Instanzenzug: Az: 1 Ca 11965/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 18 Sa 41/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Berechnung eines tarifvertraglichen Zuschusses zum Kurzarbeitergeld.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Arbeitsvorbereiter beschäftigt gegen eine Vergütung von zuletzt 4.207,59 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die zwischen dem Unternehmerverband Metall Baden-Württemberg (vormals: Handwerksverband Metallbau und Feinwerktechnik Baden-Württemberg) und der IG Metall Bezirksleitung Baden-Württemberg abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte 2006 (MTV 2006) enthält ua. folgende Regelung:
3Die Beklagte führte zum Kurzarbeit ein, von der auch der Kläger betroffen war und infolge derer er ein reduziertes Arbeitsentgelt erhielt. Dieses betrug in den Monaten Mai und Juli 2009 jeweils 2.663,84 Euro brutto, im April 2009 3.049,77 Euro brutto und im Juni 2009 3.049,77 Euro brutto. Einen tarifvertraglichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gewährte die Beklagte dem Kläger nicht.
4Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe den tarifvertraglichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld unzutreffend auf Null berechnet. Dieser ergebe sich zunächst aus der Differenz zwischen 80 % des Soll-Bruttoentgelts und dem erhaltenen Ist-Bruttoentgelt nebst Kurzarbeitergeld. Zur Prüfung einer Deckelung müsse sodann ein - fiktiver - Nettobetrag aus der Summe des so errechneten Zuschusses zum Kurzarbeitergeld und dem Ist-Bruttoentgelt ermittelt werden. Übersteige dieser zusammen mit dem Kurzarbeitergeld das sich aus dem Soll-Bruttoentgelt ergebende Nettoentgelt nicht, entfalle ein Abzug.
Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen zuletzt sinngemäß beantragt,
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Deckelungsberechnung erfolge ohne einen fiktiven Nettobetrag. Es müsse die Summe aus dem Ist-Bruttoentgelt, dem Kurzarbeitergeld und dem sich im ersten Berechnungsschritt ergebenden Zuschuss zum Kurzarbeitergeld brutto mit dem sich aus dem Soll-Bruttoentgelt ergebenden Nettoentgelt verglichen werden.
7Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
8Die Beklagte hat nach Einlegung der Revision mit der Vergütung für den Monat August 2011 einen weiteren Zuschuss zum Kurzarbeitergeld iHv. 683,74 Euro brutto sowie Zinsen hieraus iHv. 77,03 Euro abgerechnet und gezahlt.
Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom den Rechtsstreit für erledigt erklärt und vorgetragen, auf einer Betriebsversammlung Anfang Juli 2011 habe der Geschäftsführer der Beklagten kundgetan, ungeachtet des Ergebnisses des Revisionsverfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht sei das Steuerbüro beauftragt worden, für alle betroffenen Mitarbeiter - auch diejenigen, die nicht geklagt hätten - den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld neu zu berechnen und die Fehlbeträge nebst Verzinsung auszuzahlen. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen.
Gründe
10Die Revision der Beklagten ist unzulässig geworden und unterliegt deshalb der Verwerfung, § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Beklagte ist nicht mehr beschwert.
11I. Sinn eines Rechtsmittelverfahrens ist es, dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit zu geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen. Der Rechtsmittelkläger muss deshalb durch die angefochtene Entscheidung beschwert sein, und zwar nicht nur bei der Einlegung, sondern noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel (allgemeine Ansicht, vgl. nur - zu II der Gründe, NJW-RR 2004, 1365; Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. Vor § 511 Rn. 10a; Reichold in Thomas/Putzo 33. Aufl. Vorbem. § 511 ZPO Rn. 16).
12Die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei entfällt, wenn sie den Urteilsbetrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt (endgültig) erfüllen will ( - ZZP 1958, 106; Musielak/Ball ZPO 9. Aufl. Vor § 511 Rn. 25). Ob das eine oder andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls ( - zu 3 b der Gründe, MDR 1976, 1005; - X ZR 7/92 - zu A der Gründe, NJW 1994, 942 - jeweils mwN; vgl. auch - VI ZB 87/09 - MDR 2011, 384).
13II. Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwer der Beklagten entfallen.
141. Das der Klage stattgebende, vom Berufungsgericht bestätigte erstinstanzliche Urteil war zwar vorläufig vollstreckbar, § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die Beklagte hat aber - ohne dass der Kläger die Zwangsvollstreckung betrieben hätte - die von den Vorinstanzen ausgeurteilte Forderung nebst Zinsen nach Abrechnung (zur Wirkung einer Abrechnung vgl. - Rn. 18 f., BAGE 135, 197) mit der vorbehaltlosen Zahlung erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Eine Rückforderungsmöglichkeit für den Fall eines Obsiegens im anhängigen Revisionsverfahren hat sich die Beklagte sowohl nach dem Vorbringen des Klägers als auch nach den Erläuterungen ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vorbehalten. Allenfalls sollte bei einem Obsiegen der Beklagten im anhängigen Revisionsverfahren die Zahlung „als Prämie gewertet“ werden. Auch eine solche hätte die Beklagte nach ihrer eigenen Einlassung nicht zurückverlangen können. Für die Rechtsposition der Beklagten ist deshalb eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts ohne Belang. Eine solche würde lediglich die Bedeutung eines Rechtsgutachtens haben.
152. Auch Kostengesichtspunkte sind nicht geeignet, das Fortbestehen einer Beschwer der Beklagten zu begründen. Denn eine Kostenentscheidung kann nicht isoliert mit Rechtsmittel angegriffen werden (§ 99 Abs. 1 ZPO), so dass die Beschwer des Rechtsmittelklägers nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf (statt aller: - Rn. 5, NJW-RR 2007, 765; Zöller/Heßler § 543 Rn. 6). Zudem hat sich die Beklagte durch die vorbehaltlose Zahlung freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben, an die die zivilprozessuale Kostenentscheidung hauptsächlich anknüpft.
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Fundstelle(n):
XAAAE-12467