BGH Urteil v. - 5 StR 536/11 (alt: 5 StR 18/10)

Leitsatz

Leitsatz:

Vorhersehbarkeit der Todesfolge nach Brechmitteleinsatz (im Anschluss an BGHSt 55, 121).

Gesetze: StGB § 227; StPO § 81a

Instanzenzug:

Gründe

1 1. Zu Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang:

2 Gegenstand des Verfahrens ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten als im Beweismittelsicherungsdienst tätiger Arzt für den am eingetretenen Tod des 35 Jahre alten C. aus Sierra Leone im Rahmen einer zwangsweise durchgeführten Exkorporation von Kokain.

3 a) Das Landgericht hat in seinem in dieser Sache ergangenen ersten freisprechenden Urteil vom als Todesursache eine Mangelversorgung des Gehirns mit Sauerstoff (zerebrale Hypoxie) als Folge von Ertrinken nach Aspiration über einen Magenschlauch zugeführten Wassers bei forciertem Erbrechen festgestellt. Hierfür hat es ein objektiv pflichtwidriges Handeln des Angeklagten als ursächlich angesehen. Dieser habe nach dem Eingreifen des von ihm herbeigerufenen Notarztes trotz erkennbar erhöhten Aspirationsrisikos die Exkorporation fortgesetzt. Der Tod des Beschuldigten sei für den Angeklagten aber nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, weil er als Arzt persönlich überfordert gewesen sei und sich auf die Kompetenz des weiterhin anwesenden Notarztes habe verlassen können.

4 b) Mit Urteil vom - 5 StR 18/10 (BGHSt 55, 121) hat der Senat auf die Revisionen der Nebenklägerin, der Mutter des Verstorbenen, und seines mittlerweile gleichfalls verstorbenen Bruders als damals weiteren Nebenkläger das genannte Urteil aufgehoben. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hat er als rechtsfehlerhaft beanstandet und auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts vom neuen Tatgericht die Prüfung und Bewertung weiterer Pflichtverstöße des Angeklagten als rechtlich geboten verlangt (unterlassene Aufklärung, Durchführung eines erkennbar nicht beherrschten medizinischen Eingriffs und Fortsetzung der Exkorporation unter Verstoß gegen das Gebot der Wahrung der Menschenwürde). Der Senat hat ferner die in der Spätphase des Eingriffs vorgenommene Auslösung des Brechreizes mittels einer Pinzette sowie eines Spatels als Körperverletzung bewertet. Er hat nicht ausschließen können, dass eine fehlerfreie Würdigung der festgestellten Umstände die Voraussetzungen einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB ergeben würde. Deshalb hat er die Sache an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen (§ 74 Abs. 2 Nr. 8 GVG).

5 c) Das Landgericht hat den Angeklagten erneut freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Nebenklägerin. Diese hat wiederum Erfolg.

6 2. Zu den Feststellungen und Wertungen der Schwurgerichtskammer:

7 a) Das Landgericht hält die vom Erstgericht festgestellte Todesursache nach Anhörung von neun Sachverständigen für wahrscheinlich (UA S. 83). Deren Annahme im Sinne einer sicheren richterlichen Überzeugung stehe allerdings maßgeblich der Umstand entgegen, dass der ausweislich aktiven Bemühens, Erbrochenes nicht nach außen dringen zu lassen ("Filtern"), nicht bewusstseinsgetrübte C. bei Wassereintritt in die Luftröhre hätte husten müssen, was indessen keiner der Beteiligten gehört habe.

8 b) Zudem habe die Prüfung nicht ausschließbare alternative Todesursachen ergeben. Einen durch Manipulationen im Halsbereich ausgelösten vorübergehenden Herzstillstand (Karotis-Sinus-Reflex) hat das Landgericht unter der Prämisse für denkbar gehalten, dass der Kiefer des Verstorbenen zur Ermöglichung des Spateleinsatzes unter Krafteinsatz verbunden mit starkem Druck am Hals geöffnet worden sei (UA S. 86). Eine weitere mögliche Ursache für die Reduzierung der Herzfrequenz (Bradykardie) hat es in einem zu hohen Atemdruck (Valsalva-Reflex) gefunden (UA S. 84, 89, 91). Dafür könnten vor allem eine permanente Reizung eines Hirnnervs, des Nervus Vagus, durch nachteilige Veränderung der betroffenen Schleimhautareale beim Legen der Magensonde, die mit dem "Filtern" verbundene Pressatmung und die dadurch bedingte Druckerhöhung im Thoraxbereich verantwortlich sein; dies könne zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation geführt haben, wobei aber auch ein zusätzliches Auslösen eines heftigeren Valsalva-Reflexes durch den Spateleinsatz eine Rolle gespielt haben könne (UA S. 89). Schließlich habe ein mittelgradig bedeutsamer chronischer Herzmuskelschaden mit zu einer Verstärkung der letztlich todesursächlichen Bradykardie beitragen können (UA S. 86, 87).

9 Zwar sei auszuschließen, dass eine der erwogenen Ursachen für sich allein eine reanimationspflichtige Bradykardie ausgelöst habe (UA S. 86). Im Sinne eines multifaktoriellen Geschehens könnten sie jedoch als Todesursache in Betracht kommen (UA S. 95 und mehrfach).

10 c) Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten im Rahmen der Fortsetzung der Exkorporation als todesursächlich bewertet (UA S. 99), jedoch seiner rechtlichen Würdigung zugunsten des Angeklagten das multifaktorielle Geschehen zugrunde gelegt, das "nach Auffassung aller Gutachter" nicht vorhersehbar gewesen sei (UA S. 101). Es hat weder einen ärztlichen Sorgfaltspflichtverstoß festgestellt noch angenommen, dass der Angeklagte den Verstorbenen rechtswidrig verletzt oder gar fahrlässig seinen Tod verursacht haben könnte.

11 3. Der Freispruch des Angeklagten hat keinen Bestand. Die Beweiswürdigung und die Subsumtion des Landgerichts offenbaren durchgreifende Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten (vgl. , NStZ 2009, 401, 402 mwN). Dabei ist wegen offensichtlicher Verletzung der Bindungswirkung und rechtlich unzulänglicher Ausschöpfung des festgestellten Sachverhalts nicht nur - was die Nebenklägerin nicht rügen könnte (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) - eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung unterblieben, sondern es liegen auch Rechtsfehler bezogen auf die Prüfung einer fahrlässigen Verursachung der Todesfolge vor.

12 a) Das Landgericht hat mehrfach gegen die in § 358 Abs. 1 StPO normierte Bindungswirkung der dem Senatsurteil vom zugrunde liegenden rechtlichen Beurteilung auch in Bezug auf dort benannte Beweiswürdigungsfehler verstoßen (vgl. , BGHR StPO § 358 Abs. 1 Bindungswirkung 2). Der Senat muss nicht entscheiden, ob schon diese Rechtsfehler, auch in Verbindung mit haltlosen Unterstellungen zugunsten des Angeklagten, geeignet sind, die neu getroffenen Feststellungen insgesamt in Frage zu stellen. Angesichts der nachfolgenden durchgreifenden Einzelbeanstandungen kommt es hierauf nicht an.

13 b) Die Bewertung der Fortsetzung der Exkorporation nach dem Notarzteinsatz begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit rechtswidrige Körperverletzungshandlungen, Sorgfaltspflichtverletzungen sowie die Vorhersehbarkeit des Todes verneint worden sind. Entgegen der Auffassung der Schwurgerichtskammer ergeben die durch sie getroffenen Feststellungen ohne Weiteres die Voraussetzungen einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB.

14 aa) Die bei der Fortsetzung der Exkorporation durch den Angeklagten vorgenommenen Maßnahmen waren auch nach zum Tatzeitpunkt noch vertretbarer Rechtsansicht (vgl. dazu BGHSt aaO, S. 130 f.) nicht durch § 81a StPO gerechtfertigt und stellen demgemäß rechtswidrige Körperverletzungshandlungen dar.

15 (1) Es kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen des § 81a StPO nicht ein engerer Beurteilungsmaßstab anzulegen ist, als ihn das Landgericht verwendet hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, 46. Aufl. 2003, 47. Aufl. 2004, 54. Aufl. 2011, jeweils § 81a Rn. 17 mwN). Jedenfalls hat die Schwurgerichtskammer den aktuellen Gesundheitszustand des Verstorbenen (vgl. Meyer-Goßner aaO) nicht hinreichend in seine - im Übrigen durch keinen der zahlreichen Sachverständigen gestützte - Wertung einbezogen, dass ein erfahrener Facharzt bei Fortsetzung der Exkorporation nicht mit Nachteilen für dessen Gesundheit habe rechnen müssen. Rechtsfehlerhaft hat sie ferner hinsichtlich der Voraussetzungen des § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO - ebenso wie für die Frage der Pflichtwidrigkeit im Sinne der §§ 222, 227 StGB - darauf abgestellt, dass sich die Aspirationsgefahr aus der Sicht ex post nicht zu ihrer Überzeugung verwirklicht habe (UA S. 101). Darauf kommt es nicht an. Maßgebend ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, ob bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage aus der Sicht ex ante bei Fortsetzung der Exkorporation mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Nachteile zu erwarten waren (vgl. LR/Krause, StPO, 26. Aufl. 2008, § 81a Rn. 31 mwN; Meyer-Goßner aaO; siehe auch , BGHSt 8, 144, 147 f.; zum Maßstab für die Pflichtwidrigkeit: , NJW 2000, 2754, 2758, und vom - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657, 658). Das ist nach dem durch das Landgericht festgestellten Geschehen unzweifelhaft zu bejahen.

16 Der Gesundheitszustand des Verstorbenen während der ersten Exkorporationsphase war erkennbar beeinträchtigt (unter anderem Apathie, schweres Atmen, Pupillenengstellung, Sauerstoffsättigungswert von nur 89 %; UA S. 21 ff.), veranlasste den Angeklagten zur Herbeiholung des Notarztes und machte schließlich die Infusion eines Notfallmedikaments (Ringerlösung) sowie die Gabe von Sauerstoff notwendig. Auch in Anbetracht der danach erreichten Zustandsverbesserung verbot sich bei dieser Sachlage unter den strengen medizinischen Voraussetzungen des § 81a StPO die Fortsetzung der Exkorporation schon wegen des Risikos erneuten Auftretens der - hinsichtlich ihrer Ursache ungeklärt gebliebenen - Komplikationen. Zudem war der durch konkrete Umstände begründete Verdacht einer Bewusstseinseintrübung gegeben. Er stand den weiteren durch den Angeklagten getroffenen Maßnahmen wegen damit verbundener Aspirationsgefahr zwingend entgegen (vgl. zur Kontraindikation der Aspirationsgefahr auch die Allgemeinverfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bremen, UA S. 10). Das Landgericht hat es insoweit unterlassen, aus seiner entsprechenden zutreffenden eigenen Bewertung (UA S. 101) die gebotenen zwingenden Folgerungen auf die klare Rechtswidrigkeit der Eingriffsfortsetzung zu ziehen.

17 Angesichts der dargetanen und dem Angeklagten bekannten gesundheitlichen Parameter des C. im Zeitpunkt des Noteinsatzes durfte die Schwurgerichtskammer zugunsten des - in der Hauptverhandlung schweigenden - Angeklagten weder eine Simulation der Beeinträchtigungen oder ihrer Schwere durch den Verstorbenen unterstellen (UA S. 21, 24, 26, 101 und mehrfach), noch eine etwa in diese Richtung zielende Annahme des Angeklagten, zu dessen Vorerfahrungen mit Zwangsexkorporationen das Schwurgericht - angesichts zu erwartender Dokumentationen schwer verständlich - nichts festzustellen vermochte (UA S. 14). Entsprechendes gilt mangels objektiver Anhaltspunkte für eine von keinem Zeugen beobachtete kurze (und ohnehin nicht zureichende) Untersuchung der Herz- und Lungenfunktion mittels Stethoskops (UA S. 25). Dass der Angeklagte selbst bei Fortsetzung der Exkorporation erneute Verwerfungen für möglich hielt, ergibt sich deutlich aus seiner Bitte an den Notarzt, noch zu bleiben, mit der er sich nach den Feststellungen "ärztlichen Rückhalts" versichern wollte (UA S. 25).

18 (2) Soweit das Landgericht eine im Einsatz von Pinzette und Spatel liegende rechtswidrige Körperverletzung und zugleich Sorgfaltspflichtverletzung unter Hinweis auf eine übliche - wenn auch in der für den Angeklagten geltenden Dienstanweisung nicht geregelte - Praxis verneint, hat es gegen die nach § 358 Abs. 1 StPO verbindliche Rechtsauffassung des Senats verstoßen. Das nach nochmaliger Befüllung des Magens mit Wasser gewaltsame Öffnen des Mundes unter größerem Kraftaufwand und das mechanische Auslösen des Brechreizes mittels Pinzette und Spatels sind offensichtlich unverhältnismäßig, verletzen die Menschenwürde und sind demgemäß auch rückblickend schlechterdings nicht nach § 81a StPO zu rechtfertigen (BGHSt 55, 121, 133). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Untersuchungszimmer nicht mit einem Spatel ausgestattet war, ein solcher vielmehr erst aus dem Rettungswagen geholt werden musste (UA S. 28), was der vom Landgericht angenommenen Üblichkeit einer solchen Exkorporationsmethode widerstreiten würde.

19 bb) Auch am Körperverletzungsvorsatz ist nicht zu zweifeln. Namentlich sind den Feststellungen nicht die Voraussetzungen für einen etwaigen vorsatzausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum (vgl. , BGHSt 45, 378, 384) infolge Verkennung der für den Verstorbenen bestehenden Gefahrenlage zu entnehmen. Die Bitte an den Notarzt, noch zu bleiben (vgl. oben), läuft der Annahme einer in dieser Hinsicht bestehenden Fehlvorstellung des Angeklagten zuwider.

20 cc) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte mit den in Fortsetzung der Exkorporation getroffenen Maßnahmen den Eintritt des Todeserfolgs verursacht hat. Auch bei angenommener Todesursache eines mulitfaktoriellen Geschehens ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang keinen Zweifeln ausgesetzt. Denn auch dann hat sich die der Verwirklichung des Grunddelikts eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr im tödlichen Ausgang verwirklicht (vgl. hierzu etwa , BGHSt 31, 96, vom - 3 StR 532/00, BGHR StGB § 227 Todesfolge 1, vom - 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 21, und vom - 5 StR 435/07, BGHR StGB § 227 Todesfolge 6). Die etwa mitwirkende unerkannte Herzvorschädigung des Verstorbenen führt dabei nicht zur Annahme eines außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegenden, als Verkettung außergewöhnlicher, unglücklicher Umstände anzusehenden und deshalb dem Angeklagten nicht anzulastenden Geschehens (vgl. , BGHSt 31, 96, 100).

21 dd) Die Würdigung der Vorhersehbarkeit des Todeserfolgs ist durchgreifend rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat auch hier einen nicht zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt.

22 Im Rahmen des § 227 StGB ist, weil schon in der Begehung des Grunddelikts eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt, alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit des Todeserfolgs (, BGHR StGB § 227 Todesfolge 1, und vom - 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 21). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Todeseintritt vorausgesehen werden konnte oder ob aus dieser Sicht die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (BGHSt aaO mwN).

23 An diesen Grundsätzen gemessen steht die Vorhersehbarkeit des Todeseintritts auch auf der Basis des durch das Landgericht als todesursächlich unterstellten multifaktoriellen Geschehens nicht in Frage. Zwar konnte der Herzschaden im Zeitpunkt der Fortsetzung der Exkorporation durch den Angeklagten ohne eingehende körperliche Untersuchung nicht diagnostiziert werden. Ebenso nimmt die Schwurgerichtskammer nachvollziehbar an, dass die Einzelheiten des tödlichen Ablaufs nicht absehbar gewesen sind. Das ist jedoch auch nicht erforderlich; denn die - nicht durch den Sachverständigen, sondern in wertender Betrachtung durch den Richter zu beurteilende - Vorhersehbarkeit muss sich nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, mithin auch nicht auf die konkrete Todesursache erstrecken (vgl. , BGHR StGB § 226 aF Todesfolge 12, vom - 4 StR 453/07, NStZ 2008, 686, 687, und vom - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309).

24 Vorliegend widersprach es gerade ärztlicher Pflicht, die Exkorporation fortzuführen, nachdem sich der Gesundheitszustand während deren erster Phase so sehr verschlechtert hatte, dass der Angeklagte das Legen einer Verweilkanüle und das Herbeiholen des Notarztes für erforderlich gehalten hatte und nachdem notärztliche Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt worden waren. Zudem setzte der Angeklagte - was von der Schwurgerichtskammer nicht erkennbar bedacht worden ist - auf der Basis der Feststellungen zum alternativ denkbaren Kausalverlauf namentlich mit dem noch mindestens zweimaligen Legen der Magensonde sowie dem mit körperlicher Gewalt verbundenen Einsatz von Spatel und Pinzette pflichtwidrig eigenständige Ursachen für den Eintritt der Todesfolge (Auslösen von Karotis-Sinus- bzw. Valsalva-Reflex), wobei nach dem Verlauf der "ersten Phase" und dem vom Landgericht angenommenen "vitalen" Zustandsbild des Angeklagten dann auch weiteres "Filtern" durch den Verstorbenen und allein daraus möglicherweise resultierende schädliche Folgen wahrscheinlich waren. Wenn der Arzt unter solchen Vorzeichen lediglich nach Prüfung der "Vitalparameter" mit seinem Tun fortfährt, so liegt der Todeseintritt aufgrund mitwirkender Vorschädigung der betroffenen Person nicht so sehr außerhalb der Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussehbarkeit für den "erfahrenen Facharzt" und den Angeklagten persönlich in Zweifel zu ziehen wäre (vgl. auch , BGHR StGB § 226 aF Todesfolge 9 ["medizinische Rarität"], vom - 3 StR 569/96, BGHR StGB § 226 aF Todesfolge 12 [Herzinfarkt infolge Herzvorschädigung] und vom - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309). Mit Komplikationen auch aufgrund nicht auf den ersten Blick erkennbarer Vorschädigungen muss der Fachkundige - zumal in Ermangelung einer gründlichen Untersuchung - bei einem so gearteten Zwangseingriff vielmehr stets rechnen. Das Wissen um solche Risiken gehört naturgemäß auch zum beruflichen Erfahrungsbereich des nach den Feststellungen der nunmehr entscheidenden Schwurgerichtskammer überdies vielfach mit - wenngleich nicht zwangsweise durchgeführten - Exkorporationen befassten und über deren Risiken wohl informierten (vgl. UA S. 11, 14) Angeklagten.

25 4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung, Letztere unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 358 Abs. 1 StPO). Die Feststellungen können, auch soweit sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden, insgesamt keinen Bestand haben, weil es dem freigesprochenen Angeklagten bislang verwehrt war, die ihn bei rechtsfehlerfreier Bewertung belastenden Feststellungen revisionsrechtlich anzugreifen. Die Regelung in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO ermöglicht dem Senat im Falle des Landgerichts Bremen keine Zurückverweisung an ein anderes Gericht. Der Senat weist ausdrücklich auf den Fortbestand der Bindung an die gesamte rechtliche Beurteilung in seinem ersten Urteil hin (§ 358 Abs. 1 StPO) und auch auf die Ausführungen in dieser Entscheidung zur Rechtsfolge (BGHSt 55, 121, 138).

Fundstelle(n):
NAAAE-13892