„Grenzen einer gewinnnachverlagernden Steuerbilanzpolitik”
Gewinnausweis immer in die Zukunft verlagern?
Die durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ausgelöste Neuinterpretation des Maßgeblichkeitsprinzips hat die Möglichkeiten einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik erhöht. Bei Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Unternehmens, des mit einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik verbundenen organisatorischen Aufwands und des Betriebsprüfungsrisikos ergeben sich allerdings in der Praxis zahlreiche Einschränkungen.
Die Empfehlung, die Instrumente der Steuerbilanzpolitik möglichst weitgehend einzusetzen, stützt sich darauf, dass es über die Verlagerung des Gewinnausweises in spätere Jahre zu einer Ertragsteuerstundung kommt. Beim derzeit niedrigen Zinsniveau lassen sich durch eine Aufwandsvorverlagerung und Ertragsnachverlagerung allerdings nur geringe Vorteile erzielen. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, deren Gewinne innerhalb des progressiven Bereichs des Einkommensteuertarifs liegen, empfiehlt es sich deshalb häufig, einen möglichst gleichmäßigen Gewinnausweis anzustreben. Über eine tendenzielle Gewinnnivellierung lassen sich Steuersatznachteile vermeiden, ohne dass es zu einem größeren Zinsnachteil kommt. Eine Gewinnnachverlagerung ist nur dann sinnvoll, wenn es darum geht, die Liquidität des Unternehmens zu sichern. Angesprochen sind damit insbesondere die im UmwStG gewährten Wahlrechte, die Übertragung von Veräußerungsgewinnen nach § 6b EStG und der Investitionsabzugsbetrag.
Bei einigen Instrumenten besteht die Notwendigkeit, die Steuerbilanzpolitik mit der Kostenrechnung, der Erfassung von Zu- und Abgängen in der Finanzbuchhaltung sowie der Lagerbuchhaltung abzustimmen. Dies gilt insbesondere für die Inanspruchnahme von Bewertungsvereinfachungen (z. B. Festbewertung, Gruppenbewertung, lifo-Verfahren), die Art und Weise der Ermittlung der in die Herstellungskosten einzubeziehenden Gemeinkosten und die Behandlung von geringwertigen Wirtschaftsgütern. Weitere Einschränkungen für die Steuerbilanzpolitik ergeben sich, wenn zur Reduzierung des Umfangs der Rechnungslegungsverpflichtungen die Abweichungen zwischen der Handels- und Steuerbilanz möglichst gering ausfallen sollen. Bei einem Gleichklang der beiden Bilanzen entfallen nämlich nicht nur die im Zusammenhang mit latenten Steuern auftretenden Probleme, sondern auch die speziellen steuerlichen Aufzeichnungspflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 2, 3 EStG.
Bei rückläufigen Gewinnen oder in Verlustphasen kann es sich sogar anbieten, den Steuerbilanzgewinn zunächst möglichst hoch auszuweisen. Die Vorteile einer gewinnvorverlagernden Steuerbilanzpolitik liegen unter anderem darin, dass damit die Nachteile aus der „Mindestbesteuerung” nach § 10d EStG oder nach einem Gesellschafterwechsel (§ 8c KStG) reduziert werden können und dass bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG eine Nachversteuerung vermieden werden kann. Eine Aufwandsnachverlagerung bzw. Ertragsvorverlagerung ist auch dann zu empfehlen, wenn aufgrund von „Überentnahmen” der Wegfall der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Entlastungen nach den §§ 13a, 13b ErbStG droht.
Wolfram Scheffler
Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 2353
NWB WAAAE-12998