BFH nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Gericht der Hauptsache für den Erlass einer einstweiligen Anordnung instanziell zuständig; BFH als Gericht der Hauptsache für die Entscheidungen über die Anträge nach § 69 Abs. 3 und Abs. 6 FGO zuständig
Gesetze: FGO § 69 Abs. 3, FGO § 69 Abs. 6, FGO § 70 Satz 1, FGO § 114 Abs. 2, FGO § 114 Abs. 3, GVG § 17a Abs. 2, BGB § 133, BGB § 157, ZPO § 920 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) erzielte im Jahr 2000 (Streitjahr) Einkünfte aus einer Arztpraxis. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Tätigkeitsfinanzamt —FA—) stellte mit Gewinnfeststellungsbescheid 2000 vom die Einkünfte des Antragstellers aus freiberuflicher Tätigkeit erklärungsgemäß —unter Vorbehalt der Nachprüfung— auf 148.110 DM fest und bat um Übersendung diverser Unterlagen.
2 Das FA erhöhte mit geändertem Gewinnfeststellungsbescheid vom (Änderungsbescheid 2000) die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit auf rd. 244.030 DM. Den am eingelegten Einspruch verwarf das FA als unzulässig. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene und auf Aufhebung des Änderungsbescheids 2000 gerichtete Klage mit Urteil vom 7 K 137/07 ab. Der Änderungsbescheid 2000 sei bestandkräftig. Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor. Die hiergegen wegen Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde verwarf der als unzulässig.
3 Mit Schreiben vom beantragte der Antragsteller die Korrektur des Änderungsbescheids 2000 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit seien auf den vormaligen Betrag (rd. 75.728 €) zu reduzieren. Das FA lehnte dies mit Schreiben vom ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der hiergegen erhobenen Klage beantragte der Antragsteller, das FA zu verpflichten, den Änderungsbescheid 2000 dahingehend zu korrigieren, dass ein Gewinn von 75.728 € festgestellt werde, hilfsweise den Änderungsbescheid 2000 aufzuheben. Das FG wies die Klage durch Urteil vom 3 K 218/10 ab. Der Verpflichtungsklage könne nicht stattgegeben werden, weil keine Korrekturvorschrift eingreife. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, weil das FG hierüber bereits mit Urteil vom 7 K 137/07 rechtskräftig entschieden habe.
4 Der Antragsteller legte gegen das beim BFH Beschwerde (Az. III B 239/11) wegen Nichtzulassung der Revision ein. Zugleich hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in mehreren Schreiben unter Verwendung jeweils unterschiedlicher Formulierungen beantragt, der BFH möge insbesondere „AdV”, „die Aufhebung der Vollziehung” oder „Rechtsschutz nach § 69 Abs. 6 FGO” gewähren. In einem weiteren Schreiben hat die Prozessbevollmächtigte zuletzt „in Abänderung des Antrags auf AdV Antrag auf Aufhebung der Vollziehung oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt”. Der Senat hat die Beschwerde III B 239/11 durch Beschluss vom als unbegründet zurückgewiesen.
5 II. Der Antrag ist unzulässig.
6 1. Der Senat legt die Schreiben des Antragstellers dahingehend aus (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches analog), dass er vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen den Änderungsbescheid 2000 begehrt.
7 Hierbei berücksichtigt der Senat zum einen, dass der Antragsteller gegen den Bescheid, durch den die Korrektur des Änderungsbescheids 2000 abgelehnt wurde, keinen vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 FGO erreichen könnte, weil dieser Ablehnungsbescheid keinen vollziehbaren Inhalt besitzt (z.B. , BFH/NV 1997, 601, m.w.N.), zum anderen, dass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO —gerichtet auf die Vornahme der abgelehnten Korrektur des Änderungsbescheids 2000— nicht der BFH, sondern das FG zuständig wäre (§ 114 Abs. 2 Satz 2 FGO). Im Übrigen hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
8 2. Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Änderungsbescheids 2000 oder einen solchen nach § 69 Abs. 6 FGO auf Aufhebung bzw. Änderung eines bereits in dieser Sache nach § 69 Abs. 3 FGO ergangenen Beschlusses des FG gestellt hat. Beiden Anträgen fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
9 Der BFH ist zwar nach der Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als Gericht der Hauptsache für die Entscheidungen über die Anträge nach § 69 Abs. 3 und nach Abs. 6 FGO zuständig (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 FGO; s. BFH-Beschlüsse vom VII S 9/96, BFH/NV 1996, 915; vom VII S 10/94, BFH/NV 1995, 230). Beide Verfahren setzen aber einen in der Hauptsache angefochtenen (vollziehbaren) Verwaltungsakt voraus, der noch geändert oder aufgehoben werden kann (s. BFH-Beschlüsse vom XI S 2/01, BFH/NV 2002, 67, zu § 69 Abs. 3 FGO; in BFH/NV 1995, 230, zu § 69 Abs. 6 FGO; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 1209).
10 Hieran fehlt es im Streitfall. Die Sache ist bereits durch den , mit dem die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das als unzulässig verworfen wurde, rechtskräftig entschieden; der angefochtene Änderungsbescheid 2000 kann nicht mehr geändert oder aufgehoben werden.
11 3. Das Verfahren ist nicht in entsprechender Anwendung des § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes von Amts wegen an das zuständige FG als das Gericht der Hauptsache i.S. des § 114 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO zu verweisen, weil kein Antrag nach § 114 FGO, sondern einer nach § 69 FGO gestellt wurde.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1475 Nr. 9
AAAAE-13289