BGH Beschluss v. - IX ZB 296/11

Rechtsbeschwerde gegen Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens: Erfordernis der Zulassung durch das Beschwerdegericht im Übergangsfall

Gesetze: Art 103f S 1 EGInsO, § 4 InsO vom , § 6 InsO vom , § 7 InsO vom , § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO, § 575 Abs 1 S 1 ZPO, § 575 Abs 2 ZPO, § 577 Abs 1 S 2 ZPO, ZPO§522ÄndG

Instanzenzug: Az: 13 T 138/11vorgehend AG Neumünster Az: 94 IE 1/11

Gründe

I.

1Die weitere Beteiligte zu 1 beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner trat dem Eröffnungsantrag mit der Begründung entgegen, das Insolvenzgericht sei international unzuständig, weil der Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen seit Januar 2010 in Großbritannien liege. Auf Antrag des Schuldners vom wurde am selben Tag durch den High Court of Justice in London das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach englischem Recht eröffnet. Das Insolvenzgericht hat daraufhin das Sekundärinsolvenzverfahren über das im Inland belegene Vermögen des Schuldners eröffnet. Das Landgericht hat die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom zurückgewiesen, ohne ausdrücklich über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entscheiden. Die Gehörsrüge des Schuldners gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung durch das Rechtsbeschwerdegericht der Schuldner hilfsweise beantragt, verfolgt er sein Begehren weiter, die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens abzulehnen.

II.

2Das Landgericht hat ausgeführt, der Eröffnungsantrag der Gläubigerin sei auch als Antrag auf Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens auszulegen. Die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Deutschland sei gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h EuInsVO zulässig, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung am eine Niederlassung im Inland unterhalten habe. Auf die Gehörsrüge des Schuldners hat das Landgericht ausgeführt, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde habe den Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zwar habe aufgrund der mit Wirkung zum erfolgten Aufhebung des § 7 InsO die Rechtsbeschwerde nach der Übergangsvorschrift des Art. 103f Satz 1 EGInsO der Zulassung durch das Beschwerdegericht bedurft. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde lägen jedoch nicht vor, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere.

III.

3Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

41. Entgegen der vom Schuldner vertretenen Auffassung ist die Rechtbeschwerde nicht nach der Regelung des § 7 InsO aF statthaft.

5a) Durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung vom (BGBl. I S. 2082) ist die Vorschrift des § 7 InsO aufgehoben worden. Während gemäß §§ 4, 6 Abs. 1, § 7 InsO aF in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Verfahren nach der Insolvenzordnung die Rechtsbeschwerde stets stattfand, wenn die sofortige Beschwerde statthaft gewesen war (vgl. , BGHZ 158, 212, 214; vom - IX ZB 161/08, WM 2009, 1582 Rn. 5), setzt die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach neuem Recht gemäß § 4 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO deren Zulassung durch das Beschwerdegericht voraus.

6b) Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist das neue Recht anzuwenden.

7aa) Gemäß Art. 103f Satz 1 EGInsO ist das vor dem geltende Recht auf Beschwerdeentscheidungen weiter anzuwenden, bei denen die Frist des § 575 ZPO am noch nicht abgelaufen ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch diese Übergangsregelung das Zulassungserfordernis des neuen Rechts auf Rechtsbeschwerden gegen solche Beschwerdeentscheidungen bezogen werden, die nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind, während die Rechtsbeschwerde gegen zuvor ergangene Beschwerdeentscheidungen zulassungsfrei bleiben sollte (BT-Drucks. 17/5334 S. 9). Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend darlegt, wäre bei streng am Wortlaut haftender Auslegung der Übergangsregelung die Vorschrift des § 7 InsO jedoch dauerhaft weiter anzuwenden, weil die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zu deren Begründung (§ 575 Abs. 2 ZPO) am noch nicht abgelaufen sein kann, wenn die anzufechtende Entscheidung des Beschwerdegerichts bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ergangen ist.

8Die Rechtsbeschwerde meint, auch wenn sich vor diesem Hintergrund eine gewisse Einschränkung des Gesetzeswortlauts aufdränge, müsse diese Einschränkung aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit möglichst gering ausfallen. Der gesetzgeberischen Intention werde bereits dadurch Genüge getan, dass die Vorschrift des Art. 103f Satz 1 EGInsO um die zusätzliche Voraussetzung ergänzt werde, die Neuregelung sei dann anzuwenden, wenn die sofortige Beschwerde vor dem eingelegt worden sei. Eine solche Auslegung komme dem Wortlaut des Art. 103f Satz 1 EGInsO am nächsten und verhindere, dass vom Zufall oder von der Willkür des Beschwerdegerichts abhänge, ob die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei möglich sei.

9bb) Demgegenüber hat der Senat die Regelung des Art. 103f Satz 1 EGInsO entsprechend der Vorstellung des Gesetzgebers dahingehend ausgelegt, dass das Zulassungserfordernis sich auf Rechtsbeschwerden gegen solche Beschwerdeentscheidungen bezieht, die seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind (, WM 2012, 276 Rn. 5; vom - IX ZB 1/12, Rn. 2; vom - IX ZB 301/11, Rn. 2). Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu ändern.

10Der Zweck einer gesetzlichen Regelung kann es gebieten, diese abweichend von deren Wortlaut auszulegen (, BGHZ 2, 176, 184 f; Beschluss vom - GSZ 3/51, BGHZ 4, 153, 157 f; Urteil vom - VIII ZR 253/99, BGHZ 152, 121, 127). Die offenkundige Sinnlosigkeit einer streng am Wortlaut haftenden Auslegung des Art. 103f Satz 1 EGInsO sowie die eindeutige Vorstellung des Gesetzgebers vom Zweck der Übergangsregelung sprechen für ein Verständnis der Vorschrift, wonach § 7 InsO weiter anzuwenden ist, wenn die mit der Rechtsbeschwerde anzufechtende Entscheidung des Beschwerdegerichts vor dem erlassen worden ist. Auf diese Weise wird verhindert, dass die Abschaffung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde praktisch leer läuft. Zugleich gewährleistet eine solche Auslegung, dass für Rechtsbeschwerden gegen Beschwerdeentscheidungen, die vor Inkrafttreten der Neuregelung ergangen sind, nicht rückwirkend ein Zulassungserfordernis eingeführt wird.

11Die demgegenüber von der Rechtsbeschwerde vorgeschlagene Auslegung des Art. 103f Satz 1 EGInsO, wonach auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu welchem die sofortige Beschwerde eingelegt worden ist (ebenso Zimmer, ZInsO 2011, 1689, 1695; a.A. Wenz, ZInsO 2011, 2120), findet weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine Stütze. Das Argument der Rechtsbeschwerde, es dürfe nicht der Entscheidung des Beschwerdegerichts obliegen, ob die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei möglich sei, überzeugt nicht. Es entspricht gerade dem gesetzlichen Regelungsmodell der zulassungsbedürftigen Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, die Entscheidung über die Eröffnung der Rechtsbeschwerdeinstanz in die Verantwortung des Beschwerdegerichts zu stellen.

122. Der Hilfsantrag der Rechtsbeschwerde, dieses Rechtsmittel durch das Rechtsbeschwerdegericht zuzulassen, ist nicht statthaft.

13a) Die Rechtsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht habe nicht wirksam über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entschieden, weil es sich der Aufhebung des § 7 InsO nicht bewusst gewesen sei. Im Verfahren über die Anhörungsrüge des Schuldners gemäß § 321a ZPO habe das Beschwerdegericht die Zulassungsentscheidung nicht nachholen können, weil die Parteien zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde nichts vorgetragen hätten und damit keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Betracht gekommen sei. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde müsse daher durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen. Es sei insoweit eine Parallele zur Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu ziehen, welche vom Berufungsgericht nachzuholen sei, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen habe, weil es von einem Überschreiten der Wertgrenze für die Zulässigkeit der Berufung ausgegangen sei (vgl. dazu , NJW 2011, 926 Rn. 15 mwN).

14b) Diese Rechtsprechung kann nicht auf Fälle übertragen werden, in denen die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht unterblieben ist. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesgerichtshof kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Wie der Senat in seinem Beschluss vom heutigen Tage (Beschluss vom - IX ZB 295/11, zVb) näher dargelegt hat, gilt das auch dann, wenn das Beschwerdegericht verkannt hat, dass ihm die Zulassungsentscheidung oblegen hat. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

15Ist - wie vorliegend - eine Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts nicht eröffnet (vgl. , NJW 1980, 344 [zu § 546 ZPO aF]), fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, um die Zulassungsentscheidung dem Rechtsbeschwerdegericht überantworten zu können.

Kayser                                  Raebel                                  Vill

                    Lohmann                                  Pape

Fundstelle(n):
FAAAE-11099