI und Pflegegeld nach § 37 SGB XI. Gemäß § 38 SGB XI kann ein Versicherter, der die ihm nach § 36 SGB XI zustehenden Sachleistungen nicht in voller Höhe in Anspruch nimmt, daneben Pflegegeld nach § 37 SGB XI erhalten, das allerdings um den Prozentsatz vermindert wird, in dem er Sachleistungen nach § 36 SGB XI in Anspruch genommen hat. Der Leistungsempfänger hat sich zu entscheiden, in welchem Umfang er die letztgenannten Leistungen in Anspruch nehmen will. An die Entscheidung, in welchem Verhältnis er Geld- und Sachleistung in Anspruch nehmen will, ist der Versicherte für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

13Nach § 40 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht von anderen Leistungsträgern zu leisten sind. Hat der Versicherte nach diesen Bestimmungen Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, sollen die Pflegekassen diese Hilfsmittel - soweit es ihrer Art nach möglich ist - vorrangig leihweise überlassen. Ist dies nicht möglich, werden die Kosten der Pflegehilfsmittel erstattet, wobei allerdings ein Teil dieser Kosten vom Versicherten zu tragen sind.

14§ 34 SGB XI ("Ruhen der Leistungsansprüche") bestimmte in Abs. 1:

"Der Anspruch auf Leistungen ruht:

1. solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt von bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr ist das Pflegegeld nach § 37 oder anteiliges Pflegegeld nach § 38 weiter zu gewähren. Für die Pflegesachleistung gilt dies nur, soweit die Pflegekraft, die ansonsten die Pflegesachleistung erbringt, den Pflegebedürftigen während des Auslandsaufenthaltes begleitet.

..."

15Nach Art. 7 des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom wurde in § 34 SGB XI folgender Absatz eingefügt:

"(1a) Der Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 oder anteiliges Pflegegeld nach § 38 ruht nicht bei pflegebedürftigen Versicherten, die sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten."

Vorprozessuales Verfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

16Durch eine im Jahr 2006 erhobene und gegen die deutsche Verwaltung gerichtete Beschwerde eines Ehepaars, das in Deutschland wohnte, sich aber zwei Monte lang in Spanien aufgehalten hatte, betreffend die Erstattung von Pflegeleistungen und der Miete ihnen gewährter Pflegehilfsmittel, wurde die Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass die §§ 36, 37 und 40 SGB XI im Fall des vorübergehenden Aufenthalts eines in der Pflegeversicherung Versicherten in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland unter Verstoß gegen Art. 56 AEUV deutlich geringere Leistungen als bei einer Pflege innerhalb Deutschlands vorsähen.

17Daraufhin ersuchte die Kommission die deutschen Behörden um Erläuterungen zu der streitigen innerstaatlichen Regelung und richtete im Hinblick auf diese Regelung am ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland.

18Da die Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland die Kommission nicht überzeugten, gab diese am eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie die Bundesrepublik Deutschland aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

19Da die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Erwiderung vom an ihrem Standpunkt festhielt, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

20Nachdem die Kommission durch die im Verfahren vor dem Gerichtshof eingereichte Gegenerwiderung der Bundesrepublik Deutschland von der Änderung des § 34 SGB XI durch das Gesetz vom Kenntnis erlangt hatte, hat sie dem Gerichtshof mit Schriftsatz vom mitgeteilt, dass sie ihre Klage teilweise zurücknehme, nämlich soweit sie darauf gerichtet gewesen sei, feststellen zu lassen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV verstoßen habe, dass sie einen Anspruch auf Pflegegeld nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland nur für maximal sechs Wochen gewähre.

Zur Klage

21Nachdem die Kommission, wie in der vorstehenden Randnummer dargelegt worden ist, die Klage teilweise zurückgenommen hat, macht sie mit einer ersten Rüge im Wesentlichen geltend, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV verstoßen habe, dass sie für Leistungen der häuslichen Pflege, die bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommen und von einem in diesem Staat niedergelassenen Dienstleister erbracht wurden, eine Kostenerstattung in der Höhe der innerhalb Deutschlands gewährten Pflegesachleistungen nicht vorsehe.

22Mit einer zweiten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV verstoßen zu haben, dass sie die Kosten der Miete von Pflegehilfsmitteln bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland nicht ersetze, auch wenn diese in Deutschland erstattet oder Pflegehilfsmittel bereitgestellt würden und die Erstattung keine Verdoppelung oder sonstige Erhöhung der in Deutschland gewährten Leistungen zur Folge hätte.

23Da die diesen beiden Rügen jeweils zugrunde liegende Argumentation Ähnlichkeiten aufweist, sind sie im vorliegenden Fall zusammen zu behandeln.

Vorbringen der Parteien

Zum Vorliegen von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit

24Nach Ansicht der Kommission lässt sich die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Erstattung von für medizinische Behandlungen in anderen Mitgliedstaaten angefallenen Kosten auf den vorliegenden Fall übertragen. Sie führt hierzu die Urteile vom , Kohll (C-158/96, Slg. 1998, I-1931), vom , Smits und Peerbooms (C-157/99, Slg. 2001, I-5473), und Vanbraekel u. a. (C-368/98, Slg. 2001, I-5363), vom , Müller-Fauré und van Riet (C-385/99, Slg. 2003, I-4509), vom , Inzian (C-56/01, Slg. 2003, I-12403), und vom , Watts (C-372/04, Slg. 2006, I-4325), an.

25In diesem Zusammenhang macht die Kommission mit ihrer ersten Rüge geltend, dass bei der deutschen Regelung zur Sachleistung, also § 36 SGB XI, eine diskriminierende Beschränkung darin liege, dass sie eine Kostenerstattung für Pflegesachleistungen, die bei einem temporären Aufenthalt des Pflegebedürftigen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommen und von einem in diesem Staat niedergelassenen Dienstleister erbracht worden seien, nicht vorsehe. Außerdem sei das Pflegegeld niedriger als eine solche Erstattung.

26Sie meint, das deutsche Versorgungsvertragssystem behandele die Erbringer von Pflegedienstleistungen im Ausland und die in Deutschland nicht gleich. Während nämlich in Deutschland eine Vielzahl von Anbietern einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hätten, gebe es demgegenüber solche Anbieter in den übrigen Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Kommission überhaupt nicht. Insofern sei es für die in Deutschland versicherten Pflegebedürftigen grundsätzlich ausgeschlossen, Pflegesachleistungen der sozialen Pflegeversicherung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen, wohingegen sie dies in Deutschland bei vertraglich gebundenen Anbietern könnten.

27Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass bei der deutschen Regelung zur Versorgung mit Pflegehilfsmitteln nach § 40 SGB XI eine diskriminierende Beschränkung darin liege, dass die Kosten der Miete und Verwendung solcher Pflegehilfsmittel in den anderen Mitgliedstaaten auch dann nicht erstattet würden, wenn sie - zumindest bis zu einer bestimmten Höchstgrenze - bei einer Pflege innerhalb Deutschlands übernommen würden.

28Die Bundesrepublik Deutschland vertritt die Ansicht, dass die Kostenerstattung für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. Nähmen Pflegebedürftige Pflegesachleistungen von Leistungserbringern in Anspruch, die nicht Vertragspartner der Pflegekassen seien, übernähmen die Pflegekassen die Kosten für diese Leistungen weder im Ausland noch im Inland. Somit würden alle Leistungserbringer, die nicht Vertragspartner der Pflegekassen seien, gleichbehandelt.

29Außerdem verkenne die Kommission, dass dem Verlust der Möglichkeit, während eines temporären Aufenthalts Pflegesachleistungen aus der Bundesrepublik Deutschland "mitzunehmen", die durch das Sekundärrecht der Union gewährte Möglichkeit gegenüberstehe, Leistungen durch Träger des Staates des temporären Aufenthalts zu beziehen. Demnach sei das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen.

30Die Bundesrepublik Deutschland räumt ein, dass allein der Umstand, dass eine nationale Regelung der Verordnung Nr. 1408/71 entspreche, die Mitgliedstaaten nicht von der Beachtung des primären Rechts der Dienstleistungsfreiheit entbinde. Daraus folge aber nicht, dass die Ansprüche, die sich aus dem Sekundärrecht gerade zum Schutz der Sozialversicherten ergäben, bei der Feststellung, ob denn überhaupt eine Beschränkung dieser Grundfreiheit gegeben sei, außer Betracht zu lassen wären. Bei gegenteiliger Annahme wären nämlich der ganze Sinn und Zweck sowohl der Verordnung Nr. 1408/71 als auch ihrer Nachfolgeregelung in Gestalt der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1) in Frage gestellt.

31Es könne keine Rolle spielen, dass die für das Risiko der Pflegebedürftigkeit in anderen Mitgliedstaaten vorgesehenen Leistungen nicht dieselbe Höhe erreichten wie diejenigen Leistungen, die die Pflegeversicherung gewähre. Das Unionsrecht sei nämlich von dem Gedanken getragen, dass unterschiedlich hohe Leistungen in der sozialen Absicherung der Mitgliedstaaten hingenommen werden dürften und müssten. Wäre dem nicht so, wäre die Koordinierung der Sozialversicherungsträger, insbesondere ihre Zuständigkeitsabgrenzung, nie von Bestand, weil jede Zuweisung zu einer weniger günstigen Sozialrechtsordnung vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Dienstleistungsfreiheit zunichte gemacht würde. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei zu entnehmen, dass das Unionsrecht im Zusammenspiel von Primär- und Sekundärrecht das Bestehen von Unterschieden bei der Höhe der nach den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten gewährten Leistungen toleriere.

32Auch hinsichtlich der zweiten Rüge betreffend die fehlende Erstattung der Miete von Pflegehilfsmitteln in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland macht diese geltend, dass die Möglichkeit einer Doppelleistung das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausschließe. Sogar die Kommission habe in ihrer Klageschrift die Annahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen, soweit die Miete von Pflegehilfsmitteln in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland für die deutschen Pflegekassen neben der Finanzierung von Pflegehilfsmitteln im Inland eine zusätzliche Last bedeuten würde.

Zur Rechtfertigung

33Für den Fall, dass das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit festgestellt wird, trägt die Bundesrepublik Deutschland zunächst vor, dass die Sicherung der Qualität von Pflegediensten in Deutschland durch strenge Vorgaben hinsichtlich der Zulassung dieser Dienste sowie durch regelmäßige Qualitätsprüfungen gewährleistet werde. Da die Qualitätskriterien sowohl die Art der Tätigkeiten als auch einzelne Maßnahmen zur Qualitätssicherung beträfen, sei kaum zu überprüfen, ob bei der Versorgung in einem anderen Mitgliedstaat diese Kriterien eingehalten würden.

34Ferner beanspruche das System der ambulanten Pflegesachleistung einen hohen Vorhaltungsaufwand sowohl in organisatorischer wie auch in finanzieller Hinsicht, so dass es insbesondere der fehlenden Auslastung der Pflegekräfte während der Reisezeiten vorzubeugen gelte.

35Schließlich wäre nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland das finanzielle Gleichgewicht des deutschen Systems der sozialen Sicherheit im Ergebnis gefährdet, wenn Pflegesachleistungen im Ausland erfasst würden. Sie weist hierzu darauf hin, dass im Bereich der sozialen Pflegeversicherung mit dem Pflegegeld - anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung - eine gesonderte exportfähige Leistung vorhanden sei, mit der es allen Pflegebedürftigen im In- und Ausland ermöglicht werde, auch Leistungen von nicht durch Versorgungsvertrag zugelassenen Leistungserbringern zu finanzieren. Könnten die in der Pflegeversicherung Versicherten die Pflegesachleistungen und nicht nur Geldleistungen wie das Pflegegeld exportieren, könnte dies dem Willen des deutschen Gesetzgebers zuwiderlaufen, für die Pflegebedürftigen einen Anreiz zu schaffen, die Versorgung in ihrer eigenen Familie in Anspruch zu nehmen.

36Eine Verpflichtung zum Pflegesachleistungsexport ins Ausland würde die Pflegeversicherung mit erheblich höheren Gesamtkosten belasten, was den Grundsatz der solidarischen Finanzierung der Pflegeversicherung gefährdete. Denn durch einen solchen Wechsel drohten Mehrbelastungen für die soziale Pflegeversicherung in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr.

37Im Übrigen beruhten die Qualitätsanforderungen, die für die Kostenerstattung der Pflegedienstleister notwendig seien, auf objektiven, nichtdiskriminierenden und vorher bekannten Kriterien, so dass dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt würden.

38Nach Ansicht der Kommission kann das Vorbringen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und insbesondere zur Einhaltung der Qualitätskriterien keinen Erfolg haben, da die Bundesrepublik Deutschland weder die behauptete Gefahr für die öffentliche Gesundheit, die von einer diese Kriterien nicht einhaltenden Versorgung ausgehe, noch die Verhältnismäßigkeit der pauschalen Erstattungsverweigerung dargetan habe.

39Entgegen dem Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland seien die aus der Rechtsprechung zur Krankenhausversorgung abgeleiteten Erwägungen betreffend ein ausreichendes, ausgewogenes und ständiges Angebot einer qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung und die Notwendigkeit, die finanzielle Stabilität des Krankenversicherungssystems zu gewährleisten, nicht auf die hier in Rede stehende ambulante Pflege übertragbar.

Würdigung durch den Gerichtshof

40Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Klage, wie aus den Randnrn. 21 und 22 des vorliegenden Urteils hervorgeht und die Generalanwältin in Nr. 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht gegen das deutsche Vertragssystem für die Erbringer von Leistungen der häuslichen Pflege gegenüber Pflegebedürftigen gerichtet ist.

41Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, obliegt es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann (vgl. u. a. Urteile vom , Kommission/Niederlande, 96/81, Slg. 1982, 1791, Randnr. 6, und vom , Kommission/Frankreich, C-512/08 Slg. 2010, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 56).

42Somit ist im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob die Kommission im Rahmen ihrer beiden in den Randnrn. 21 und 22 des vorliegenden Urteils dargestellten Rügen, die zusammen zu prüfen sind, den ihr obliegenden Nachweis erbracht hat.

43Wie Randnr. 24 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, lässt sich nach Ansicht der Kommission, um das Vorliegen von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu ermitteln, die Rechtsprechung zur Kostenerstattung bei in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten medizinischen Behandlungen auf die deutsche Regelung betreffend das Risiko der Pflegebedürftigkeit übertragen.

44Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Pflegebedürftigkeit im Wesentlichen als Bezeichnung einer Situation zu verstehen ist, in der eine Person aufgrund verminderter Selbständigkeit bei elementaren Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , da Silva Martins, C-388/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 39 und 40).

45Ferner hat der Gerichtshof, wie sich seiner auf dem Urteil vom , Molenaar, C-160/96, Slg. 1998, I-843, beruhenden Rechtsprechung entnehmen lässt, in Ermangelung von Vorschriften in der Verordnung Nr. 1408/71, die sich speziell auf das Risiko der Pflegebedürftigkeit beziehen, Leistungen zur Deckung dieses Risikos, wie sie im Rahmen des deutschen Pflegeversicherungssystems erbracht werden, den "Leistungen bei Krankheit" im Sinne dieser Verordnung gleichgestellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Silva Martins, Randnrn. 39 bis 48).

46Nach dieser Rechtsprechung fallen die Leistungen der Pflegeversicherung, die in der Übernahme oder Erstattung der durch die Pflegebedürftigkeit des Versicherten entstandenen Kosten bestehen, darunter insbesondere der Kosten, die die häusliche Pflege durch Dritte sowie die Lieferung und die Installation von für den Versicherten notwendigen Einrichtungen decken sollen, unter den Begriff "Sachleistungen" im Sinne von Titel III der Verordnung Nr. 1408/71 (vgl. in diesem Sinne Urteile Molenaar, Randnrn. 5, 6, 23 und 32, und vom , Gaumain-Cerri und Barth, C-502/01 und C-31/02, Slg. 2004, I-6483, Randnr. 26).

47Weiter fallen nach ständiger Rechtsprechung entgeltliche medizinische Leistungen in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr, ohne dass danach zu unterscheiden wäre, ob die Versorgung in einem Krankenhaus oder außerhalb eines solchen erbracht wird (vgl. u. a. Urteile Smits und Peerbooms, Randnr. 53, und Kommission/Frankreich, Randnr. 30).

48In diesem Zusammenhang schließt der Umstand, dass die in Rede stehende Regelung zum Bereich der sozialen Sicherheit gehört oder eine Sachleistung vorsieht, die medizinischen Behandlungen nicht vom Geltungsbereich des durch den AEU-Vertrag gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs aus (vgl. in diesem Sinne Urteil Müller-Fauré und van Riet, Randnr. 39).

49Nach gleichfalls ständiger Rechtsprechung lässt zwar das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt und bestimmt in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene das Recht jedes Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen Leistungen der sozialen Sicherheit gewährt werden, doch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten, insbesondere die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteile Kohll, Randnrn. 17 bis 21, vom , von Chamier-Glisczinski, C-208/07, Slg. 2009, I-6095, Randnr. 63, und vom 27. Januar 2011, Kommission/Luxemburg, C-490/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50Jedoch lässt sich, anders als die Kommission in ihren Schriftsätzen anzunehmen scheint, aus der in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zur Kostenerstattung bei in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten medizinischen Behandlungen allein nicht ableiten, dass die hier in Rede stehende deutsche Regelung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt.

51Auch wenn nämlich, wie sich aus Randnr. 45 des vorliegenden Urteils ergibt, in Ermangelung von Vorschriften in der Verordnung Nr. 1408/71, die sich speziell auf das Risiko der Pflegebedürftigkeit beziehen, Leistungen, die dieses Risiko betreffen, den "Leistungen bei Krankheit" im Sinne dieser Verordnung gleichzustellen sind, bestehen gleichwohl Unterschiede zwischen den Leistungen, die das Risiko der Pflegebedürftigkeit betreffen, und denen, die mit einer rein medizinischen Behandlung in Zusammenhang stehen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil da Silva Martins, Randnrn. 47 und 48). Insbesondere sind im Unterschied zu den Leistungen, die mit einer medizinischen Behandlung in Zusammenhang stehen, die das Risiko der - in der Regel lange andauernden - Pflegebedürftigkeit betreffenden Leistungen grundsätzlich nicht darauf angelegt, für kurze Zeit gezahlt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil da Silva Martins, Randnr. 48).

52Unter diesen Voraussetzungen reicht es im vorliegenden Fall, um das Vorliegen von aus der streitigen Regelung resultierenden Beschränkungen darzutun, nicht aus, sich ohne Erläuterung oder besondere Ausführungen lediglich auf die in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung zu berufen.

53Ferner weist die Kommission zwar darauf hin, dass das Sekundärrecht den Versicherungsmitgliedstaat auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit nicht davon befreit, das Primärrecht zu beachten - was die Bundesrepublik Deutschland, wie der Randnr. 30 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, im Übrigen nicht bestreitet -, aber hat nicht auf das in den Randnrn. 29 bis 32 des vorliegenden Urteils dargelegte Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland erwidert, wonach die sich aus der Verordnung Nr. 1408/71 ergebende Möglichkeit bestehe, dass die in der Pflegeversicherung Versicherten bei einem temporären Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland Sachleistungen vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers in Deutschland bezögen.

54Jedenfalls ist festzustellen, dass nach der Verordnung Nr. 1408/71, deren Gültigkeit, was ihre hier einschlägigen Bestimmungen angeht, im vorliegenden Fall nicht angezweifelt wird und die bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist zwischen den Mitgliedstaaten der Union anwendbar war, ein pflegebedürftiger Versicherter sogar eine Kombination von Geld- und Sachleistungen beziehen könnte, deren Höhe zusammengenommen die Höhe der im Hoheitsgebiet des zuständigen Staates zur Verfügung stehenden entsprechenden Leistungen übersteigt.

55Art. 22 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung und für "Rentenberechtigte" ihr Art. 31 sollen nämlich, sofern ihre Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere den Bezug von Sachleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem des zuständigen Trägers für dessen Rechnung vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für den Träger dieses anderen Mitgliedstaats geltenden Rechtsvorschriften sowie von Geldleistungen nach den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften gewährleisten, die entweder unmittelbar von diesem oder für dessen Rechnung erbracht werden.

56Zudem hat der Gerichtshof insoweit bereits entschieden, dass im Bereich der medizinischen Versorgung die Gewährung von Sachleistungen, die Art. 31 der Verordnung Nr. 1408/71 vorsieht, weder von einem Genehmigungsverfahren noch von dem Erfordernis abhängig gemacht werden darf, dass die Krankheit, die der fraglichen Behandlung bedurfte, plötzlich während dieses Aufenthalts aufgetreten ist und die unverzügliche Behandlung erforderlich gemacht hat (vgl. Urteil vom , IKA, C-326/00, Slg. 2003, I-1703, Randnr. 43).

57Außerdem können, da Art. 48 AEUV eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorsieht, die Regeln des AEU-Vertrags für den freien Dienstleistungsverkehr einem Versicherten nicht garantieren, dass ein örtlicher Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat u. a. in Bezug auf Leistungen bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit neutral ist. Aufgrund der Unterschiede, die in diesem Bereich zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, kann ein solcher Wechsel je nachdem nämlich finanzielle Vorteile oder Nachteile haben (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom , Hervein u. a., C-393/99 und C-394/99, Slg. 2002, I-2829, Randnrn. 50 bis 52, von Chamier-Glisczinski, Randnrn. 84 und 85, und vom , Kommission/Spanien, C-211/08, Slg. 2010, I-5267, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58Folglich kann bei vorübergehendem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat die Anwendung - gegebenenfalls aufgrund der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 - der nationalen Regelung dieses Staates, die in Bezug auf Leistungen der sozialen Sicherheit weniger günstig ist als die des zuständigen Staates im Sinne von Art. 1 Buchst. q dieser Verordnung, grundsätzlich mit den Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Personenfreizügigkeit vereinbar sein (vgl. entsprechend u. a. Urteile von Chamier-Glisczinski, Randnrn. 85 und 87, und da Silva Martins, Randnr. 72).

59Im Übrigen hat die Kommission selbst im Rahmen der in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen zweiten Rüge das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen, soweit die Miete von Pflegehilfsmitteln in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland für die deutschen Pflegekassen neben der Finanzierung von bereits im Inland gestellten Pflegehilfsmitteln eine zusätzliche Last nach sich ziehen würde.

60Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 36 der Verordnung Nr. 1408/71 Aufwendungen für Sachleistungen, die aufgrund des Titels III dieser Verordnung vom Träger eines Mitgliedstaats für Rechnung des Trägers eines anderen Mitgliedstaats gewährt worden sind, in voller Höhe zu erstatten sind.

61Folglich hat die Kommission auf das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zu der nach Titel III der Verordnung Nr. 1408/71 bestehenden Möglichkeit, dass ein pflegebedürftiger Versicherter in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland neben in Deutschland bereits finanzierten gleichartigen Hilfsmitteln Pflegehilfsmittel erhalte, nicht in zweckdienlicher Weise geantwortet.

62Nach alledem hat die Kommission das Bestehen sich aus der streitigen Regelung ergebender Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtlich hinreichend dargetan.

63Da keine der Rügen, auf die die Kommission ihre Klage stützt, begründet ist, ist die Klage abzuweisen.

Kosten

64Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

65Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Fundstelle(n):
BAAAE-13938